Theaterring

Wie „Das Paket“ im Heidenheimer Konzerthaus für Raten und Ratlosigkeit sorgt

Inszenierung des Berliner Kriminaltheaters von „Das Paket“ nach Sebastian Fitzek lockte zahlreiche Besucher ins Heidenheimer Konzerthaus – und sorgte für geteilte Meinungen.

Sebastian Fitzek ist derzeit wohl der erfolgreichste Krimi-Autor – der bekannteste allemal. So ist es auch kein Wunder, dass das Konzerthaus am Donnerstagabend nahezu vollbesetzt war: Gespannt warteten die vielen Besucher darauf, wie dem Berliner Kriminaltheater die Umsetzung von Fitzeks Thriller „Das Paket“ gelingen würde. Und das ist geglückt in dem Sinne, dass doch viele der Zuschauer die Spuren mit Rätseln um den Täter verfolgten. Einige ließ es aber auch ratlos zurück.

Die Geschichte: Emma ist vergewaltigt worden, die langen Haare wurden ihr dabei geschoren, sie bleibt traumatisiert zurück. Einerseits aufgrund der Tat, andererseits, weil keiner ihr glauben will. Es passieren Morde, die ihr in die Schuhe geschoben werden und schließlich folgt die Aufklärung – lässt sich freilich im Roman nachvollziehbarer erzählen als auf der Bühne, wo bereits häufiger Szenen- und Ortswechsel das Geschehen ins Stocken geraten lässt. Das kann dann nur durch überzeugendes Spiel aufgefangen werden, was nicht durchweg geboten wurde.

An vielen Stellen zäh

Nur langsam kommt der Thriller in Fahrt, die ersten Akte sind stark dialog- und erzähllastig und von daher wenig geeignet, prickelnde Spannung zu erzeugen. Und darin sind sich schließlich beide Gruppen einig: Die Inszenierung bleibt an vielen Stellen zäh. Und das wiederum hat zur Folge, dass die Spannung, einmal aufgekommen, nicht gehalten werden kann, sondern immer wieder abreißt. Für einen Thriller ist das nicht gerade zuträglich.

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Erschwerend kommt hinzu, dass die vielen Umbauten im Bühnenbild nicht zügig vonstattengehen. Das Umbaupersonal müht sich zwar redlich, dennoch kann es nicht verhindern, dass der Spielfluss abermals ins Stocken gerät. Zudem sind die Personen auch im Black erkennbar, was insbesondere dann störend ist, wenn die Spieler selbst mitanpacken. Eben noch saß Emma sediert im Rollstuhl, und dann räumt sie mit um – das reißt unweigerlich aus der Geschichte. Hier hätte ein effizienteres Bühnenbild hilfreich sein können.

Überzeugendes Spiel der Protagonistin

Manche Szenen geraten – gewollt oder ungewollt, das wird nicht klar – direkt komisch: Wenn etwa die Beine einer zerstückelten Leiche aus der Mülltonne ragen, dann sind diese nicht gerade täuschend echt gemacht. Das sorgt ebenfalls für Lacher wie auch die Figur des Paketempfängers, an dem Loriot seine Freude gehabt hätte. Freilich reißen die Lacher etwa über die merkwürdige Maske des Paketempfängers ebenfalls aus der Spannung, die bei einem Psychothriller doch bis zur Aufklärung ungebrochen, wünschenswerterweise sogar ansteigend sein sollte. Die spannungsgeladene Musik ist zwar treffend ausgewählt, reicht aber nicht aus, den Thriller zu einem solchen werden zu lassen. Dem stehen letztlich auch einige Logikfehler im Weg.

Dass manche Zuhörer überhaupt mit dem Rätselraten bei der Stange gehalten werden, das liegt am Spiel der Hauptfigur: Wie Alexandra Johannknecht die Entwicklung von der Businessfrau über das gebrochene Vergewaltigungsopfer mit Hang zu Affekthandlungen bis zur Wiederentdeckung des Kampfgeistes zeigt, ist äußerst sehenswert und sie überzeugt mit ihrem feinfühligen Spiel in allen Facetten. Der Rest des Ensembles lässt wenig an Charakterisierung erkennen, und das gilt auch für den Paketempfänger, bei dem nach Abzug von Klamauk nicht viel an Persönlichkeit übrigbleibt.

Wendungen mit Potenzial

Dabei legt die Inszenierung durchaus viele verschiedene Spuren, die im Publikum nicht nur wahrgenommen, sondern auch verfolgt werden. Sie wendet in der Erzähltechnik auch interessante Mittel an, etwa eingespielte Nachrichten, Botschaften auf Mailbox und Videoeinspielungen. Gerade letztere aber werden nicht konsequent eingesetzt und wirken daher eher irritierend als gut eingebettet. Die Wendungen jedenfalls tragen durchaus das Potenzial für einen veritablen Thriller in sich und treiben die Spannung an. Zu schade, dass diese nicht im Fluss geblieben ist. Und sie verbergen auch nicht gänzlich, wer letztlich der Täter war. Und gerade diese entscheidende auflösende Stelle hätte mit Effekt präsentiert werden können. Leider ergeht sie sich stattdessen in langatmigen Dialogen.

Bei all diesen Kritikpunkten wird nicht verkannt, dass viele Besucher viel Freude an Fitzeks Geschichte hatten und das Paket sehr gerne ausgepackt haben. Manche allerdings hätten es lieber zugelassen.

Alles Bestseller

Sebastian Fitzek, geboren 1971 in West-Berlin, ist Schriftsteller, Journalist und Moderator. 2006 begann er, Thriller zu schreiben, die allesamt zu Bestsellern wurden. „Das Paket“ erschien im Jahr 2016. Die vom Berliner Kriminaltheater gezeigte Bearbeitung stammt von Hörspiel- und Bühnenautor Marc Gruppe, der auch bereits Fitzeks Thriller „Der Seelenbrecher“ und „Die Therapie“ in Bühnenform gebracht hat.

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