Der Radweg nach Großkuchen kann nicht so gebaut werden, wie er am einfachsten und sichersten für die Radfahrerinnen und Radfahrer wäre. Denn für einen durchgehenden – auf der rechten Seite in Fahrtrichtung Großkuchen – steht der Naturschutz auf 800 Metern Länge im Wege. Der bestehende Weg kann nicht um den notwendigen einen Meter verbreitert werden, weil direkt nebenan ein Biotop und ein Naturschutzgebiet beginnen, in die nicht eingegriffen werden darf.
Deshalb bleibt nur noch die zweite Variante: Bei dieser wird ein bestehender Feldweg – auf dem Gelände zwischen B19 und Kreisstraße rings um das Umspannwerk – zum Radweg umgebaut, sprich asphaltiert. Der Weg bleibt für den landwirtschaftlichen Verkehr offen. Um auf diesen Weg zu gelangen, müssen die Radfahrer jedoch zweimal die Kreisstraße queren: einmal direkt an der Einmündung zur B19, wo unabhängig davon eine Ampel für den gesamten Verkehr geplant ist, und ein zweites Mal hinter der Kurve auf Höhe des Sportplatzes Waibertal. Der Rest des Radwegs würde auf der südlichen Straßenseite entlangführen bis nach Großkuchen.
Johann Rill, Fachmann beim Landratsamt, hatte dem Gremium gemeinsam mit einem Vertreter des beauftragten Planungsbüros diese Trassenvarianten vorgestellt samt der Ergebnisse der Befragung der Träger öffentlicher Belange, wie etwa die Stadt, die Landwirtschaft, das Regierungspräsidium und die untere Naturschutzbehörde.
So empört reagieren die Heidenheimer Kreisräte: „Ein Unding“
Der Unmut über das Ergebnis dieser Vorplanung war groß bei den Kreisräten, die im Fachausschuss für Infrastruktur und Umwelt nicht mit ihrer Meinung zurückhielten. „Die zwei Querungshilfen sind ein Unding“, wetterte nicht nur Rainer Gansloser (Grüne). Er habe nichts gegen ein Biotop, „aber was ist ein Menschenleben wert?“ Gansloser rechnete vor, dass es sich um 1500 Quadratmeter Naturschutzgebiet handele und sich im Gegenzug niemand daran stoße, dass jeden Tag 52 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche kaputt gemacht würden. Ins gleiche Horn stießen Alfons Jakl (CDU/FDP-Fraktion) und Werner Häcker (Freie Wähler): „Das ist eine rechtliche Umkehr. Wer muss denn hier auf wen Rücksicht nehmen?“ Häcker kündigte an, dieser Planung niemals zuzustimmen. Werner Fuchslocher dachte auch an die andere Seite: „Wir bremsen mit den zwei Querungen den Schwerverkehr aus.“
Heidenheims Landrat Peter Polta verspricht erneute Prüfung
Landrat Peter Polta zeigte Verständnis, machte aber wenig Hoffnung, dass sich die paradoxe Situation lösen lässt: „Ich bin bei vielen Gedanken bei Ihnen“, sagte er. „Wir beleuchten das noch einmal genau wegen des Naturschutzes, aber über rechtliche Grenzen können wir uns nicht hinwegsetzen.“ Er habe das so nicht erfunden.
Um das Naturschutzgebiet zu umgehen, gäbe es noch die Möglichkeit, die Kreisstraße um zwei Meter Richtung Acker zu verlegen. „Aber da sind wir nicht tiefer eingestiegen“, sagte Rill. Denn das würde nicht nur sehr teuer werden, sondern man habe beim Bau auch hohe Anforderungen wegen des Wasserschutzgebiets, und zudem müsste man die Straße sehr lange sperren. Die Möglichkeit, einfach einen Schutzstreifen für Radfahrer zu markieren, scheide ebenfalls aus, angesichts von 900 Fahrzeugen an Schwerverkehr pro Tag.
Durch Rotensohl: Kreisstraße muss leicht verschoben werden
Der weitere Verlauf des Radwegs ist planerisch geklärt, auch an den Engstellen: Nach der aktuellen Straßenlage würde das nicht funktionieren, aber durch eine Verschiebung der Straße und mithilfe von Betongleitwänden – so wie in Oggenhausen auf der Autobahnbrücke geschehen – könnte der Radweg hergestellt werden. Auch für die Ortsdurchfahrt Oggenhausen ist eine Lösung gefunden: Dort soll die Straße an einer Engstelle leicht verschoben werden, um die durchgehende Breite des Geh- und Radwegs von 2,5 Metern zu gewährleisten.
Ebenso komplex wie die Frage der Trassenführung ist auch die Antrags- und Genehmigungsflut, die dazu führt, dass sich der Baubeginn noch bis ins Jahr 2026 ziehen wird, falls der Baubeschluss in dieser Form überhaupt gefasst wird.
Warum mit dem Bau im besten Fall erst 2026 begonnen werden kann
Auf 3,3 Millionen Euro werden die Kosten für den Bau des Geh- und Radwegs geschätzt. Um Zuschüsse zu bekommen, drängt die Zeit. Der Antrag für die Aufnahme in die Förderprogramme muss laut Rill bis Ende Oktober gestellt werden. So hoffe man auf eine Förderung von bis zu 90 Prozent der Kosten. Erst wenn das Regierungspräsidium grünes Licht gibt, kann der Landkreis die Entwurfsplanung beauftragen, die wiederum notwendig ist, um offiziell in die Förderprogramme aufgenommen zu werden. Sind alle Fragen des Grunderwerbs geklärt, folgt die Genehmigungsplanung und abermals die Anhörung der Träger öffentlicher Belange – wahrscheinlich ist dann schon Ende 2025. Anfang 2026 könnte endlich der Förderantrag gestellt werden. Liegt dieser vor, kann das Projekt ausgeschrieben und schließlich mit dem Bau begonnen werden.
„Wir wollen nur einen Radweg bauen, das ist Bürokratie at its best“, sagte Landrat Peter Polta, und Rainer Gansloser setzte angesichts der Antragsflut und Prüfungen noch eine zynische Anmerkung obendrauf: „Man will ja hier kein Atomkraftwerk bauen, aber es sieht ganz so aus.“
Ampel an der B19-Abzweigung ins Waibertal?
Dass am Abzweig an der B19 in Richtung Waibertal und Großkuchen eine Ampel eine Verbesserung für den Kfz-Verkehr bringen würde, das haben die Planer im Zuge des Mobilitätspaktes gemeinsam mit dem Regierungspräsidium Stuttgart festgestellt. Damit könnte, so die Auskunft vonseiten des Landratsamts, die Leistungsfähigkeit des Knotenpunktes verbessert werden kann.
Falls eine Radwegquerung für den Geh- und Radweg nach Großkuchen im Einmündungsbereich der B 19 notwendig wird, solle eine zeitgleiche Umsetzung mit dem Geh- und Radweg angestrebt werden, sagt Landratsamt-Sprecher Tobia Mayer. Der Landkreis Heidenheim habe sich mit dem Regierungspräsidium Stuttgart zu dieser Vorgehensweise verständigt. Zuständig für den Ampelbau sei in erster Linie der Baulastträger für die übergeordnete Straße, das heißt, für die Bundesstraße 19 beim Regierungspräsidium Stuttgart. Unter bestimmten Umständen könne jedoch auch der Landkreis Heidenheim diese Maßnahme in Abstimmung mit dem Regierungspräsidium umsetzen.
Muss der Landkreis für die Ampel bezahlen? Das ist noch nicht abschließend geklärt. Eine Kostenbeteiligung durch den Landkreis Heidenheim richtet sich nach dem Bundesfernstraßengesetz und könnte gegebenenfalls erforderlich sein.