Wartezeiten und Personalmangel

Pflege im Landkreis Heidenheim: Ist ein Mangel an Plätzen zu befürchten?

Geplante neue Pflegeheime stecken in der Warteschleife. Droht im Landkreis Heidenheim mittelfristig eine Unterversorgung, zumal schon jetzt die Wartezeit auf einen Pflegeheimplatz lang sein kann?

Pflege im Landkreis Heidenheim: Ist ein Mangel an Plätzen zu befürchten?

Pflegeheime abtelefonieren, sich auf Wartelisten setzten lassen, warten und hoffen: Das ist das Prozedere, wenn Menschen einen stationären Pflegeheimplatz suchen. Je nach Situation muss man derzeit auf einen Platz vier Wochen warten, wobei auch immer der Zufall und die Dringlichkeit eine Rolle spielen, wie schnell jemand einen Pflegeplatz bekommt.

Steuert der Landkreis in den nächsten Jahren auf einen Mangel zu? Schließlich stehen derzeit zwei geplante Neubauvorhaben in der Warteschleife. Der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes steht auf dem ehemaligen Schlachthof-Areal in den Startlöchern, der Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt kämpft mit rechtlichen Schwierigkeiten mit einem Neubau in der Weststadt und muss zudem dringend das Eugen-Loderer-Altenzentrum erneuern. Gleiches steht beim Karl-Kaipf-Heim in Herbrechtingen an, das durch einen Neubau ersetzt werden soll. Droht also mittelfristig eine Unterversorgung?

Landratsamt Heidenheim: Unterversorgung nicht zu befürchten

Die Fäden für die Altenhilfeplanung laufen beim Landratsamt Heidenheim zusammen. Dort haben die Fachleute im Blick, wie viele Plätze vorhanden sind, ebenso wird der Bedarf der kommenden Jahre prognostiziert. Auf dieser Grundlage gibt es auch die Entwarnung: „Die Gefahr einer Unterversorgung ist für den Landkreis Heidenheim aufgrund der vorhandenen Vollzeitpflegeplätze nicht zu befürchten“, teilt Pressesprecher Tobias Mayer mit.

Statistisch betrachtet waren im Landkreis Heidenheim zum Jahresende 2022 1.307 Vollzeitpflegeplätze vorhanden. Mit Eröffnung der neuen Pflegeeinrichtungen in Giengen (DRK) und Steinheim (SHL) sowie dem Abschluss der Umbauarbeiten in der Hansegisreute seien weitere 138 Pflegeplätze hinzugekommen, somit stünden aktuell insgesamt 1.445 Vollzeitpflegeplätze zur Verfügung. Weitere 25 Plätze seien nach Abschluss der Umbauarbeiten in Kürze in Gerstetten bei der Evangelischen Heimstiftung zu erwarten.

„Planungshorizonte in der Pflege bewegen sich im mittel- bis langfristigen Bereich, Verzögerungen bei Baumaßnahmen werden dadurch weitestgehend abgefedert“, so Mayer. Die Einrichtungen, in denen umgebaut werden müssten, auch im Hinblick auf die Einzelzimmerverordnung, könnten dies bei Bedarf im laufenden Betrieb umsetzen. Deshalb sei aus diesem Grund keine Unterversorgung zu befürchten.

Wird der Mangel an Pflegekräften zum Problem in Heidenheim?

Doch Probleme drohen dennoch, wenn auch aus anderen Gründen. „Der eklatante Mangel an Fachkräften führt bereits jetzt dazu, dass einige Pflegeeinrichtungen nicht alle ihre Pflegegruppen belegen können“, sagt Mayer. Das heißt: Pflegeplätze sind vorhanden, werden in der Realität wegen fehlendem Fachpersonal jedoch nicht genutzt werden können. 

Das ist zum Beispiel derzeit zum Beispiel im Wohnstift Hansegisreute der Evangelischen Heimstiftung in Heidenheim der Fall. Hausdirektorin Beate Decker berichtet davon, dass 22 Plätze in einem Wohnbereich nicht in Betrieb seien, weil Personal fehle. Würde dieser Bereich eröffnet werden, wäre er mit Anlaufzeit nach spätestens drei Monaten belegt, schätzt Decker. Eine Generalsanierung des Pflegeheims wurde erst im April dieses Jahres abgeschlossen, 162 Plätze stünden zur Verfügung.

So lange wartet man im Landkreis Heidenheim auf einen Pflegeplatz

Wie lange jemand auf einen Pflegeplatz warten müsse, könne man nicht pauschal sagen. „Je nach Verfügbarkeit kann das ganz schnell gehen.“ Es gebe immer wieder freie Plätze, die sofort belegt werden könnten. Aber es könne auch längere Wartezeiten geben, je nach Situation bis zu sechs Wochen. „Wir nehmen die Anfragen in die Pipeline, oft kommt es dann vor, dass die Menschen nach sechs Wochen schon anderswo etwas gefunden haben“, sagt Decker. Generell werde die Verweildauer der Menschen in stationärer Pflege immer kürzer, weil davor die ambulante Pflege so lange wie möglich genutzt werde. Das sei eine klare Intention des Pflegestärkungsgesetzes gewesen. Es sei aber auch der Trend in der Gesellschaft, die eine ambulante Pflege der stationären vorziehe. „Wir brauchen aber beide Angebote, weil immer mehr Menschen alt werden und die Nachfrage steigt.“

Ehepaar im Doppelzimmer: Künftig geht das nicht mehr

Peter Dell'Aquila, Einrichtungsleiter des Hauses der Pflege des Deutschen Roten Kreuzes in Heidenheim, berichtet von ähnlich langen Wartezeiten. Allein am Tage des Gesprächs mit dieser Zeitung erreichten ihn vier Anfragen, die er alle absagen musste. „Wir sind ein relativ großes Haus, da gibt es viele Bewegungen und man kann auch Glück haben." Doch im Schnitt betrage die Wartezeit für einen Platz in der vollstationären Pflege drei bis vier Wochen. Vergeben werde auch je nach Dringlichkeit, räumt er ein. In der Kurzzeitpflege könne bei einer spontanen Notlage aber auch viel schneller reagiert werden. „Für uns ist diese Situation gut, da wir immer voll ausgelastet sind. Aber für die Menschen, die Hilfe brauchen, ist es schon dramatisch.“

Bis zu zehn Tage Pflege im Krankenhaus möglich

Mit dem Jahr 2022 kam eine gesetzliche Verbesserung, wenn Menschen nach einem Krankenhausaufenthalt kurzfristig keinen Platz im Pflegeheim oder in der Reha bekommen, Dann haben sie Anspruch auf Übergangspflege im Krankenhaus für längstens zehn Tage je nach Krankenhausbehandlung. Das hat die Lage leicht entspannt.

Peter Dell’Aquila lenkt den Blick aber auch auf ein anderes Thema. Bis zum Jahr 2029 werde das Haus der Pflege 35 der 138 Plätze verlieren., weil Doppelzimmer abgebaut werden müssten. Das heißt vielleicht aber auch, dass Ehepaare im Haus getrennt werden müssten. Derzeit leben im Heim 5 Ehepaare in gemeinsamen Zimmern, das sei dann nicht mehr möglich.

Warum der Verband seine Prognosen für Heidenheim korrigiert

Wie viele Pflegeplätze im Landkreis Heidenheim künftig benötigt werden, das berechnet der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS). Dieser hat seine Orientierungswerte für die Landkreise in Baden-Württemberg überarbeitet. Demnach ist bis zum Jahr 2035 im Landkreis trotz steigender Pflegeleistungen nur noch ein Bedarf in der Vollzeitpflege von 1.318 bis 1368 Plätzen anzunehmen. In diesem Korridor befindet sich der Landkreis bereits. Dem bis zum Jahr 2030 vorausberechneten Bedarfskorridor von 1326 bis höchstens 1676 Vollzeitpflegeplätzen nähere sich der Landkreis stetig an, so die Einschätzung vonseiten der Landkreisverwaltung.

Warum braucht es weniger Plätze als angenommen? Die Gründe liegen nach Beobachtung des KVJS in der Leistungsausweitung der ambulanten Pflege sowie einer gestärkten Rolle der Kommunen, die zu einer Veränderung in der Angebotslandschaft führen könnten. Ein weiterer Erkenntnisgewinn ist, dass die Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner in den Heimen in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen ist. Ursächlich dafür könnte der Mangel an Fachpersonal sein, ferner wird vermutet, dass der Pflegebedarf anderweitig gedeckt wird.

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