Schnelles Internet mit "Toni" für Heidenheim geplant: Wie finanziert sich der BBV?
Schnelles Internet, für die Kommunen noch dazu kostenlos? Klingt erst mal nicht realistisch, genau so aber soll der Glasfaserausbau zumindest in großen Teilen des Landkreises in den kommenden Jahren vonstattengehen. Wie im ersten Bericht der dreiteiligen Serie erklärt, werden Unternehmen wie die BBV Deutschland oder Netcom Ellwangen den Ausbau eigenwirtschaftlich übernehmen – für die Kommunen entstehen dadurch also keine Kosten. Die Wahl darüber, ob ja oder nein und mit welchem Anbieter, liegt natürlich bei den Kommunen, überall war der Glasfaserausbau in den vergangenen Jahren Thema in den Gemeinderäten. Ist die Entscheidung erst mal gefallen und der Kooperationsvertrag unterzeichnet, hat die Kommune aber keine Handhabe mehr über das, was die Unternehmen machen.
Nicht nur die Kommunen wird der Ausbau nichts kosten, auch um Neukunden warb die BBV in Giengen und Heidenheim mit dem Argument, dass sie ihren Anschluss, sofern sie ihren Vertrag innerhalb eines festgelegten Zeitraums abschließen, kostenlos erhalten – zumindest bis zu einer Länge von zehn Metern. Danach, so hieß es, koste er ab 2.000 Euro. Insgesamt sollen in Giengen rund 11.500 Haushalte und Gewerbebetriebe im Stadtgebiet mit Anschlüssen versorgt werden können, in Heidenheim war die Rede von 98,58 Prozent von 11.100 Gebäuden und insgesamt 24.700 Wohnungen im Stadtgebiet.
Was sehen die Verträge zwischen Stadt und Unternehmen vor?
Eigentlich hört sich das doch perfekt für die Kommunen an: schnelles Internet für kein Geld und keine Verpflichtungen. Was unterschreiben sie dann eigentlich genau, wenn sie sich für eine Kooperation entscheiden? Da wären zunächst die Pflichten der BBV: In Giengen hat sie sich mit dem Vertrag neben dem eigenwirtschaftlichen Ausbau dazu verpflichtet, die bisher verlegte Breitbandinfrastruktur der Stadt zu kaufen oder zu pachten, sofern dies technisch möglich sei. Eine weitere Verpflichtung: die zukünftige Erschließung von Neubaugebieten, die bereits geplant sind.
Was muss im Gegensatz die Stadt tun? Sie muss das Unternehmen beim Gelingen des Ausbaus unterstützen, beispielsweise durch die Erhebung statistischer und demografischer Daten, durch Unterstützung bei der Trassenplanung, durch die Einräumung von Wege- und Nutzungsrechten, durch ihre Teilnahme bei Veranstaltungen des Unternehmens, durch Hinweise auf das Ausbauprogramm bei offiziellen Veranstaltungen oder durch Infopunkte wie den Toni-Shop in der Fußgängerzone.
BBV: Zusammenarbeit als Partnerschaft
BBV-Unternehmenssprecher Olaf Urban-Rühmeier erklärt auf Nachfrage, dass die Zusammenarbeit mit den Kommunen als Partnerschaft verstanden wird, an der beide Seiten ein Interesse haben. „Wir orientieren uns dabei auch den Empfehlungen des Gigabitbüros des Bundes für die Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Unternehmen, um eine für alle Beteiligten positive Grundlage zu schaffen“, heißt es.
Wenn die Kommunen für den Ausbau kein Geld bezahlen, wie finanzieren sich Unternehmen wie die BBV dann? Nachgefragt bei der BBV, erhielten wir folgende Antworten:
Wie kann sich das Unternehmen finanzieren?
Olaf Urban-Rühmeier: "Wir generieren unsere Erträge durch Telefon- und Internetdienste, die die Kunden bei uns abschließen über die Marke toni – Anschluss mit bis zu 1 Gigabit surfen und parallel telefonieren. Darüber hinaus öffnen wir unter dem Stichwort „open access“ anderen Diensteanbietern unsere Infrastruktur. Mittelfristig werden auch dadurch Erträge generiert. Privatwirtschaftliche Infrastrukturprojekte basieren auf einer langfristigen Kalkulation, ähnlich wie beispielsweise im Energiesektor. Hier geht es um eine Nutzungsdauer von mehreren Jahrzehnten, in denen die Investitionen durch entsprechende Erträge refinanziert werden. Unsere Investoren sind mit diesen langfristigen Kalkulationen vertraut und haben eine ähnliche Perspektive in Bezug auf ihre eigene Planung. Es handelt sich dabei zum Beispiel um Pensionsfonds, die ihre Erträge ebenfalls über eine lange Dauer planen. Langfristige Sicherheit ist in diesem Fall ebenso wichtig wie kurzfristig eventuell höhere Renditen."
Wie sehen die Strukturen hinter dem Unternehmen aus?
"BBV Deutschland ist ein Unternehmen der Infrafibre Germany-Gruppe. Die Infrafibre Germany ist ein Tochterunternehmen der Infracapital, die gezielt europaweit in Infrastrukturunternehmen investiert und auf diesem Feld eine große Markt- und Branchenerfahrung besitzt. Das BBV-Schwesterunternehmen Leonet arbeitet in Bayern am Glasfaser-Ausbau im ländlichen Raum. Unter dem Dach der Infrafibre Germany ist die Infrafibre Networks der spezialisierte Partner für die Planung und Durchführung der Baumaßnahmen."
Ist es angedacht, die Infrastruktur in Giengen weiter zu verkaufen?
"Das ist derzeit nicht geplant."
Wie sieht es mit Heidenheim aus?
"Grundsätzlich gilt für unsere Infrastrukturprojekte, dass sie langfristig angelegt sind. Dies gilt insbesondere für die Perspektive unserer Investoren."
Wie können Sie garantieren, dass die Kommunen mit der BBV kein Risiko eingehen, Ihnen beispielsweise doch mal das Geld ausgehen könnte?
„Die BBV ist Teil einer Unternehmensgruppe mit profunder Erfahrung im Ausbau von Glasfaser-Infrastruktur. Wir selbst und die anderen Unternehmen der Gruppe verstehen den Markt und sind mit den Mechanismen vertraut. Dies gilt auch für unsere Investoren, die langfristig denken und handeln.“
Kritik von Giengener Stadträten
Heidenheims Oberbürgermeister Michael Salomo bezeichnete das Angebot der BBV als „einmalig“, es sei ein Angebot, das es anzunehmen gelte. Zuspruch und Lob fand er von allen Fraktionen. Giengens Bürgermeister Alexander Fuchs betonte, dass durch das Angebot der BBV die Ausbaustrategie geändert werde, nachdem Förderanträge nicht mehr genehmigt würden. Manchen Stadträten in Giengen war bei der Sache nicht ganz wohl, Werner Bader (CDU) beispielsweise sprach von einem Risiko und davon, dass die Stadt etwas aus der Hand gibt. Auch Jens Pfrommer (Unabhängige/Grüne) sah das so: „Sich in Abhängigkeiten zu begeben, bringt ein mulmiges Gefühl mit sich.“ Am Ende des Tages brachte Stadtrat Erwin Kleemann (Unabhängige/Grüne) die Sache auf den Punkt: „Es bleibt uns nichts anderes übrig, als zuzustimmen. Wir kriegen keine Fördergelder und außerdem geht es so viel schneller.“
Massive Probleme im Rhein-Neckar-Kreis
Der privatwirtschaftliche Eigenausbau kann eine Lösung sein, aber nur, wenn es gut funktioniert. Und das ist nicht überall der Fall: Im Rhein-Neckar-Kreis, wo die BBV bereits seit vielen Monaten aktiv ist, kam es zu massiven Problemen beim Breitbandausbau. Thomas Seidelmann, Bürgermeister von Neckarbischofsheim, drückte dem Kreis Heidenheim sein Beileid darüber aus, Kooperationsverträge mit der BBV abgeschlossen zu haben.
900 Millionen Euro für Infrafibre
Vergangenen Herbst vermeldete die Infrafibre Germany-Gruppe, dass ein internationales Bankenkonsortium den weiteren Ausbau von Glasfaserinfrastruktur in Süddeutschland mit 900 Millionen Euro unterstützt. Das Konsortium bestehe aus der NatWest, der ABN Amro, NORD/LB und SEB und wurde von Infrafibre als „renommiertes Bankenkonsortium“ bezeichnet. Mit NatWest ist die National Westminster Bank gemeint, eine Tochter der Royal Bank of Scotland. Die ABN Amro Bank ist eine niederländische Bank mit Sitz in Amsterdam. Die NORD/LB, die norddeutsche Landesbank, hat ihre Firmensitze in Hannover, Braunschweig und Magdeburg, ihre Trägerländer sind Niedersachen und Sachsen-Anhalt. Die SEB schließlich, die Skandinaviska Enskilda Banken AB, ist ein schwedischer Finanzdienstleistungskonzern mit Hauptsitz in Stockholm.
Im Jahresabschluss der BBV Deutschland von 2021 ist erkennbar, dass das Unternehmen von solchen Abschlüssen abhängt. Dort steht geschrieben: „Der Fortbestand der BBV Deutschland GmbH ist allerdings gefährdet, wenn – wovon wir allerdings derzeit nicht ausgehen – die von der Gesellschaft geplanten Maßnahmen zur Ergebnisverbesserung nicht greifen, die Unterstützung durch die unmittelbaren und mittelbaren Gesellschafter nicht aufrechterhalten wird oder insbesondere der Finanzierungsprozess mit dem Bankenkonsortium nicht wie geplant abgeschlossen werden kann.“