Enkeltrick, falsche Polizisten, Notfall

Schockanrufer ergaunerten mehr als eine Million Euro

Enkeltrick und falsche Polizisten: Der verursachte Schaden hat sich im vergangenen Jahr zwar halbiert, aber die Gauner gehen auch im Landkreis Heidenheim immer professioneller vor.

Schluchzend meldet sich die angebliche Tochter. Sie habe einen schweren Verkehrsunfall verursacht, sei in ein Auto gerast, ein Insasse sei tot. Ohne Kaution müsse sie jetzt in Untersuchungshaft. Das bestätigt auch der angebliche Polizist, der das Telefonat übernimmt. Der geschockte Verwandte will helfen, überweist Geld oder übergibt es an eine Mittelsperson. Das Geld hilft jedoch nicht der Enkelin, sondern landet in den Händen von Betrügern.

Straftaten zum Nachteil älterer Menschen heißen diese Delikte, zu denen Schockanrufe, falsche Polizisten oder der Enkeltrick zählen, und vor denen die Polizei regelmäßig warnt. Die Kriminalstatistik des Polizeipräsidiums Ulm listet für den Landkreis Heidenheim für das Jahr 2023 nur vier Betrugsfälle in der Kategorie Straftaten zum Nachteil älterer Menschen auf. Im Jahr davor waren es sieben. Im gesamten Bereich des Polizeipräsidiums mit den Landkreisen Heidenheim, Alb-Donau, Biberach, Göppingen und der Stadt Ulm waren es im Jahr 2019 noch 1973 Fälle, im vorigen Jahr 36, wobei in zehn Fällen die Tat nicht vollendet wurde. Hat die permanente Aufklärung über die Betrugsmaschen Wirkung gezeigt, fallen die Menschen nicht mehr so leicht auf die Trickanrufer rein?

Vize-Kripochefin Sonja Bohlien: Anrufer operieren aus dem Ausland

Die Statistik sieht auf den ersten Blick gut aus, verrät jedoch nur die halbe Wahrheit. Denn erfasst werden in dieser Kategorie nur die Betrugsfälle, bei denen der Täter oder die Täterin aus dem Inland agiert haben, klärt Sonja Bohlien, die stellvertretende Leiterin der Kriminalpolizei, auf. Tatsächlich operierten die Betrugsgruppen aber mittlerweile aus dem Ausland, vornehmlich aus der Türkei. Hinzu komme die große Dunkelziffer, sagt Polizeipräsident Bernhard Weber: „Die Leute melden sich nicht, weil sie sich schämen, auf die Tricks hereingefallen zu sein.“

Tatsächlich kommen die Betrugsbanden in vielen Fällen nicht durch mit ihrer Masche: Bei den 660 registrierten Fällen aus dem Ausland blieb es in den allermeisten Fällen beim Versuch, nur viermal funktionierte die Betrugsmasche. Die Angerufenen legten meistens auf, meldeten den Anruf dann bei der Polizei.

Geht die Gaunerei auf, geht es teilweise um hohe Geldbeträge. Mehr als eine Million Euro erbeuteten die Banden im vorigen Jahr von ihren Opfern, darunter war ein Einzelschaden von rund 199.000 Euro. Diese Summe schwankt jährlich stark: Im Jahr 2022 wies diese Statistik eine Schadenssumme von mehr als zwei Millionen Euro aus, im Jahr davor weniger als eine Million Euro, im Jahr 2019 bei deutlich mehr Fällen nur eine halbe Million Euro.

Warum nicht nur ältere Menschen im Landkreis Heidenheim gefährdet sind

Opfer seien nicht nur Senioren, die betroffenen Personen würden vielmehr immer jünger. „Man muss sich von dem Gedanken verabschieden, dass nur ältere Menschen Opfer dieser Tricks werden“, sagt Bohlien und berichtet davon, dass die Täter immer professioneller vorgingen und mit psychologischen Tricks arbeiteten, die zwar bei klarem Kopf zu durchschauen seien, nicht jedoch in den Ausnahmesituationen, die erzeugt würden: „Sie spielen mit der Angst um unsere Kinder, da kann man nicht mehr realistisch denken.“

In einigen Fällen gelang es den Beamtinnen und Beamten, die Täter bei der Geldübergabe festzunehmen, berichtet Bohlien. Die angerufenen Personen seien misstrauisch geworden und hätten parallel zu noch laufenden Telefongesprächen mit den Tätern die Polizei verständigt oder hätten dem Ehepartner signalisiert, den Kontakt mit der Polizei herzustellen.

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Wie kann man herausfinden, ob der Notfall echt ist?

Die Betrugsmaschen zielen auf die Gutgläubigkeit, bei falschen Polizisten auf das Vertrauen in die Polizei oder auf das Schockmoment ab. Kripo-Vizechefin Sonja Bohlien rät deshalb, sich auf ein Familienpasswort zu einigen, das man in Notfällen vom Gesprächspartner abfragen könne. Damit könne man sichergehen, dass man es wirklich mit dem Familienmitglied zu tun hat. Verwenden könne man das nicht nur am Telefon, sondern auch bei Anfragen per Handy über einen Messengerdienst.