Pandemie-Schwund überwunden: So lief die Saison 2023
Am Anfang war das Wort, sagen manche. Und am Ende? Am Ende steht die Zahl, sagen andere. Wir tun das ebenfalls und daher verkünden wir an dieser Stelle auch folgende Zahl: 16.632. So viele Menschen besuchten die diesjährige Saison der Opernfestspiele, die am Sonntag zu Ende ging. Das entspricht einer Gesamtauslastung, die sich absolut sehen lassen kann, nämlich 92 Prozent. Damit haben die Festspiele wieder prä-pandemische Zuschauerzahlen erreicht. Vergangenes Jahr war das Publikum noch etwas zurückhaltender: 13.596 Besucherinnen und Besucher verzeichneten die Opernfestspiele 2022. Doch nicht nur die Gesamtzahl ist von Interesse. Im Folgenden einige weitere Kennzahlen, die eine genauere Betrachtung verdienen.
Der Aufsteiger: Hauptoper „Don Carlo“
Diesen Titel hat nicht nur der 1. FC Heidenheim verdient, man könnte ihn auch getrost „Don Carlo“ überreichen. Die Hauptoper lockte 4938 Zuschauer auf den Schlossberg, das entspricht einer Auslastung von 98 Prozent. Damit liegt sie ein gutes Stück vor „Tannhäuser“, der vergangenes Jahr eine Auslastung von 75 Prozent verzeichnete. Woran das liegt? Auch an Corona, findet Heidenheims Kulturamtsleiter Matthias Jochner. „Die Pandemie hatte uns 2022 noch deutlich geprägt. Das Publikum kam damals gerade zu Beginn der Saison noch etwas zögerlich. Inzwischen merkt man aber, dass die Menschen allgemein wieder mehr zur Kultur gehen“, resümiert Jochner.
Also lag es nur an den Corona-Nachwehen? Nicht unbedingt, findet der Kulturamtsleiter. „Ein Verdi-Stück polarisiert vielleicht ein bisschen weniger als Wagner.“ Festspieldirektor Marcus Bosch hält sich hingegen mit Theorien zurück: „Es ist schwer, Mutmaßungen anzustellen. Wir hatten vier besondere Opernproduktionen dieses Jahr, die teils sehr speziell und sehr intensiv waren.“
Äußerst gut besucht war neben „Don Carlo“ auch die Jazzgala mit 900 Zuschauern und einer Auslastung von 111 Prozent – bedingt durch das Schlechtwetterkarten-Kontingent, das bei einer wetterbedingten Verlagerung ins Congress Centrum mehr Plätze ermöglicht als im Rittersaal. Die Sinfoniekonzerte sahen 2992 Zuschauer, was einer Auslastung von 86 Prozent entspricht.
Die Konstante: Verdi-Oper „Giovanna d’Arco“
Verdi läuft und Verdi läuft gut. Nicht nur, aber vor allem in Heidenheim. Die beiden Aufführungen von „Giovanna d’Arco“ waren bei 1598 Zuschauern zu 86 Prozent ausgelastet und liegen damit praktisch gleichauf mit „I due Foscari“. Jene Verdi-Oper erreichte vergangenes Jahr eine Auslastung von 85 Prozent. „Giuseppe Verdi muss man hier niemandem mehr erklären“, sagt Matthias Jochner und lacht. „Das gilt für die Region Heidenheim, aber auch für den Tagestourismus bei den Opernfestspielen.“ Wenn Verdi draufsteht, kommt das Publikum.
Die Umkehrung: Kinderoper „Der Zauberer von Oz“
„Wurst“, die Kinderoper der letztjährigen Saison, ist ein großartiges Stück, sie vermochte es am Ende aber nur, eine Auslastung von 69 Prozent zu erreichen. Das Auftragswerk „Der Zauberer von Oz“ konnte diese Zahl buchstäblich umdrehen: 96 Prozent Auslastung bei 2877 Zuschauern gelangen Dorothy und ihren Begleitern. „‚Wurst‘ ist eine wunderbare Oper, die natürlich schon im Titel provozierender wirkt. Das war ein Experiment, das vielleicht nicht alle animiert hat“, mutmaßt Jochner. „‚Oz‘ ist hingegen ein gelerntes Thema. Die Geschichte kennt man.“ 15 Mal wurde „Oz“ im Opernzelt aufgeführt, inklusive einiger Zusatzvorstellungen, die aufgrund des hohen Zuspruchs angesetzt wurden.
Der Neuling: Pop-up-Oper „Woyzeck“
Nach dem Erfolg der Pop-up-Oper „Nau bens hald i“ wagten sich die Opernfestspiele in diesem Jahr an ein ähnliches Projekt. Mit „Woyzeck“ fügten die Festspiele ihrem Programm in Kooperation mit dem Theater Aalen eine Kammeroper hinzu. Georg Büchners Drama wurde an mehreren Orten aufgeführt, auch außerhalb des Landkreises. In Heidenheim konnten die Opernfestspielen mit dem Voith-Training-Center einen weiteren Spielort dazugewinnen. 193 Besucher sahen „Woyzeck“ bei den vier Vorstellungen in Heidenheim.
Der Absteiger: Hauptoper „Don Carlo“
Diesen Titel verdient im Grunde ebenfalls „Don Carlo“. Denn trotz nahezu perfekter Auslastung waren es am Ende weniger Zuschauer, als es hätten sein können. Grund dafür ist jedoch nicht die Oper selbst, sondern die Tatsache, dass die Festspiele aufgrund der im vergangenen Herbst beschlossenen Budgetauflagen sparen müssen. Konkret hieß das für diese Saison unter anderem weniger Vorstellungen. „Don Carlo“ wurde sechs Mal aufgeführt, „Tannhäuser“ gab es 2022 sieben Mal zu sehen.
Mir ist ganz wichtig, nicht zu jammern, sondern das Beste aus der Situation zu machen.
Künstlerischer Direktor Marcus Bosch über die Sparmaßnahmen bei den Opernfestspielen
„Wir müssen die Inflationskosten eben auffangen“, fasst Marcus Bosch die Lage zusammen. „Mir ist ganz wichtig, nicht zu jammern, sondern das Beste aus der Situation zu machen.“ Und auch Matthias Jochner merkt an: „Klar, jede zusätzliche Vorstellung generiert auch mehr Besucher. Aber jede Vorstellung kostet eben auch.“
Die Glücklichen: die Menschen hinter den Opernfestspielen
Dieser Titel gebührt keiner Oper, sondern den Menschen, die die Festspiele auf die Beine gestellt haben. Die Glücklichen, zu denen würden sich wohl auch Marcus Bosch und Matthias Jochner hinzuzählen. „Ich bin äußerst zufrieden mit der Saison“, freut sich der Festspielleiter. Nach jedem einzelnen Dirigat Standing Ovations zu bekommen, habe er bei den Festspielen noch nie erlebt. „Von den Reaktionen, die an mich herangetragen wurden, meinten viele, dass sie nicht gedacht hätten, dass die Festspiele noch besser, noch berührender werden könnten.“ Ein großes Lob, aber auch eine stetig höher gesteckte Messlatte, wie es scheint. „Darüber darf man sich natürlich freuen. So ein Lob soll gleichzeitig aber auch Verbesserungspotenzial in einem selbst wachsen lassen.“
So herausfordernd wie immer, so glücklich wie immer.
Kulturamtsleiter Matthias Jochner über die Festspielzeit 2023
„Mutmacher-Saison“. So bezeichnete Matthias Jochner die Opernfestspiele im vergangenen Jahr, nach dem Corona-Loch. Und dieses Jahr? „Glückliche Wiederkehr“, sagt der Kulturamtsleiter da nur. Die Saison habe er als „so herausfordernd wie immer, aber auch als so glücklich wie immer“ empfunden.
Opernfestspiele Heidenheim 2024: Puccini macht den Anfang
Die Hauptoper der Heidenheimer Opernfestspielzeit 2024 wird Giacomo Puccinis „Madama Butterfly“ sein. Premiere ist am 4. Juli. Als frühen Verdi steht kommendes Jahr „Alzira“ auf dem Programm. Premiere ist hier am 18. Juli. Der Kartenvorverkauf für 2024 beginnt am 20. November.