So feiert die Heidenheimer Tafel ihren größeren Standort
Ein schweres Paket schleppt Landrat Peter Polta vom Auto zum Laden, wo bereits Ehrengäste an den Stehtischen plaudern. Er stellt es neben die Säcke mit insgesamt 50 Kilogramm Mehl, die er vorher schon als gemeinsames Geschenk von Landkreis und Stadt Heidenheim in den Tafelladen getragen hatte. Das sind ungewöhnliche Mitbringsel für eine offizielle Feierstunde, aber punktgenau passend für den Laden, der einst mit dem Ziel eröffnet wurde, die Armut von Menschen in Heidenheim auf einfache Weise zu lindern. Gerade diese haltbaren Grundnahrungsmittel sind oft Mangelware.
So viel Trubel wie an diesem Montagvormittag herrscht in der Heidenheimer Tafel täglich. Mehr als 100 Menschen kaufen hier ein, damit zumindest die Dinge für den täglichen Bedarf kein allzu großes Loch in die eh schon dünn bestückte eigene Kasse reißen. Doch war es am Montag nicht die übliche Kundschaft, sondern eine große Schar an Gästen, die sich zwischen den Regalen drängten: Vertreter der Caritas, des politischen Lebens Heidenheims, der Kirche, private Gönner und Spender und vor allem die ehrenamtlichen Tafelhelfer, ohne die der Laden nicht funktionieren könnte. Geladen zur dieser offiziellen Eröffnungsfeier hatte die Caritas, in deren Regie der Tafelladen vor 24 Jahren in Heidenheim gegründet wurde und der Anfang des Monats in neue Räume umgezogen ist: von der Wilhelmstraße 52 in das Eckgebäude schräg gegenüber an der Wilhelmstraße 49, wo einst eine Videothek und eine Physio-Praxis beheimatet waren.
Warum ist die Heidenheimer Tafel umgezogen?
Laut Caritas Regionalleiter Markus Mengemann war der größere Laden nicht notwendig, weil die Tafel zu viele Waren bekommt, sondern weil die Kundinnen und Kunden immer mehr werden und Raum benötigten. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine hätte sich die tägliche Kundenzahl verdoppelt von 40 bis 60 Besuchern auf aktuell 90 bis 100. Auch die Zahl der Tafelausweise habe sich auf aktuell 700 verdoppelt, dahinter stünden rund 1200 bis 1800 Personen, die mit Waren aus der Tafel versorgt würden.
Dass der Laden an der Wilhelmstraße seinen neuen Platz gefunden hat, war „ein Geschenk, das von oben gelenkt worden ist“, nämlich Gott, sagte Pfarrer Tuan Anh Le, dem es oblag, den Segen für die neuen Räume sowie den Menschen darin zu spenden. Von oben wurde tatsächlich auch mitgeholfen, dass es zum Abschluss des Mietvertrags mit dem Hauseigentümer Stefan Doraszelski gekommen war. Mit seiner Stiftung unterstützt das Heidenheimer Ehepaar Heidi und Stefan Doraszelski jährlich eigentlich Kunst und Kultur in Heidenheim, dank der Vermittlung von Landrat Peter Polta sei nun der Tafelladen ins Haus aufgenommen worden.
Warum ist der Tafelladen auch nach 24 Jahren noch notwendig? Als der Laden gegründet wurde, sei es kritisch gesehen worden, die Armut zu unterstützen, bekannte Mengemann. Die Lage werde derzeit noch extremer. „Ich hoffe deshalb, dass die politischen Zeichen sich verändern.“ Michael Salomo nannte die hohe Inflation, die sich gerade auf die Menschen mit kleinem Einkommen vehement auswirke und denen die Tafel beistehe. Landrat Polta mahnte die Überkapazität an Lebensmitteln an, jedoch meist an der falschen Stelle.
Wie die Heidenheimer Tafel an ihre Waren kommt
Wie werden die Regale gefüllt? In Heidenheim sei man in der guten Lage, viele Unterstützer zu haben. Bei der Feierstunde waren unter anderem Bäckermeister Paul Gnaier sowie Marktkauf-Marktleiter Frank Rebmann anwesend, aber auch private Gönner und Spender. „Die sind für uns ein Hoffnungsschimmer, wenn es mal klemmt“, sagte Mengemann. Deshalb seien die Regale nicht so leer wie in manch anderen Tafeln im Land. Landrat Polta nannte auch den Einsatz von EnBW/ODR, deren Mitarbeiter Arbeitszeit in Geldform spendeten. Das Unternehmen selbst ermögliche den Einkauf von Grundnahrungsmitteln im Wert von 20.000 Euro.
Neben den Waren spielen aber auch immaterielle Dinge wie Kontaktpflege und Fürsorge eine wichtige Rolle. Mengemann sprach davon, Menschen eine Perspektive bieten zu können. Großen Anteil hat dabei auch das Jobcenter, das mit Arbeitsmaßnahmen im Tafelladen Menschen einen Einstieg in die Arbeitswelt ermögliche. Bestes Beispiel sei der Leiter des Tafelladens Dieter Wotsch. Viele der einstigen Mitarbeitenden seien nach der Maßnahme als Ehrenamtliche dem Tafelladen verbunden geblieben. Oder wie Pfarrer Le so treffend sagte: „Danke, dass sie der Nächstenliebe ein Gesicht geben, ungeachtet von Herkunft und Hautfarbe.“
Hilfe für Millionen von Menschen
1993 gründete sich die erste deutsche Tafel in Berlin, sechs Jahre später in Heidenheim. Mittlerweile gibt es in Deutschland knapp 1000 Tafeln, die nach eigenen Angaben rund zwei Millionen Menschen unterstützen.
In Baden-Württemberg gibt es heute 153 Tafeln, berichtet Angie Reinecke, stellvertretende Vorsitzende des Tafel- Landesverbands. Sie betreut ehrenamtlich das Zentrallager des Landesverbands in Aalen-Ebnat, in dem in einem Jahr 13.000 Paletten an Lebensmitteln umgesetzt würden, viele davon landen auch in Heidenheim.
In Heidenheim arbeiten im Tafelladen rund 25 Ehrenamtliche, erreicht werden bis zu 1800 bedürftige Menschen.