Viel mehr Pflicht als Kür

So bewerten die Heidenheimer Gemeinderatsfraktionen den Etatentwurf für 2025

Die Fraktionen im Heidenheimer Gemeinderat haben ihre Stellungnahmen zum Haushaltsplan für das kommende Jahr abgegeben. Das sind die wichtigsten Aussagen.

Weltpolitisch betrachtet schlug in dieser Woche die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten die höchsten Wellen. Wenige Stunden später gingen in Berlin die Lichter der Ampelkoalition aus. Können angesichts dieser Faktenlage die anderntags im Heidenheimer Gemeinderat gehaltenen Haushaltsreden überhaupt noch Aufmerksamkeit beanspruchen? Sie können. Und sie müssen. Denn sie deuten an, was 2025 auf kommunaler Ebene machbar sein wird.

Es ist weniger, als in der jüngeren Vergangenheit. Das hatten schon Oberbürgermeister Michael Salomo und Stadtkämmerer Guido Ochs betont, als sie im Oktober den Etatentwurf präsentierten und ankündigten, die Ausgaben reduzieren und die Einnahmen erhöhen zu müssen. Heißt übersetzt: Konzentration auf die Pflichtaufgaben. In den Stellungnahmen sämtlicher Fraktionen findet sich das Bekenntnis, diesem Zwang nachzukommen. Das sind die wesentlichen Inhalte:

CDU/FDP-Fraktion

Mit den deutlichsten Formulierungen wartete die Fraktionsvorsitzende Dr. Waltraud Bretzger auf: Die Zahlen für das Jahr 2025 und die Aussichten bis 2028 seien desaströs, und „wir sehen eine hausgemachte finanzielle Dürreperiode auf uns zukommen, die ihresgleichen sucht“. Die Suche nach Gegenmaßnahmen überschrieb Bretzger mit einem zentralen Satz: „Wir lassen, was wir uns nicht leisten können.“ An erster Stelle der 21 Punkte umfassenden Antragsliste findet sich die Forderung, auf den weiteren Umbau des Elmar-Doch-Hauses für gastronomische Zwecke zu verzichten und zu den Plänen für ein Verwaltungszentrum zurückzukehren.

Weitere Forderungen: Einstellungsstopp; investive Vorhaben erst beginnen, wenn Förderbescheide vorliegen; sobald die Rathaussanierung abgeschlossen ist, verlassen die ausgelagerten Bereiche das dann zu verkaufende ehemalige LBBW-Gebäude; das geplante Jugendhaus im Mittelrain wird abgespeckt; keine Anschaffungen wie Videoräume für das Rathaus, „denn wir sind nicht bei Tiktok, sondern arm dran“, so Bretzger.

Dr. Waltraud Bretzger, CDU/FDP-Fraktion Sab

Daneben formulierte sie Vorschläge, die auf Einnahmen abzielen. So sollen bei Großkuchen Bau- und Gewerbegebiete ausgewiesen werden, um große Firmen dazu zu bringen, sich dort anzusiedeln: „Jeder, der bei uns Arbeitsplätze schafft, hier investiert und Steuern entrichtet, ist mehr als herzlich willkommen.“ Pfründen oder Bestandschutz dürfe es nicht mehr geben, so Bretzger: „In Zeiten wie diesen ist nichts und niemand sakrosankt.“ Deshalb soll auch die Bevölkerung in die Sparbemühungen eingebunden werden, etwa durch eine Erhöhung des Eintritts in den Brenzpark. Erwachsene müssten dann zwei Euro (bisher ein Euro) fürs Ticket bezahlen, Kinder einen Euro (bisher 50 Cent).

Mit Blick auf die Sicherheit der Bürger plädiert die CDU/FDP-Fraktion für eine Waffenverbotszone zwischen Bahnhof und Konzerthaus sowie auf dem Schlossberg bei Märkten und Großveranstaltungen sowie an Wochenenden.

Auf interne atmosphärische Störungen anspielend, forderte Bretzger Salomo auf, seiner Führungsverantwortung nachzukommen. Er müsse sein „überaus fähiges Rathausteam motivieren, koordinieren und zurate ziehen, um nach gemeinsamen Lösungsstrategien zu suchen, wo es jetzt hart auf hart kommt“. Die Fraktion will zeitnah eine anonyme Befragung der Beschäftigten durch ein externes Unternehmen ins Werk gesetzt wissen, um Aufschluss über die Stimmungslage zu erhalten.

Freie Wähler-Fraktion

Fraktionssprecher Ralf Willuth lenkte den Blick ebenfalls nach Großkuchen. Er bezeichnete es angesichts der geplanten Ansiedlung von Zeiss in Ebnat als „epochale Chance, durch die rasche Erschließung von Baugrundstücken für Einfamilienhäuser, Geschosswohnungsbau und Gewerbegrundstücken“ zu profitieren. Gebraucht würden neben gefördertem Wohnraum auch Angebote für einkommensstarke Bürger sowie Platz für Gewerbe- und Zulieferbetriebe.

Breiten Raum widmete Willuth dem Lärmschutz entlang der innerstädtischen Hauptverkehrsachsen. Eine starre Tempobegrenzung auf 30 Kilometer pro Stunde lehnte er ab. Zum einen werde der Lärm aufgrund der wachsenden Elektromobilität zwangsläufig abnehmen, zum anderen klapperten Ladungs- und Aufbauteile von Lkw unabhängig von der Geschwindigkeit gleich laut. Überdies sei angesichts des Stands der Technik kein signifikanter Sicherheitsgewinn zu erwarten. Schwere Verkehrsunfälle seien innerorts meist auf drastisch überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen, und die vereinzelten Raser „werden sich nicht an Tempo 30 halten, weil sie vorsätzlich gegen Vorschriften verstoßen“.

Ralf Willuth, Freie Wähler Michael Brendel

Erneut widmete sich Willuth der Verbindung zwischen Innenstadt und Schlossberg. Während sich die Machbarkeitsstudie „mit einer völlig überdimensionierten Seilbahn-Utopie auseinandergesetzt“ habe, denke seine Fraktion an einen Schrägaufzug in der südlichen Hauptstraße. Als tägliches Verkehrsmittel könne eine solche Anlage den größten Teil ihrer Betriebskosten erwirtschaften.

In der städtischen Öffentlichkeitsarbeit machte Willuth „ein deutliches Defizit“ aus: Wenn Bürger und Medien besser informiert würden, könnten Unsicherheit und Spekulationen verhindert werden. Außerdem zeigte er sich davon überzeugt, durch das zielgerichtete Optimieren von Prozessen eine Entlastung der Verwaltungsarbeit bei gleichbleibender Personalstärke zu erreichen: „Wir können nicht immer mehr Personalkosten erzeugen, während in Wirtschaft und Industrie Stellen abgebaut werden.“

SPD/Linke-Fraktion

Für Stadtrat Hans-Peter Neff kommt es der Quadratur des Kreises nahe, trotz vieler Aufgaben und Projekte sparsam mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen. Die Fraktion verzichte deshalb auch heuer auf kostenintensive Anträge. Nötig sei es, Schwerpunkte zu setzen. Einen davon sieht Neff bei bezahlbarem Wohnraum und Bauplätzen für Reihen- und Einfamilienhäuser: „Mehr Bürgerinnen und Bürger stärken die Gesellschaft und bedeuten auch mehr Einnahmen.“

Als wichtig erachtet es Neff zudem, Flächen für Betriebe zur Verfügung zu stellen: „Zusätzliche Gewerbeansiedlungen sorgen für Arbeitsplätze, und wenn die Arbeitnehmer in Heidenheim wohnen, gibt es durch den Anteil an der Einkommensteuer wieder Geld für uns.“

Das aus seiner Sicht schöne Leben in Heidenheim möchte Neff durch eine Reihe von Maßnahmen noch attraktiver gemacht sehen. Seine Fraktion regt deshalb an, die Stadtbibliothek künftig auch montags zugänglich zu machen – durch eine andere Verteilung der Öffnungszeiten und ohne Erhöhung der Personalkosten. Das Verkehrskonzept soll in Teilen schnell für wenig Geld umgesetzt werden, etwa in Form eines Zebrastreifens beim Rewe-Markt und einer sicheren Querung für Radfahrer über die Heidenheimer Straße beim Schnaitheimer Bahnübergang.

Hans-Peter Neff, SPD-Linke-Fraktion Michael Brendel

Ins Spiel brachten SPD und Linke auch, wieder ein gemeinsames Kinderfest auszurichten. Eine Arbeitsgruppe soll sich mit dieser Frage befassen. Unerhört bleiben dürfte derweil der Ruf nach einem gebührenfreien Besuch von Kindertagesstätten, wie es ihn in anderen Bundesländern gibt. Neff beklagte eine Verletzung des sogenannten Konnexitätsprinzips („Wer bestellt, der bezahlt.“), weil Bund und Land den Kommunen zwar Aufgaben aufbürdeten, nicht aber die dafür erforderlichen Finanzmittel bereitstellten.

Grüne/ÖDP-Fraktion

Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam beschwor in ihrer Rede, die aktuellen Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Zwar sei klar, dass große Projekte der Vergangenheit zur jetzt angespannten Haushaltslage beigetragen hätten und eine weitere Ursache in der nicht konsequenten Umsetzung des Konnexitätsprinzips zu sehen sei. Schuldzuweisungen jedoch, so ihre Mahnung „bringen uns nicht weiter“.

In Anlehnung an einen Leitsatz der Gemeinderatsklausur („Suchet der Stadt Bestes“) formulierte sie unter der Prämisse, das Ziel möglichst kostenneutral zu erreichen, die Anträge ihrer Fraktion. Demzufolge sollen Modelle der Bürgerbeteiligung die Akzeptanz von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien verbessern. Wenngleich andere Krisen den Alltag stark beeinträchtigten und der CO₂-Ausstieg unbequem sei, müssten die im Gemeinderat besprochenen Themen im Rahmen der Klimabewahrung gesehen werden, „denn ohne Klimaschutz ist alles nichts“.

Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam, Grüne/ÖDP-Fraktion Michael Brendel

Weitere Forderungen: An der Steig-, Clichy- und Wilhelmstraße sollen Blitzeranlagen aufgestellt werden. Diese Maßnahme fügt sich zum Bekenntnis zu Tempo 30: „Das ist eine Frage der Gewöhnung und das Beste für die Anwohnenden“, so Kapp-Kleineidam. Einen positiven Nebeneffekt sieht sie in den zu erwartenden Einnahmen. Als Bausteine einer verbesserten Verkehrssicherheit führte sie Zebrastreifen zwischen Bahnhof und Hellenstein-Gymnasium sowie bei den Verkehrsinseln auf Erchen- und St. Pöltener Straße an.

Als Klimapflege im übertragenen Sinn bezeichnete Kapp-Kleineidam ein Büro für bürgernahe Kommunikation. Da jedoch keine neuen Kosten entstehen sollten, seien alternativ auch vierteljährliche Bürgerfragestunden während der Gemeinderatssitzungen denkbar.

Ungewohnte Rednerliste

In diesem Jahr hielten nicht ausnahmslos die Fraktionssprecherinnen bzw. -sprecher die Haushaltsreden. Grund: Einige von ihnen waren erst am Vortag von der Reise einer Heidenheimer Delegation nach China zurückgekehrt.

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