Schwierige Suche nach der Wahrheit vor dem Amtsgericht
Eine Kneipenschlägerei endete für einen Mann mit erheblichen Verletzungen. Bei der Verhandlung sollte er als Zeuge aussagen, erschien aber nicht. Die beiden Angeklagten und ein weiterer Zeuge hatten nur wenig Erinnerung an den Vorfall. Wie sich das Gericht mit der Wahrheitsfindung abmühte.
Wahrheitsfindung vor Gericht ist meistens nicht einfach. Wenn dann noch dazu kommt, dass Beteiligte und Zeugen zum Tatzeitpunkt reichlich alkoholisiert waren, und dazu noch zum Gerichtstermin erst gar nicht erscheinen, erschwert das die Angelegenheit enorm. Richter Dr. Christoph Edler hatte folglich Mühe zu rekonstruieren, was am Vatertag im Mai letzten Jahres in einem Lokal an der Wilhelmstraße wirklich passiert ist. Angeklagt waren zwei 39 und 38 Jahre alte Männer, denen Staatsanwältin Falkenstein gefährliche Körperverletzung vorwarf.
In besagter Nacht sollen die beiden in den frühen Morgenstunden einen Mann mit Fäusten traktiert haben. Als dieser zu Boden ging, sollen die Männer auch auf ihn eingetreten haben.
Im Gerichtssaal würdigten sich die beiden Angeklagten keines Blickes. Der Jüngere gab an, dass er mit der ganzen Sache überhaupt nichts zu tun habe. Von der Schlägerei wollte er noch nicht einmal viel mitbekommen haben. Hinter seinem Rücken habe es wohl eine Auseinandersetzung gegeben, als er mit einem Freund an der Bar gesessen habe. Gesehen habe er aber nichts. Er sei schon bald darauf gegangen, habe den anderen Angeklagten nur kurz an der Jacke gezogen, und ihn aufgefordert nach Hause zu gehen. Hartnäckige Nachfragen von Richter und Staatsanwältin zum Tatgeschehen oder auch weshalb er den anderen Angeklagten nach Hause geschickt habe, brachten kein Ergebnis. An manchen Stellen blieb dabei unklar, ob es am sprachlichen Verständnis lag oder der Mann sich durch seine Aussage nicht in Schwierigkeiten bringen wollte.
Alkohol floss in Strömen
Der andere Angeklagte sagte dagegen umfangreich aus, hatte aber reichlich Erinnerungslücken. Er habe den Abend in einer Cocktailbar begonnen und sei von dort weitergezogen in einen Dartclub an der Wilhelmstraße, wo er reichlich Alkohol getrunken habe. Weil es im Lokal gegenüber auch noch zu später Stunde Essen gebe, sei er dann dorthin gegangen.
Eigentlich hatte der Mann dort allerdings bereits Hausverbot, weil es immer wieder mal Stress gegeben habe, wie der Wirt des Lokals gegenüber einer Polizeibeamtin ausgesagt hatte.
Schon am Eingang sei ihm der Mann aufgefallen, der aggressiv auf kroatisch herumgeschrien habe, berichtete der Angeklagte vor Gericht. Da er aus dem Kosovo stamme, verstehe er die Sprache etwas. Er habe ihn gefragt, was los sei, und als dieser angefangen habe ihn und seine Familie zu beleidigen, habe er gesagt „Jetzt reicht es, geh raus“. Daraufhin sei es zu einem Kampf zwischen ihnen beiden gekommen. „Ich hatte eigentlich keine Wahl, außer mich zu verteidigen“ schilderte der Angeklagte seine Sicht der Dinge. Sein T-Shirt sei dabei zerrissen und er habe überall Kratzer und blaue Flecken gehabt und stark geblutet.
Die Rolle seines Mitangeklagten schilderte er anders. Dieser habe den Mann draußen vor der Tür festgehalten, „damit er nicht nochmal auf mich losgeht“. Ansonsten aber gab es reichlich Erinnerungslücken, die der Angeklagte mit seinem Alkoholpegel begründete.
„Warum haben Sie nicht die Polizei eingeschaltet, wenn Sie verletzt waren?“, hakte die Staatsanwältin nach. Er sei niemand, der gleich zum Arzt renne oder auch zur Polizei, die ohnehin machtlos sei. „Man kann nicht mehr rausgehen in Heidenheim, das ist ganz schlimm geworden“, erklärte der Angeklagte.
Ein 46-jähriger Zeuge, der zeitgleich mit dem Angeklagten vom Dartclub ins Lokal gewechselt hatte, konnte wenig Erhellendes beitragen, berichtete aber, dass ein Mann an der Theke „rumgeschrien und mit den Händen gefuchtelt hat“. Kurz darauf habe sich auch schon ein Pulk mit sieben oder acht Leuten am Boden gewälzt. Er könne aber nicht sagen, wer daran beteiligt gewesen sei.
Angeklagter hatte Hausverbot
Fast alle Zeugen hätten bei der Vernehmung ausgesagt, dass sie betrunken gewesen seien und sich nicht richtig erinnern könnten, berichtete die Polizeibeamtin, die in der Nacht auch selbst vor Ort war. Auch der Geschädigte selbst habe wohl 2,1 Promille im Blut gehabt, wie sie aus der Akte wisse. Sie selbst habe in der Tatnacht gesehen, dass der Mann blutüberströmt auf dem Boden gelegen habe, bevor er von Rettungskräften versorgt worden sei.
Der Wirt des Lokals habe ihr die beiden angeklagten Männer als Täter auf Instagram-Fotos zeigen können. Er habe berichtet, dass die beiden zusammen mit einem dritten Mann kurz vor 5 Uhr in sein Lokal gekommen seien und noch etwas zu essen haben wollten. Das habe er mit Verweis auf die Sperrstunde verweigert. Der Geschädigte habe lediglich diese Aussage wiederholt und sei daraufhin von den beiden Angeklagten angegangen worden.
Strafe für fehlende Zeugen
Krankheitsbedingt konnte der Wirt vor Gericht nicht aussagen. Ein weiterer Zeuge, war einfach nicht erschienen. Der Geschädigte selbst, der mit seinem Anwalt als Nebenkläger auftrat, aber auch als Zeuge befragt werden sollte, war plötzlich verschwunden, nachdem er zuvor noch im Gerichtsgebäude gesehen worden war. Die Quittung für die beiden fehlenden Zeugen war ein Ordnungsgeld in Höhe von 150 Euro. Die Hauptverhandlung wurde unterbrochen. In der Fortsetzung sollen dann alle weiteren Zeugen gehört werden.