Hi y’all from the south (you all = ihr, in den Südstaaten USA)
Ich schreibe diese Zeilen von der Veranda unseres wunderschönen Urlaubsziels auf den Bahamas. Es ist die Thanksgiving-Woche und anstatt, wie viele Amerikaner, am Donnerstag mit ihren Liebsten Erntedankfest zu feiern und anschließend am Black Friday sämtliche Kreditkarten zum Rauchen zu bringen, nutzen wir die Feiertage und erkunden diese Trauminsel.
Doch von vorne! Ein gutes Jahr sind wir, mein Mann Tobi und ich, nun schon in den USA. Geboren und aufgewachsen bin ich in Heidenheim, studiert habe ich zunächst in Ravensburg und München. Nach dem Bachelorstudium, einem achtmonatigen Auslandspraktikum in Kanada, dem Masterstudium im schönen Bamberg und vier Jahren in Landshut, hat es uns jetzt in die USA verschlagen. Bis zu diesem Zeitpunkt kannten wir die USA nur durch Urlaube in Kalifornien und Florida, sowie durch Trips in die Großstädte New York und Chicago. South Carolina dagegen taucht in kaum einem Reiseführer an erster Stelle auf. Wir sind hier in den Südstaaten, dem „Bible Belt“, sprich Bibelgürtel. Genauer gesagt wohnen und leben wir in Greenville, South Carolina. Die Leute hier sind traditioneller, religiöser – „einfacher“ kann man vielleicht sagen.
Tobi und ich haben vergangenes Jahr im Sommer die Möglichkeit bekommen, für unsere Firma aus Landshut an den Standort hier in South Carolina zu wechseln. Tatsächlich hat das sehr gut in unsere Pläne gepasst. Nochmal ins Ausland zu gehen war für uns immer eine Option, daher mussten wir nicht lange überlegen. Dazu kommt, dass wir beide bei derselben Firma angestellt sind und letztendlich auch beide eine Stelle in den USA bekommen haben. Davon kann man nur träumen, da es nicht einfach ist, wirklich alles unter einen Hut zu bekommen. Drei turbulente Monate, mit viel Planerei, Bürokratie, Visum, einem operierten Knie von Tobi und Auszug aus der Landshuter Wohnung später, waren wir mit je zwei gepackten Koffern am Flughafen in München bereit zur Abreise.
Angekommen in den USA hat sich die Zeit von Oktober bis Weihnachten fast nur darum gedreht, eine schöne Wohnung zu finden und uns mit allem auszustatten, was wir brauchen. Ikea sei Dank, hat unsere Einrichtung einige Ähnlichkeiten mit der von zu Hause, minimalistisch leben ist dennoch unser Motto.
Die ersten Wochen und Monate ohne wirklichen Anschluss in einer kleinen Stadt mit 70 000 Einwohnern waren dennoch merkwürdig. Was sollen wir hier mit unserer Zeit machen? Schließlich sind wir keine Studenten mehr - damals ist der Anschluss in einer neuen Stadt nie schwergefallen. Ein deutsches Pärchen von der Arbeit sagte uns: „Ihr seid hier in einem sehr konservativen Bundesstaat. Wenn man nicht regelmäßig in die Kirche geht oder keine Kinder hat, dann wird es hier schwer mit Gemeinsamkeiten“.
Zum Teil haben sie recht, muss man sagen. Die Kirche spielt bei den Menschen hier eine sehr große Rolle. Bevor man auf einen Kaffee eingeladen wird, wird man eher gefragt, in welche Kirche man geht und ob man am Sonntag zusammen hingehen möchte.
Was die Amerikaner aber auch lieben, ist Sport. In Landshut habe ich von meinem Kollegen, der einige Jahre in den USA gelebt hat, erstmals von Pickleball gehört. Pickleball ist eine Mischung aus diversen Schlägersportarten, hauptsächlich Tennis, Tischtennis und Badminton. Gespielt wird auf einem kleineren Tennisfeld. Perfekter Zufall daher, dass mein Kollege mir alles Wichtige inklusive der Regeln schon in Deutschland beigebracht hatte. Zudem habe ich einen Badminton-Hintergrund, was den Einstieg erleichterte. Hier in den USA ist Pickleball aktuell die Trendsportart Nummer eins und wöchentlich gibt es neue Meldungen über den Bau neuer Spielfelder.
Seit ich hier Pickleball spiele, kenne ich unglaublich viele Leute. Die Amerikaner sind zudem sehr offene Menschen. Wir sind hier eine große, gemischte Gruppe, die sich regelmäßig zu Aktivitäten trifft - abends auf ein paar Cocktails, Spieleabende und kochen Zuhause. Meistens jedoch nach der Arbeit auf dem Pickleball-Feld. Tobi kann nach langer Regeneration wieder Skateboard fahren, das Pickleball-Fieber ist noch nicht ganz auf ihn übergeschwappt. Man merkt schnell: Viele Leute sind gar nicht aus der Region, viele „Amis“ leben mal hier, mal dort. Wo es eben Jobs gibt. Da die Region Greenville-Spartanburg wirtschaftlich sehr attraktiv ist, trifft man hier Leute aus ganz USA oder auch mal Kanada.
Mittlerweile haben wir uns richtig gut eingelebt, genießen das milde (im Sommer sehr heiße und feuchte) Klima, haben amerikanische und auch deutsche Freunde gefunden und erfreuen uns an dem American „Way of life“ mit weniger Regeln und Vorschriften. Zum Beispiel waren wir Motorbootfahren, ein Führerschein wird dafür nämlich nicht gebraucht. Es hat aber total Spaß gemacht.
Wie immer im Leben gibt es Vor- und Nachteile. Durch weniger Regelungen und Gesetze kann man sich auch auf weniger verlassen, seien es Inhaltsstoffe in Lebensmitteln oder den Zustand eines gebrauchten Autos (eine Prüforganisation wie der TÜV ist hier Fehlanzeige!).
Ansonsten nutzen wir die arbeitsfreie Zeit, um so viel wie möglich von Amerika zu sehen. So waren wir etwa drei Wochen an der Westküste unterwegs, was wirklich traumhaft war. Über Weihnachten geht es für uns nach Hause zu unseren Familien. Ich freue mich sehr auf diese Zeit und werde natürlich auch beim Warten aufs Christkind dabei sein. Wir wünschen allen frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr!