Pfarrer erschlägt Landsknecht mitten in Heidenheim
Nicht alles, was in Giuseppe Verdis „Don Carlo“ geschieht, basiert auf historischer Wahrheit. Doch auch nicht alles, was in jenen Tagen auf der iberischen Halbinsel tatsächlich passierte, war unbedingt so spektakulär wie das, was sich ungefähr gleichzeitig in Heidenheim an der Brenz ereignete.
Die Oper als solche übrigens war damals ja noch nicht einmal erfunden. Das, macht man die Geburtsstunde der Gattung an der Aufführung von Claudio Monteverdis „L’ Orfeo” am 24. Februar 1607 in Mantua fest, sollte noch gut 50 Jahre dauern.
Ein Montag im Jahr 1552
Und selbst wenn man, was auch nicht falsch wäre, Jacopo Peris 1598 in Florenz herausgekommene und nur noch fragmentarisch erhaltene „Dafne“ zur ersten aller Opern küren möchte, müsste man dennoch fast noch 50 Jahre in der Zeit zurückeilen, um rechtzeitig in dem Heidenheim anzulangen, in dem passiert, was nun zu erzählen wäre.
Wir schreiben den 8. September des Jahres 1552. Ein Montag. In Spanien regiert, im Namen seines Vaters, der als Kaiser Karl V. in noch größerem Rahmen beschäftigt ist, König Philipp II., ein strammer junger Katholik. Und in Heidenheim an der Brenz bahnt sich ein spektakulärer Kriminalfall an, in dem der evangelische Stadtpfarrer Thomas Frech und ein katholischer Landsknecht aus dem gar nicht so fernen Zöschingen die Hauptrollen spielen.
Spieße und Mistgabeln
Es beginnt am Stadttor. Und es beginnt betrunken. Zunächst wird ein wenig krakeelt. Doch der Landsknecht und einige seiner Waffenbrüder haben offenbar mehr Spaß an ihrem Zustand, als sie allein verkraften können. Man beschließt, dass auch andere etwas davon haben sollen und treibt, wie man noch heute in der Meckschen Chronik „Heidenheim nebst Hellenstein“ nachlesen kann, zunächst „allerlei Unfug an Wäschestücken“.
Daraufhin entbrennt ein heftiger Streit mit auf Sauberkeit bedachten Heidenheimer Bürgern, in dessen Verlauf der Zöschinger Landsknecht „in wilde, zornige Aufregung“ gerät und seine Waffe zieht. Ihm gegenüber beziehen der Torwart („mit seinem Spieß“) und ein gewisser Wolf Hitzler („mit einer Mistgabel“) Aufstellung. Das Geschrei ist groß und lockt Stadtpfarrer Thomas Frech an, der, eigentlich auf dem Weg in seinen Garten, kehrt macht und sich beim Torwart nach dem Grund des Skandals erkundigte.
Der Zaunstecken
Währenddessen drohte der Vorfall zu eskalieren und gerät der ebenfalls mit dem Landsknecht ringende Peter Weider in regelrechte Lebensgefahr. Stadtpfarrer Frech greift kurzerhand zu einem Zaunstecken, holte aus und versucht, dem Unruhestifter das Schwert aus der Hand zu schlagen. Der Hieb allerdings trifft den Kopf des Landsknechts. „Dieser tat noch einen Sprung in die Höhe, und fiel dann um.“ In der folgenden Nacht stirbt er.
Bei der Untersuchung des Falles kommen die weltlichen Richter zum Schluss, dass der in der Gemeinde höchst beliebte Pfarrer Frech in guter Absicht hatte Frieden stiften wollen – und sprechen ihn, nachdem Frech die Verwandten des Erschlagenen finanziell entschädigt hat, frei. Die Kirchenräte indes halten eine einstweilige Amtsentsetzung des Geistlichen für angezeigt.
Ein Jahr lang hält sich Thomas Frech als Privatmann in Heidenheim auf, dann wird er wieder als Stadtpfarrer installiert. 1560, im Jahr, in dem Giuseppe Verdis „Don Carlo“ angesiedelt ist, wird Frech auch Dekan. Am 1. April, dem Karfreitag des Jahres 1575, stirbt Thomas Frech in Heidenheim. König in Spanien ist immer noch Philipp II.
Eintrittskarten und Informationen
Eintrittskarten für die Opernvorstellungen und Konzerte der Heidenheimer Opernfestspiele gibt es im Ticketshop des Pressehauses. Weitere Informationen zum Programm sind im Internet unter www.opernfestspiele.de erhältlich.