Romantik im 21. Jahrhundert ist auch nicht mehr das, was sie mal war – zumindest, was die Landschaftsmalerei angeht, die seit Freitagabend in der neuen Ausstellung des Heidenheimer Kunstmuseums zu sehen ist. Die Werke der Künstler weisen Verfremdungen auf, Risse oder Farbklekse stören das Idyll. Oder sie machen sich – wie Daniel Beerstecher, der eine Einzelausstellung innerhalb der großen Schau bekam – zu absurden Reisen auf, die in Videos dokumentiert werden.
Und der Zuschauer und die Zuschauerin sind auch nicht mehr das, was sie vor 250 Jahren – zur Zeit des bedeutendsten deutschen Romantik-Malers Caspar David Friedrich – einmal waren. Tiefe Kontemplation, große Empfindsamkeit auch gegenüber kleinsten natürlichen Erscheinungen oder das Aushalten von Stille sind keine Eigenschaften, die aktuell gefragt oder geübt wären.
Ein Experiment für den Besucher
Die Ausstellung, die im großen Hugo-Rupf-Saal des alten Stadtbads von einem Raum im Raum dominiert wird, der begehbar ist und den Besucher in Schneckenform zum Innersten führt, ist ein Experiment, bekannte Museumsdirektor Marco Hompes bei der Vernissage. Auch für ihn selbst stelle sich die Frage: Kann ich länger darin sitzen, halte ich das aus? „Unser Verhältnis zur Natur ist absurd geworden“, so Hompes. Darauf wolle Daniel Beerstecher mit seinen Performances aufmerksam machen. Wenn er versuche, seinem Vogel die Welt aus menschlicher Sicht zu zeigen, stelle sich unwillkürlich die Frage, ob dieser das denn überhaupt wolle, in einem Käfig auf den Rücken des Künstlers geschnallt getragen zu werden, anstatt die Welt selbst fliegend zu erkunden.
„Finden wir vor Kunstwerken noch Ruhe in unserer schnelllebigen Zeit?“, war auch die Frage, die Stadtrat Ralf Willuth stellte. Er begrüßte bei der Vernissage als Vertreter des Oberbürgermeisters beziehungsweise der Bürgermeisterin, die beide verhindert waren. Angesichts der vielen beliebten Aktivitäten in der Natur wie wandern, Rad fahren, klettern, campen oder Waldbaden liege der Gedanke nahe, dass die Menschen sich in die Natur flüchten, so Willuth. Gleichzeitig werde in der Ausstellung auch die Entfremdung von der Natur thematisiert.
Schon früh gemalt und gezeichnet
Bei der Ausstellungseröffnung überreichte Anja Marrack, die für Bildung und Vermittlung bei den Heidenheimer Museen zuständig ist, den Roland-Riegger-Preis an Liron Baum. Er ist der fünfte junge Preisträger, der damit auf seinem künstlerischen Weg gefördert werden soll. Gestiftet wird der Preis vom früheren Kulturbürgermeister der Stadt Heidenheim Roland Riegger. Der 16-jährige Liron Baum habe schon früh viel gemalt und gezeichnet. Auf ihn aufmerksam wurde Marco Hompes, als dieser ein Praktikum im Kunstmuseum absolviert hat und den Museumsdirektor darum bat, seine Bilder anzuschauen. Auch Baum malt Landschaften, „weil ich sie so darstellen kann, wie ich sie wahrnehme“, berichtete Anja Marrack.
Die Bilder des jungen Preisträgers sind als Teil der Ausstellung „Neue Stille“ neben den Werken von Thomas Bergner, Jonah Gebka, Jan Gemeinhardt, Robert F. Hammerstiel, Karen Irmer, Linda Männel, Jonas Maria Ried & Florian Post sowie Clemens Tremmel zu sehen.
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