Bei Voith fanden am Donnerstag zwei Betriebsversammlungen im Konzerthaus statt, zu der alle Mitarbeitenden des Standorts Heidenheim eingeladen waren. Thema gab es nur eines: die geplante Verlagerung der Voith-Hydro-Produktion nach St. Pölten (Österreich). Rund 70 Arbeitsplätze rund um den Bau und die Wartung von Wasserkraftwerken sollen nach Wunsch der Hydro-Geschäftsführung wegfallen.
Nach der Ankündigung dieser Pläne im Februar hat die Arbeitnehmerseite mit einer Unternehmensberatung zusammengearbeitet, die die Pläne der Geschäftsführung geprüft und einen Gegenvorschlag dazu erarbeitet hat. Im August wurde dieses Alternativkonzept der Arbeitgeberseite vorgelegt, ab dem 2. September gab es Gespräche darüber. Zu einer für die Arbeiternehmer zufriedenstellenden Lösung oder Verhandlungen darüber kam es laut dem Betriebsratsvorsitzenden Alexander Schlotz nicht. Die Arbeitgeberseite habe den Vorschlag abgelehnt und gleichzeitig die Einigungsstelle angerufen. Schlotz betont aber auch, dass die Arbeitnehmervertreter nach wie vor verhandlungsbereit seien. Dem pflichtet auch Tobias Bucher, erster Bevollmächtigter der IG Metall Heidenheim, bei: „Wir wollen Brücken bauen, wir wollen verhandeln und eine betriebliche Lösung finden.“
Auch der Betriebsrat sieht Handlungsbedarf
Der Betriebsrat bestreitet die Notwendigkeit von Maßnahmen im Geschäftsbereich Hydro nicht, „der Änderungsbedarf ist sichtbar und notwendig“, sagt auch Gewerkschafter Bucher. Dem Umsatz des Geschäftsbereichs Voith Hydro im vergangenen Geschäftsjahr 2022/23 von 1,19 Milliarden Euro stand ein Gewinn von 6 Millionen Euro gegenüber, was einer sehr bescheidenen Umsatzrendite von 0,5 Prozent entspricht. Hydro war der Konzernbereich, der am wenigsten zum Konzernergebnis von 73 Millionen Euro beitrug.
Der Betriebsrat habe der Geschäftsführung einen Personalpool vorgeschlagen, mit dem man personelle Kapazitäten am Standort Heidenheim je nach Bedarf verschieben könnte, erläutert der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Kevin Brzoza. Aber auch „betriebliche und tarifliche Bestandteile“ seien im Alternativszenario enthalten. Dafür, dass Heidenheim Standort für die Hydro-Produktion bleibt, spreche auch, dass hier „Anpassungsfähigkeit und Resilienz gegeben sind, weil es drei Divisionen gibt“, meint Tobias Bucher.
„Nach unserer Analyse schmilzt der Vorteil für den Standort St. Pölten um 80 Prozent“, sagt Alexander Schlotz. Für den österreichischen Standort sprechen die dort um rund 15 Prozent niedrigeren Lohnnebenkosten, mehr Flexibilität und eine höhere Produktivität. Hier gibt Betriebsrat Horst Dusek aber zu bedenken, dass in St. Pölten vor allem neue Teile gefertigt würden, wohingegen man in Heidenheim eine höhere Kompetenz für die Überholung von bestehenden Wasserkraftwerken habe. Die sogenannte „Rehab“ gehe aber mit einer geringeren Produktivität einher, was die Betrachtung verzerre.
Keine Nutzung für die Turbinenhalle?
Was noch dazukommt: Für die Nachnutzung der denkmalgeschützten Turbinenhalle, in der die Heidenheimer Fertigung stattfindet, soll es kein Konzept geben. „Die Fixkosten der Halle werden bleiben, sie werden dann nur nicht mehr dem Konzernbereich Hydro zugeschlagen, sondern auf den Gesamtkonzern umgelegt“, meint Tobias Bucher. Bei den Unterhaltskosten für die Halle ist von einem niedrigen Millionenbetrag die Rede. „Es wurde alles nur isoliert für Hydro betrachtet, obwohl die Verlagerung Auswirkungen auf den ganzen Standort hat", wirft auch Horst Dusek der Geschäftsführung vor.
„Nicht realisierbar“
Die Geschäftsführung von Voith Hydro hat das Alternativkonzept der Arbeitnehmer nicht überzeugt: „Die eingehend geprüften Zukunftsszenarien des Betriebsrats spiegeln leider nicht die wirtschaftliche Realität des Konzernbereichs wider und beruhen auf Annahmen, die aus Arbeitgebersicht nicht realisierbar sind“, so das von der Pressestelle des Konzerns übermittelte Statement. Auf dieser Basis könne die Hydro-Geschäftsführung keine solide Zukunft für die Fertigung in Heidenheim sicherstellen. „Daher hat sich die Geschäftsführung nach über sieben Monaten intensiven Austauschs und zahlreicher Gespräche mit den Interessensvertretern an die Einigungsstelle gewandt, um zeitnah die benötigte Planungssicherheit für den gesamten Voith-Hydro-Standort Heidenheim zu erreichen“, teilt das Unternehmen mit.
Ebenso wie die Arbeitnehmerseite versichert auch die Geschäftsführung, sie sei „weiterhin offen für einen konstruktiven Austausch und lösungsorientierte Gespräche mit dem Betriebsrat.“ Ziel sei es, „im Interesse des gesamten Unternehmens und unserer Mitarbeitenden nun zeitnah zu einer zukunftsfähigen Lösung zu kommen.“
Einigungsstelle als letzte Instanz
Das Verfahren, die Einigungsstelle einzuschalten, ist gemäß Betriebsverfassungsgesetz zur Lösung von Meinungsverschiedenheiten vorgesehen, die nicht einvernehmlich zwischen den Betriebsparteien gelöst werden können. Die Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, in der Regel ein Arbeitsrichter oder eine Arbeitsrichterin.