Publikumsrenner der Jungen Oper

Besser als beim ersten Mal? So ist die Neuauflage des „Zauberer von Oz“ im Heidenheimer Opernzelt

Bei den Opernfestspielen in Heidenheim gibt's bis zum 3. Juli im Zelt im Brenzpark noch einmal den „Zauberer von Oz“. Wer am ersten Abend der Neuauflage dabei war, der hatte seinen Spaß. Und das ist kein Wunder. Denn die Junge Oper der Heidenheimer Opernfestspiele leistet ganze Arbeit.

Ganz ausgestorben sind sie offensichtlich noch nicht. Vogelscheuchen. Und im Brenzpark läuft dieses Jahr wieder eine herum. Gut, es handelt sich um die Opernversion einer Vogelscheuche. Eine singende Vogelscheuche, also eher sogar Vogel als Scheuche. Aber todschick. Mit Blumen rund ums Dekolleté. Alles schön bunt. Und alle sehr aufgekratzt in der Heidenheimer Festspielversion von „Der Zauberer von Oz“. Am Mittwochabend war Wiederaufnahme.

Die Uraufführung war hier im vergangenen Sommer durchs Zelt gefegt. Wie ein Orkan. Und jetzt, ein Jahr gut abgehangen, wie sieht’s da aus? Alles wunderbar, nach wie vor. Nur das Wetter war seinerzeit besser. Heuer hingegen bietet das Stück, die Inszenierung dafür sogar noch ein bisschen mehr Genuss. Was an Kleinigkeiten liegt, die Erstbesuchern der Show gar nicht auffallen können und deshalb an dieser Stelle auch weiter gar keine Rolle spielen sollen. Es zählt, wie es jetzt ist. Und da gibt’s nichts zu meckern.

Ganze Arbeit der Jungen Oper trotz Fußball-EM

Für Märchen, so lernt man heute, ist bei uns inzwischen der längst staatstragend kultivierte Fußball zuständig. Und seit er gar als letzter Kitt der Gesellschaft proklamiert wird, fühlen sich, sobald Deutschland im Spiel ist, selbst Kinder ab 5 Jahren ins Trikot oder zum Dienst an der Fahne gerufen. Oder sie finden keinen Erwachsenen, der sie mit ins Theater nähme. Jedenfalls war das Opernzelt, während es zeitgleich überall anderswo gegen Ungarn ging, nur gut zur Hälfte mit Publikum gefüllt.

Egal. Denn wer da war, der hatte seinen Spaß. Und das ist kein Wunder. Denn die Junge Oper der Heidenheimer Opernfestspiele leistet ganze Arbeit. Librettist Stephan Knies ist es gelungen, in gut einer Stunde und sehr gut nachvollziehbar eine Quintessenz aus der literarischen Vorlage herauszuarbeiten, die man unterschreiben kann: Füreinander einzustehen und den anderen nicht im Stich zu lassen, hilft; Mut, Intelligenz und Liebe kann man in sich und an sich selber ausbilden – und Selbstbewusstsein lässt sich entwickeln.

Die Schlagzeugerin von Hans Zimmer hinterlässt ihre Handschrift

Drumherum steht beste Unterhaltung im Vordergrund. Niemand kommt mit nur um Ecken herum verständlichen Anspielungen daher. Und tatsächlich muss man ja auch nicht wissen, dass in den USA der McCarthy-Zeit „Der Zauberer von Oz“ sogar schon einmal auf dem Index stand, weil man aus ihm eine marxistische Utopie herauslas. Darüber hinaus gibt es zuhauf tiefenpsychologische Deutungen oder könnten sich – Zauberer-Stichwort, Aura der Macht, aber nichts dahinter – Bezüge zu Politikern aller Epochen herstellen lassen. Und nach dem Hund aus der Geschichte hat sich eine Rock-Band benannt.

Womit wir auch schon bei der Musik angelangt wären. Die ist von der jungen Britin Lucy Landymore – und man würde sie sich auch ein drittes und viertes Mal anhören, schon allein deshalb, weil es in ihr mehr als genug zu entdecken gibt. Lucy Landymore ist die Schlagzeugerin des berühmten Filmkomponisten Hans Zimmer. Das wiederum hört man nicht. Was man hört, ist eine am Ende sehr deutliche eigene musikalische Handschrift.

Weniger ist mehr, was die Musik 2024 angeht

Ausschließlich für Klavier (Mareike Jörling) und Schlagzeug gesetzt, hält die oft aus der jazzigen Ecke wehende und durchaus auch mal mit einem Blues auf der Welle eines chromatischen Minimalismus surfende Musik die Dinge in einem mitreißenden Fluss. Sie hält dazu viele exquisite und diffizile Dialoge für die beiden in den allerbesten Händen befindlichen Instrumente bereit und macht den Schlagzeuger Bernd Elsenhans, der in einem Aufwasch gleich auch noch den Blechmann gibt, sogar zum heimlichen Hauptdarsteller. Auch von den Sängern verlangt Lucy Landymores Partitur einiges – und von der Sopranistin Julia Danz, die nicht nur alle Hexen verkörpert, sondern auch die Tante, verlangt und bekommt sie das Maximum. Ganz großartig.

Gesungen wird insgesamt zwar etwas weniger, als man das in einer Oper vielleicht erwarten würde – Christoph Wittmann ist als Vogelscheuche ein Tenor im Mieder, Daniel di Prinzios ängstlicher Löwe schlottert im Bass – doch das tut dem ganzen insofern keinen Abbruch, sondern eher gut, weil der Erzählfaden der rund um den als Oper verhandelten Ausschnitt doch etwas ausführlicheren Geschichte so besser und deutlicher weitergesponnen werden kann. Meist von der warmherzigen Heldin Dorothy, die von Margherita Campostrini quicklebendig gespielt wird. Unter den Händen der die Wiederaufnahme begleitenden Beatrice Müller hat die intelligente Inszenierung von Annika Nitsch ihre mitreißende Lebendigkeit bewahrt.

In welchen Verkleidungen die Schauspieler daherkommen

Und die Protagonisten sehen nach wie vor wunderbar durchgeknallt aus. Mit grünen Fliegenfallen-Brillen, die der Optiker von Elton John geliefert haben könnte, und, da wir hier ja auch durchaus in Amerika sind, in Kostümen, die so schrill schreiend daherkommen, als wären sie via Zeitsprung aus Andy Warhols Factory in New York entkommen oder würde man die Musik von „Velvet Underground“ plötzlich sehen können. Ein bisschen wie „Venus in Furs“ vielleicht, bloß mit anderem Text und ganz und gar jugendfrei. So ergeben sich freundlich psychedelisch wirkende Helden in einer scherenschnittartig und einfach gehaltenen Umgebung, aus deren Off sich der Zauberer meldet wie Samiel in der Wolfsschlucht des „Freischütz“. Die als „VestAndPage“ firmierenden Ausstatter Verena Stenke und Andrea Pagnes hatten hier bei der Arbeit eindeutig ihren Spaß. Wie alle anderen auf, hinter und vor der Bühne auch. Alles wunderbar. Auf nach Oz, kann man da erneut nur sagen.

Die Hälfte der Vorstellungen ist bereits ausverkauft

Wer den „Zauberer von Oz“ der Heidenheimer Opernfestspiele erleben möchte, muss sich sputen, wenn er noch Karten möchte. Ausverkauft sind die Vorstellungen am 22., 23., 25., 27., 30. Juni und 3. Juli. Karten gibt es, weil Schulklassen kurzfristig ihren Besuch abgesagt haben, noch für die beiden Vorstellungen am Mittwoch, 26. Juni (9.30 und 11.30 Uhr), für die 15-Uhr-Vorstellung am Samstag, 29. Juni, und für die beiden Vorstellungen am Dienstag, 2. Juli (9.30 und 11.30 Uhr). Eintrittskarten sind im Ticketshop des Pressehauses in Heidenheim erhältlich.

undefinedundefined
Jetzt einfach weiterlesen
Jetzt einfach weiterlesen mit HZ
- Alle HZ+ Artikel lesen und hören
- Exklusive Bilder und Videos aus der Region
- Volle Flexibilität: monatlich kündbar