Verkehrswende in Heidenheim

Grünen-Abgeordneter Matthias Gastel: „Ohne Verhaltensänderung wird es nicht gehen“

Wie können Mobilität, Umweltschutz und Lebensqualität in einer Stadt wie Heidenheim für alle gewinnbringend verknüpft werden? In der Stadtbibliothek wurden entsprechende Konzepte mit dem Grünen-Verkehrsexperten und Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel diskutiert.

Rund 100 Zuhörerinnen und Zuhörer besuchten am Donnerstagabend eine Podiumsdiskussion im Margarete-Hannsmann-Saal der Heidenheimer Stadtbibliothek. Hauptreferent war Matthias Gastel, seit 2013 Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Grüne für den Wahlkreis Nürtingen. Gastel ist Mitglied im Ausschuss für Verkehr, Aufsichtsrat der DB InfraGo AG und Berichterstatter für Bahnpolitik in der Bundestagsfraktion der Grünen. Das Thema des Abends lautete „Mobilität der Zukunft – Mobilität in Heidenheim“, es ging also um die Verkehrswende.

Gastel bezeichnete den Bereich der Verkehrspolitik als sehr herausfordernd, weil man hier leider nur mit „geringer Geschwindigkeit Veränderungen bewirken kann“. So ist der Verkehrssektor in Deutschland nach wie vor für 25 bis 30 Prozent des Ausstoßes des Treibhausgases Kohlendioxid verantwortlich. „Und der sinkt auch leider nicht“, so Gastel. Denn die vorhandenen technologischen Fortschritte beispielsweise bei der Motorentechnik würden durch größere und schwerere Fahrzeuge wieder konterkariert.

„Wenn ich die Kinder in die 300 Meter entfernte Kita bringen möchte, brauche ich dazu wirklich ein Auto?"

Matthias Gastel, Bundestagsabgeordneter

So eine Verkehrswende bestehe aus zwei Säulen, erläuterte Gastel, der Mobilitätswende und der Verkehrsenergiewende. Letztere ist zwar auch nicht ganz anspruchslos, aber letztlich lediglich eine technische Herausforderung. Bei der Mobilitätswende hingegen geht es auch um eine andere Qualität von Mobilität und das Bewusstsein sowie ein daraus resultierendes Verhalten der Verkehrsteilnehmer. Das fängt im Kopf an, so Matthias Gastel: „Wenn ich die Kinder in die 300 Meter entfernte Kita bringen möchte, brauche ich dazu wirklich ein Auto? Ohne Verhaltensänderung wird es nicht gehen.“

Ein wesentlicher Baustein der Verkehrswende auf institutioneller Ebene ist die Zusammenlegung der bisher getrennten Bahnsparten DB Netz sowie DB Station und Service zu einer Infrastrukturgesellschaft, der DB InfraGo AG. Mit einer neuen Bestimmung: „Sie ist am Gemeinwohl ausgerichtet. Laut Satzung ist das oberste Ziel somit nicht mehr die Gewinnmaximierung“, erklärte Gastel. Zukünftig soll verstärkt auf die Kapazität und den Zustand der Infrastruktur sowie „das Mehren des Schienenverkehrs“ Wert gelegt werden. So will man verhindern, dass wichtige Investitionen unterlassen werden, nur weil sie den Gewinn schmälern könnten. Aus Heidenheimer Sicht wohl am wichtigsten: Die Bundesregierung hat Ende letzten Jahres eine sogenannte Genehmigungsbeschleunigung beschlossen.

Brenzbahnausbau jetzt von „überragendem öffentlichem Interesse“

Dank dieses Verfahrens ist jetzt auch der Ausbau der Brenzbahn in den Rang „Überragendes öffentliches Interesse“ aufgerückt, entsprechende Untersuchungen dazu würden bereits laufen, so der Bundestagsabgeordnete. Vorgesehen sei ein Dreistufenprojekt, „ich war im Mai beim Landrat und habe mir die Pläne vorstellen lassen: Die erste Phase ist der zweigleisige Ausbau auf zwei Abschnitten, die zweite Phase noch ein weiterer Abschnitt und die dritte Phase ist dann die Elektrifizierung“. Nach Abschluss der ersten beiden Phasen sollen zusätzliche Regionalverkehrsangebote geschaffen werden. Das hieße, der Zugtakt steigt und es bestehe „ein geringeres Risiko von Verspätungen“, so Gastel.

Matthias Gastel, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Grüne.
Matthias Gastel, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Grüne. Rene Rosin

Sebastian Hyneck, Vorsitzender des Kreisverbandes des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) erläuterte anschließend am Beispiel der B 466 die Auswirkungen, die eine zweispurige Bundesstraße innerorts für Fußgänger, Radfahrer und Anwohner mit sich bringe. Die letzte Verkehrszählung habe ergeben, dass etwa 15.000 Autos pro Tag auf der B 466 fahren würden, sagte Hyneck. Interessanterweise seien nur sechs Prozent dieser 15.000 Fahrzeuge echter Durchgangsverkehr, 94 Prozent verursachten die Heidenheimer selbst.

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So viel Verkehr hat Folgen. „Es gibt viel Lärm, viel Abgas und Sicherheitsrisiken, jedes Jahr passieren zahlreiche Unfälle entlang der B 466“, so Hyneck. 2022 habe man 30 Unfälle mit Personenschaden gezählt, „quasi jedes Jahr sind auch ein oder zwei Getötete zu beklagen“. Er wünsche sich deshalb eine „menschenfreundliche Mobilität“. Der von der Stadt Heidenheim 2022 neu aufgestellte Verkehrsentwicklungsplan, der die Leitlinien der Mobilität bis zum Jahr 2035 vorgibt, bestätige „spannenderweise genau unsere Forderungen“, so Hyneck. Denn bezüglich des immer wieder geforderten Innenstadttunnels empfehle der Verkehrsentwicklungsplan: „Besser nicht. Stattdessen empfiehlt er, dass eine der zwei Bundesstraßenspuren aufgelöst wird und für Fahrrad- und Busverkehr zur Verfügung gestellt wird.“

Hyneck brachte auch eine bessere Verknüpfung von Bus und Bahn ins Gespräch. Wer fremd sei und mit dem Zug in Heidenheim ankomme, wisse nicht, wo er hinmüsse, weil es zwei Busbahnhöfe gäbe. „Und beide relativ weit vom Bahnhof entfernt sind.“ Zudem sei der Hauptbusbahnhof so weit entfernt, dass man gleich zwei Straßen überqueren müsse, eine davon sogar eine mehrspurige Bundesstraße. „Wir vom VCD wünschen uns deshalb einen zentralen Busbahnhof direkt am Bahnhof“, sagte Hyneck. Wenn das Parkhaus am Bahnhof ohnehin abgerissen werde, könne man ja dort einen neuen Busbahnhof planen.

Tempo 30 statt 50

Johannes Metzger, Vorstand des Kreisverbandes Heidenheim des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), erläuterte im Anschluss an die beiden Vorträge die Vorteile einer Absenkung der Maximalgeschwindigkeit des motorisierten Verkehrs von Tempo 50 auf Tempo 30. Durch diese Maßnahme würde die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer steigen, da sich beispielsweise der Anhalteweg von Pkw beim plötzlichen Abbremsen mehr als halbieren würde. Da die Aufprallenergie bei Tempo 50 fast dreimal so hoch ist wie bei Tempo 30 sinkt statistisch betrachtet auch das Risiko tödlicher oder schwerer Unfälle. Zudem gehe auch die Lärmbelastung zurück. Berechnungen hätten zudem ergeben, dass der Fahrzeugfluss - also die Anzahl der Fahrzeuge pro Zeiteinheit - auf ampelgeregelten Straßenabschnitten trotzdem gleich bliebe.

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