Nächstenliebe

Pflegemutter Eva Hartmann: „Jedes Kind ist ein Geschenk“

Bei der Familie Hartmann leben fünf Pflegekinder, die das Ehepaar wie eigene Kinder großzieht. Unterstützt werden sie dabei vom Pflegekinderfachdienst des Heidenheimer Landratsamts.

Bei Eva Hartmann und ihrem Mann leben fünf Kinder. Sie sind 23, 18, 16, elf und sechs Jahre alt. Keines davon ist das leibliche Kind des Ehepaars, aber Eva Hartmann sagt: „Es sind alles unsere Kinder.“ Ein Kind kam als Baby zu den Hartmanns, die anderen im Kleinkind-Alter. Alle können aus unterschiedlichen Gründen nicht bei den eigenen Eltern leben und wurden von Eva Hartmann als Pflegekinder dauerhaft aufgenommen. Dazu kamen in den vergangenen 25 Jahren noch viele Bereitschaftspflegekinder, manchmal auch Babys, die nur vorübergehend Unterschlupf bei Familie Hartmann fanden.

Kinder als Bereicherung empfunden

Warum macht man so etwas? Eva Hartmann zuckt die Schultern, als wäre es ganz normal, Kinder, die sonst kein Familienleben kennen würden, in den eigenen Haushalt aufzunehmen. „Ich wollte schon immer Kinder adoptieren“, erzählt die 55-Jährige. Sie habe Kinder nie als Belastung empfunden, eher als Bereicherung ihres Lebens. Als die eigenen Kinder, heute 29 und 33 Jahre alt, klein waren, hat sie zunächst als Tagesmutter gearbeitet. Dann kam die erste Anfrage des Landratsamts, ob sie nicht auch ein Pflegekind aufnehmen könnte, zunächst nur vorübergehend. Eva Hartmann hat Ja gesagt, diese Wendung in ihrem Leben bezeichnet sie heute als Schicksal.

Dabei ist es kein Beruf, Pflegeeltern zu sein: Es gibt zwar Pflegegeld für jedes Kind, dieses darf aber nicht die Einkommensgrundlage für die Familie sein. Eva Hartmanns Ehemann ist voll berufstätig, sie kümmert sich um die Kinder, was aber nicht auf ihre Rente einzahlt. Das Pflegegeld beträgt pro Kind je nach Alter zwischen 1178 und 1480 Euro, dazu kommt das Kindergeld. Davon muss aber auch alles finanziert werden, was Kinder brauchen, auch das größere Auto und den Wohnraum der Familie muss man mit einrechnen. „Trotzdem hören wir immer mal wieder das Vorurteil, wir würden uns bereichern“, erzählt Eva Hartmann.

Unterstützt wird Eva Hartmann von Seiten des Jugendamts durch den Pflegekinderfachdienst. Diesen gibt es seit 25 Jahren, die Sozialpädagoginnen Dagmar Lübcke-Klaus und Ute Beißwenger sind schon von Anfang an dabei. „Pflegefamilien gab es auch schon davor, aber sie wurden vom allgemeinen sozialen Dienst betreut“, berichtet Ute Beißwenger. Weil Pflegefamilien und Pflegekinder aber eine besondere Begleitung brauchen, wurde innerhalb des Jugendamts dieses Aufgabengebiet herausgelöst.

81 Pflegefamilien und 88 Kinder

Mittlerweile gehören fünf Mitarbeiterinnen zum Pflegekinderfachdienst, die aktuell 81 Pflegefamilien und 88 Kinder in Vollzeitpflege betreuen. Darüber hinaus sind derzeit noch zehn Kinder in Bereitschaftspflege, also kurzfristig bei Familien untergebracht. Grundsätzlich haben die leiblichen Eltern immer ein Umgangsrecht, dürfen also ihre Kinder sehen, auch wenn diese in Pflegefamilien leben. Dies klappt aber nicht immer, berichtet Eva Hartmann: „Manche Eltern sind unzuverlässig, manchmal brechen aber auch die Kinder den Kontakt ab“, erzählt sie. „Das Ziel ist, dass es die Möglichkeit einer Rückkehr zur Herkunftsfamilie gibt“, ergänzt Sozialpädagogin Ute Beißwenger. Das würde manchmal funktionieren, meist würden die Kinder aber auf Dauer bei der Pflegefamilie bleiben.

Aufgabe des Pflegekinderfachdienstes ist es, Pflegepersonen und Kinder möglichst gut kennenzulernen, um eine passende Vermittlung zu schaffen. Manchmal klappt das nicht auf Anhieb. „Pflegekinder bringen immer einen Rucksack mit“, sagt Dagmar Lübcke-Klaus. Darauf werden künftige Pflegeeltern aber auch vorbereitet: Voraussetzung dafür, ein Pflegekind aufzunehmen, ist ein Vorbereitungsseminar mit fünf Abenden à drei Stunden. Der Pflegekinderfachdienst steht den Familien mit Beratung zur Seite. Neben Fortbildungen gibt es auch gemeinsame Unternehmungen wie ein Sommerfest oder Kanufahren für die Pflegekinder und ihre Familien.

„Die Anforderungen an Pflegefamilien haben sich in den letzten 25 Jahren verändert“, resümiert Dagmar Lübcke-Klaus. Die Probleme in den Herkunftsfamilien wie Sucht oder psychische Erkrankungen seien komplexer geworden und das wirke sich auch auf die Kinder aus. „Aber damit werden die Pflegeeltern nicht allein gelassen“, verspricht die Sozialpädagogin. „Ich habe es noch nie bereut, Pflegekinder aufgenommen zu haben“, sagt Eva Hartmann. Für sie ist jedes Kind ein Geschenk – und das nicht nur an Weihnachten.

Wie man Pflegeeltern werden kann

Pflegeeltern werden vom Heidenheimer Landratsamt immer gesucht. Pflegekinder können nicht nur von Paaren, sondern auch von alleinerziehenden Eltern aufgenommen werden. Voraussetzung ist aber, dass das Familieneinkommen auch ohne Pflegegeld gesichert ist. Pflegeeltern müssen ein polizeiliches Führungszeugnis und ein ärztliches Attest vorlegen. Ein Vorbereitungsseminar für künftige Pflegeeltern ist für März 2025 geplant. Weitere Infos gibt es unter pflegekinder@landkreis-heidenheim.de oder unter Tel. 07321.321-2527 oder 321.2279.

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