Vor der Bundestagswahl 2025

Was Roderich Kiesewetter (CDU) auf der Agenda hat: Von Tweet-Eklat bis Zukunftsfragen

Der CDU-Wahlkreisabgeordnete Roderich Kiesewetter diskutiert über die Herausforderungen der deutschen Politik vor der Bundestagswahl 2025, von Migration bis Energieversorgung, von lohnender Arbeit bis Freiwilligendienst.

Bauernkundgebung, Händlertreffen, Plakatieren, nach Berlin reisen für ein Treffen im parlamentarischen Kontrollgremium: All diese Termine stehen allein an einem Tag im Terminkalender des Ostalb-Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter. Dazwischen bleibt Zeit für das jährliche Gespräch um den Jahreswechsel mit der Presse, in dem der CDU-Außenpolitiker erzählt, was ihn im vorigen Jahr umtrieb und wie er sich vor der Bundestagswahl positioniert. Der 61-Jährige kandidiert in diesem Jahr zum fünften Mal für den Bundestag.

Roderich Kiesewetters Tweet über Olaf Scholz

Für das erste Aufsehen im Jahr 2025 sorgte Kiesewetter nicht mit politischen Ideen oder Analysen, sondern mit einem Tweet auf der Plattform X. Seine Aussage: Bundeskanzler Olaf Scholz könnte sich noch vor der Bundestagswahl am 23. Februar mit Russlands Präsident Wladimir Putin treffen. Den Tweet löschte er nach einem Aufschrei aus SPD-Kreisen. Doch wie kam der Politiker darauf? War er selbst überzeugt, dass es ein solches Treffen geben wird? Kiesewetter bleibt eine Woche später vorsichtig: „Ich gehe als Oppositionspolitiker Hinweisen nach.“

Ganz zurückrudern will er jedoch nicht. „Wenn ein Bundeskanzler, ein Fraktionsvorsitzender, ein Staatssekretär und ein Generalsekretär dermaßen reagieren und ich weder eine Entschuldigung noch eine Unterlassung noch sonst irgendetwas unterzeichnen muss, das spricht für sich. Deswegen kein weiterer Kommentar.“ Was wäre denn schlimm an einem Treffen zwischen Scholz und Putin? Er habe nichts gegen ein Treffen, so Kiesewetter, warnt jedoch vor Zugeständnissen an Russland.

Roderich Kiesewetters Erfolgschancen angesichts des neuen Wahlrechts

Die Union liegt in Umfragen derzeit als stärkste Kraft vorn, die Chancen für Kiesewetter stehen damit gut, einer Regierungspartei anzugehören. Welche Rolle sieht er für sich, zumal er sich als Außenpolitiker immer wieder in Position gebracht hat? Auch hier bleibt Kiesewetter vorsichtig und verweist auf das neue Wahlrecht, wonach allein das Direktmandat nicht ausreiche, um sicher gewählt zu sein, sondern auch das Zweitstimmenergebnis hoch genug sein müsse. Deshalb sei seine erste Priorität, gewählt zu werden. „Meine Rolle sehe ich an erster Stelle als Abgeordneter der Region.“ Angesichts der wenig aussichtsreichen Listenplätze der anderen Kandidaten im Wahlkreis werde er womöglich einziger Abgeordneter des Wahlkreises sein. Deshalb wolle er, soweit das inhaltlich machbar sei, die Region parteiübergreifend vertreten.

Meine Rolle sehe ich an erster Stelle als Abgeordneter der Region.

Roderich Kiesewetter, CDU-Wahlkreisabgeordneter

Die Menschen hätten an eine neue Regierung sehr hohe Erwartungen. „Sie wünschen sich wieder Verlässlichkeit, weniger Auflagen, mehr Vertrauen.“ Dieses zurückzugewinnen, sei wichtig, um 2029 nicht österreichische Verhältnisse zu bekommen. „Das würde heißen: einfache Lösungen, raus aus der Nato, raus aus der EU, raus aus dem Euro. Und dann wird sich das schon irgendwie richten.“ Doch genau das sei Gift für die Wirtschaft und die Bevölkerung, sagt Kiesewetter.

Koalitionen und Posten nach der Wahl

Wäre jedoch nach all den Jahren und mit seiner außenpolitischen Expertise nicht auch ein einflussreicherer Posten in der Regierung wünschenswert? Es sei immer eine Frage des Koalitionspartners und auf welche Ämter die Union Anspruch erheben werde. „Das ist noch nicht sonderlich festgelegt. Aber um einer Sache gleich vorzubeugen: Den Anspruch auf das Verteidigungsministerium hat die CSU bereits erhoben, und zwar sehr deutlich.“

Nach wie vor wolle er jedoch Außenpolitiker sein und Mitglied im parlamentarischen Kontrollgremium, weil es dort um sicherheitsrelevante Themen gehe. In Sachen Koalition legt sich Kiesewetter nicht fest: SPD und Grüne seien eine Möglichkeit, wobei eine bestmögliche Zusammenarbeit wichtig sei – „und wir nicht mit Ausschließeritis arbeiten, wie wir das ab und zu aus dem Münchner Raum hören“, so sein Seitenhieb in Richtung CSU-Chef Markus Söder.

Das war und ist in der Region Ostwürttemberg wichtig

Auch ohne herausragendes Amt habe er in den vergangenen Jahren für die Region – gemeinsam mit SPD-Kollegin Leni Breymaier – einiges erreichen können, sagt Kiesewetter und nennt Beispiele. Das reiche von Hilfen für ukrainische Geflüchtete über den Transformationsfonds bis hin zum Mitgestalten eines großen Krankenhauses in Aalen („Wir müssen hier Heidenheim mit einbeziehen und überregional denken“) sowie zu Forschungsmitteln für die Hochschulen und Firmen der Region.

Impulse gegeben hat er zudem bei überregionalen Themen, wie der nationalen Sicherheitsstrategie. Derzeit setze er sich für die Ausweitung der Freiwilligendienste ein, die für die Hälfte eines Geburtsjahrgangs möglich sein müssten. In dieser Zeit müsse man den jungen Menschen Weiterbildungen ermöglichen, die später im Berufsleben Mehrwert schaffen.

Auch gegen den Fachkräftemangel hat Kiesewetter Ideen: Wenn ein Arbeitnehmer Überstunden macht, dann dürften die Abzüge nicht steigen. Mehrarbeit müsse sich lohnen. Ein weiteres Beispiel nennt Kiesewetter: die Flexi-Rente. Wenn Rentner so fit sind, dass sie gerne weiterarbeiten möchten, dann sollten sie bis zu 2000 Euro steuerfrei hinzuverdienen dürfen.

Wirtschaft und Energie stehen ganz oben

Oben auf der Agenda stehen für Kiesewetter die Stärkung der Wirtschaft sowie die Energieversorgung und -kosten. Es müsse sichergestellt sein, dass Energie in Deutschland bezahlbar ist. Deshalb komme Deutschland um einen Industriestrompreis nicht herum. Den Ausstieg aus fossiler Energie müsse man womöglich verlängern, gleichzeitig aber Technologien entwickeln, um den CO₂-Ausstoß zu binden. „Kernkraft ist da kein Ausweg“, spricht sich Kiesewetter gegen Forderungen aus, Atomkraftwerke wieder anzuschalten. Allerdings könne er sich eine deutsche Beteiligung an ausländischen Kraftwerken vorstellen – sei es Atomkraft, moderne Kohlekraftwerke oder Gaskraftwerke.

Für die Region sei es wichtig, endlich die Frage des Oberzentrums zu klären, sagt Kiesewetter mit Blick auf Förderprogramme. „Wir müssen da in die Puschen kommen, sonst wird der Bund nicht mehr viel hierher verteilen.“ Neben Gesundheit und Hochschulen nennt Kiesewetter den neuen Verkehrswegeplan 2030 bis 2045, der sich an der Verbindung von Oberzentren orientieren werde. Es gehe um die B19, aber auch um die Anbindung der B466 von Neresheim über Nattheim nach Heidenheim. Kiesewetter verweist als Vorbild auf Böbingen, wo die Verantwortlichen die Planung eines Tunnels hinbekommen hätten. Auch für Heidenheim habe es Planungsmittel für einen Innenstadttunnel gegeben. Er könne nur anbieten, sich auch hier weiter für Verkehrslösungen einzusetzen.

Die Mutter aller Probleme ist scheiternde Integration.

Roderich Kiesewetter, CDU-Wahlkreisabgeordneter

Migrationspolitik spielt im Wahlkampf eine große Rolle – zu Recht? „Die Mutter aller Probleme ist scheiternde Integration“, so Kiesewetter. „Wir sind immer Einwanderungsland, haben zurzeit 60.000 ausreisepflichtige Menschen – und nicht, wie die AfD sagt, drei bis vier Millionen.“ Kiesewetter ist einer der mehr als 130 Abgeordneten und sieben in der Union, die einen Antrag zu einem möglichen AfD-Verbot unterzeichnet haben. „Es geht darum, zu prüfen, ob die AfD erwiesen verfassungsfeindlich oder rechtsextremistisch ist. Und wenn ja, kann man daraus ein Verbotsverfahren machen?“

Kiesewetter auf Achse

Seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, vor dem Roderich Kiesewetter bereits im Januar 2022 öffentlich gewarnt hatte, ist der Politiker ein oft angefragter Gesprächspartner, nicht nur immer wieder in politischen Talkshows, sondern auch vor Ort. Seit Februar 2022 sei er in mehr als 170 Wahlkreisen deutschlandweit eingeladen gewesen, um die Frage von Gleichzeitigkeit von Krisen zu diskutieren, teils auch sehr kontrovers. „Das ist wie zu einem Selbstläufer geworden, doch es hat sich gelohnt.“ Denn wichtig sei ihm, gegen Fake-News anzugehen.

Neunmal sei er seit Kriegsbeginn in die Ukraine gereist. 2024 habe er im Mai und November die USA und dort das Umfeld von Donald Trump besucht. In den Krisengebieten Taiwan und Philippinen habe er sich über den chinesischen Einfluss informiert. Auch Israel war Ziel einer Reise.

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