Seit bald 50 Jahren thront die Waldorfschule über den Dächern Heidenheims
Es war einmal ein Steinbruch. Doch es ist kein Märchen, das wir hier heute an dieser Stelle erzählen wollen. Es soll um Heidenheims Waldorfschule gehen. Und die wiederum steht dort, wo man früher den Steinbruch der Firma Traber finden konnte. Wenn man's weiß, kann man da oben über der Stadt schon noch ein Gefühl dafür entwickeln, wie das vor 50 Jahren womöglich ausgesehen haben könnte. Wer's nicht weiß, sieht, nun einmal von unten betrachtet, eben unübersehbar die Waldorfschule auf dem Berg thronen.
Seit 50 Jahren, das klang bereits an. Wobei es nicht ganz richtig ist, dies schon jetzt zu behaupten. Erst nächstes Jahr wird es so weit sein, 1974 war das Ensemble, Schule samt Kindergarten, fertig. Mit dem Bau begonnen hatte man freilich bereits 1971. Ein Jahr zuvor waren sämtliche zu nahe an Wohngebieten des Stadtbereichs gelegenen Steinbrüche Heidenheims geschlossen worden. Die Zeit des Trümmerkalks, auch Oolith bekannt, insbesondere Mitte des 19. Jahrhunderts ein regelrechter Exportschlager der Gegend, war ohnehin vorbei gewesen. Und es begann, gut ein Vierteljahrhundert nach der Gründung des Vereins, das nächste halbe Jahrhundert der Freien Waldorfschule Heidenheim. Die Zeit vergeht – und, nächstes Jahr, wie gesagt, werden auch diese 50 Jahre schon vorüber sein. 50 Jahre wird dann die Waldorfschule im ehemaligen Steinbruch auf dem Buckel haben. Und 50 Jahre alt sein wird dann auch der Festsaal der Schule.
Gepriesene Akustik
Der Festsaal war bis zum Herbst 2009, als, anderswo oben in der Stadt, auf dem Schlossberg, das Congress-Centrum eingeweiht wurde, Heidenheims größter Raum für öffentliche Kulturveranstaltungen gewesen. 645 Sitzplätze bietet dieser mit einzigartiger Architektur sowie mit einer weithin und aus berufensten Mündern in den höchsten Tönen gepriesene Akustik prunkende Saal, der übrigens damals ganz bewusst in dieser Größe und damit für eine auch öffentliche Nutzung erstellt worden war. Eine Erfolgsidee mit Erfolgsgeschichte. Das Angebot war da, und die Nachfrage war und ist groß. Konzerte, Theater, man muss das in Heidenheim niemand erzählen. Viele Jahre lang diente der Festsaal auch als höchst willkommenes Ausweichquartier für die Opernfestspiele.
In 50 Jahren ist viel passiert. Und nach 50 Jahren ist auch nicht mehr alles so frisch und zeitgemäß oder funktionsfähig wie vor 50 Jahren oder dass es für die nächsten 50 Jahre reichen würde. Insofern steht der Verein Freie Waldorfschule vor der großen Herausforderung einer Sanierung des Festsaals. Denn selbstverständlich will man diesen Kulturraum erhalten. Aber ebenso selbstverständlich ist, dass man die Kosten dafür nicht gänzlich aus der eigenen Tasche bezahlen kann. „Die notwendigen Zukunftsinvestitionen“, sagt Geschäftsführer Guntram Holzwarth, „können wir nur durch eine breite gesellschaftliche Unterstützung stemmen.“ Wie viel Geld braucht man? Fünf Millionen Euro.
Woher kein Geld kommt
Dazu muss man wissen, dass sich der Verein Freie Waldorfschule aus öffentlichen Zuschüssen für den Betrieb des Kindergartens und der Schule mit Hort und darüber hinaus durch Elternbeiträge und Spenden finanziert. Für den Betrieb des Kulturraums erhält der Verein keine öffentlichen Gelder oder Zuschüsse, die laufenden Kosten des Festsaals werden durch die Mieteinnahmen gedeckt. Für die Sanierung von Schulgebäuden in freier Trägerschaft gibt es in Baden-Württemberg keine Förderprogramme. Und der Festsaal ist ein Teil der Schule. An Förderprogramme für Kulturräume gelangt der Verein allerdings auch nicht, da er ein Schul- und Kindergartenträger ist.
Deshalb braucht man, die Summe ward bereits genannt, fünf Millionen Euro. Immerhin: 1,3 Millionen davon sind, wenn man so sagen will, bereits da. Gesichert durch ein Bundesförderprogramm in Sachen Klimaanpassung für soziale Einrichtungen. Diese Präparation der Schule für den Klimawandel beinhaltet eine neue Lüftung, Wärmerückgewinnung, die Isolierung der Fassade, neue Türen und den Aufbau des oben hinter dem Festsaal gelegenen Flachdaches zu einem begrünten begehbaren Bereich, der zum Beispiel in Konzertpausen die Besucher nach draußen locken könnte. „Ein echter Mehrwert“, sagt Guntram Holzwarth. Teile dieses Sanierungsabschnitts sind bereits umgesetzt oder werden demnächst in Angriff genommen.
3,7 Millionen Euro fehlen
Nun fehlen also noch 3,7 Millionen Euro für die beiden anderen Sanierungspakete. Paket eins ist mit Kosten in Höhe von 700.000 Euro kalkuliert und betrifft, wie es Guntram Holzwarth formuliert, „die Schaffung zeitgemäßer Zuschauer- und Künstlersituationen“. Konkret geht's dabei um die Restaurierung der Saalsitze, die Verlegung eines neuen Parkettbodens, Malerarbeiten, die Schaffung eines barrierefreien Zugangs zum Saal und barrierefreier WCs, die Verbesserung der Garderoben- und Verpflegungssituation im Foyer sowie einen adäquaten Rückzugsraum für die Künstler.
Um diese knappe Dreiviertelmillion zusammenzubekommen, wird Guntram Holzwarth bei unterschiedlichen Institutionen in und um Heidenheim herum vorsprechen. „Ich habe diese große Tour bereits begonnen und bin guter Dinge, dass sie gelingen wird.“
Zwei Sanierungspakete
Die für das zweite Sanierungspaket veranschlagten drei Millionen Euro werden allerdings ohne Geld aus öffentlichen Mitteln nicht zu stemmen sein. Guntram Holzwarth: „Hier werde ich alles unternehmen, um die öffentliche Hand, die Stadt und die Stadträte, den Landkreis und die Kreisräte, das Land Baden-Württemberg, dafür zu sensibilisieren, wie wichtig unser öffentlicher Kulturraum ist und wie wichtig es ist, ihn zu erhalten.“
Die Arbeiten dieses zweiten Sanierungspaketes, die, im Gegensatz zu denen des ersten, nicht schon im kommenden Jahr, sondern frühestens 2025 beginnen sollen, beinhalten Maßnahmen, um den Fortbestand der Bühne des Festsaales zu gewährleisten und auf den heutigen Stand der Sicherheit und Technik zu bringen. Dazu wird eine statische Ertüchtigung ebenso zählen wie Brandschutz, eine neue Beleuchtungs- und Tontechnik sowie neue Züge für die Kulissen.
Es begann im Eisenhof
Heidenheims erste Waldorfschule übrigens war im Eisenhof untergebracht, in dem damals auch noch die Familie Voith wohnte. Das Ehepaar Lore und Dr. Hanns Voith war maßgeblich an der Gründung der Schule beteiligt gewesen, die am 4. Mai 1946 den Betrieb aufnahm. Später zog man in Schulbaracken an der Alexanderstraße um, die zu Beginn der 1950er Jahre abbrannten, worauf nach und nach neue Schulgebäude auf dem Voith-Firmengelände gebaut wurden. 1967 wurde wegen Platzmangels ein Neubau geplant, mit dem 1971 auf dem Gelände des Traber-Steinbruchs begonnen wurde.