Nach der Corona-Lethargie

Heidenheimer Übungsleiter fördern bei Kindern die Lust auf gesunde Bewegung

Sport ist für die Entwicklung von Kindern essenziell. Vier HSB-Übungsleiter erzählen, wie nach der Pandemie die Begeisterung an der Bewegung wieder erwacht und warum das wichtig ist.

Nachmittags im Voith-Sportzentrum an der Wilhelmstraße herrscht reges Treiben. In den Hallen wird gelacht, sich unterhalten und natürlich Sport getrieben. Die Kinder scheinen wieder Lust zu haben, sich zu bewegen, in der Gruppe gemeinsam Spaß zu haben oder als Einzelkämpfer sich Herausforderungen zu stellen. Kinder und Jugendliche sollten sich laut Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO jeden Tag mindestens eine Stunde bewegen, was sie im Durchschnitt jedoch nicht tun. Die negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie sind nach wie vor spürbar. Fehlende soziale Kontakte und mangelnde Bewegung draußen oder in Sportstätten haben die Kinder geprägt und so manches Kind kämpft immer noch mit diesen Nachwirkungen.

Diese Entwicklung beobachtet die Heidenheimerin Lydia Anders-Kurz an Kindern

Lydia Anders-Kurz kann das bestätigen. Die 59-Jährige ist Übungsleiterin in der Abteilung „Kinder in Bewegung“ beim HSB und bietet verschiedene Psychomotorik-Kurse in der Altersspanne von acht Monaten bis acht Jahren an. In der Altersgruppe von acht Monaten bis drei Jahren fällt ihr auf: „Die Ängste bei den Kindern haben spürbar zugenommen.“ Früher sei ihnen nichts zu weit oder zu hoch gewesen. Nach der Pandemie mussten die Kinder erst wieder lernen, sich von den Müttern und Vätern zu lösen, um ihre eigenen Erfahrungen zu sammeln und den Raum zu erkunden. „Als die Sportstätten wieder geöffnet wurden, war es für meine Kleinen gut, dass nicht gleich alle Kinder wieder da waren, sondern sich die Gruppe peu à peu wieder vergrößert hat“, so Kurz. Sie hatte das Gefühl, dass auch die Eltern sich wieder an die Sozialkontakte gewöhnen mussten.

HSB-Übungsleiterin Lydia Anders-Kurz. Foto: Rudi Penk

Anders-Kurz ist seit mehr als 20 Jahren Übungsleiterin und bietet für mehrere Altersstufen Psychomotorik-Kurse an. Ihre Augen leuchten, wenn sie von „ihren Kindern“ erzählt. „Mir ist es wichtig, dass Kinder von klein auf Kontakt zu anderen Kindern haben. Sie lernen so viel voneinander und das stärkt ihr Sozialverhalten.“ In ihren Sportstunden wird zusammen gerutscht, balanciert, gehüpft, gespielt und gesungen. Jedes Kind kann sich ausprobieren. Dadurch werde die Selbstständigkeit gefördert und gestärkt, jedes Kind im Rahmen seiner Möglichkeiten.

Seit mehr als 15 Jahren hat der HSB eine Kooperation mit dem Schulkindergarten der Lebenshilfe in Heidenheim. Sie wird von der Aktion Schneeflocke unter der Schirmherrschaft von Barbara Ilg, der Frau des ehemaligen Oberbürgermeisters der Stadt, gefördert. Anders-Kurz liegt diese Gruppe sehr am Herzen: „Speziell für die Kinder, die körperlich oder geistig verzögert oder beeinträchtigt sind, ist ein Bewegungsangebot immens wichtig.“ Zum Glück durfte die Übungsleiterin mit dieser Inklusions-Gruppe auch während der Pandemie in den Räumen der Lebenshilfe weiter Sport treiben.

Valentin Daub: Der ehemalige aktive Turner will Kinder mit seiner Begeisterung anstecken

Den Kindern wieder Spaß an der Bewegung zu vermitteln, ist auch der Wunsch von Valentin Daub.  Der 21-jährige BWL-Student unterstützt ehrenamtlich seit zwei Jahren die Turnabteilung des HSB. Er betreut dort überwiegend Jungen im Alter von vier bis neun Jahren. „Man merkt es meinen Jungs an, dass sie glücklich sind, wieder turnen zu dürfen.“ Er beobachtet, dass die Kinder vor der Corona-Zeit teilweise mehrere Hobbys parallel ausgeübt haben. Das hätte sich nun geändert und sie machen oft nur noch eine Sportart und das intensiver. „Mir ist wichtig, dass sich die Kinder bewegen und dass die Gemeinschaft gefördert wird.“

War selbst einmal aktiver Turner: HSB-Übungsleiter Valentin Daub. Foto: Rudi Penk

Früher war Daub selbst Turner, die Turnhalle war seine zweite Heimat. Für soziale Medien hatte er damals keine Zeit und das war auch gut so. Die Zunahme von Medienkonsum fällt ihm auf und viele Kids wären auch gestresst vom Schulalltag. „Oft kommen die Kinder aufgedreht von zu Hause zu uns in die Halle, da lassen wir sie erst mal springen und toben“, erzählt Weiser. Danach seien die Kids dann sichtlich ruhiger und können sich besser auf die Übungen beim Turnen konzentrieren.

Louis Greschner: „Es muss nicht immer nur Leistungssport sein“

Sein Kollege Louis Greschner ist ebenfalls Übungsleiter bei der Turnabteilung, trainiert aber dort Mädels im Alter von neun bis elf Jahren. Er ist durch seine Freundin, die damals noch selbst aktiv geturnt hat, vor ungefähr vier Jahren zu den Turnern gekommen. „Nach Corona hat es eine Weile gedauert, bis die Turnerinnen wieder in die Hallen zurückgekommen sind. Die Motivation hat anfangs gefehlt und einige haben auch ganz aufgehört“, berichtet der Student.

Louis Greschner bringt beim HSB als Übungsleiter Kinder in Bewegung. Foto: Rudi Penk

Er betreut zwei Gruppen von Mädchen, die Turnen auf Breitensportniveau ausüben. Das heißt, man kann auf Wettkämpfe gehen, muss aber nicht. „Mir ist wichtig, dass die Mädels Spaß in der Halle haben und sich bewegen. Es muss nicht immer Leistungssport sein.“  Er legt Wert darauf, dass ein Gefühl von Solidarität und Teamgeist entsteht: „Es ist unglaublich wichtig, dass sich die Mädels gegenseitig unterstützen, im und außerhalb des Sports.“ Zusammen etwas zu machen und zu erreichen und einander zu stützen, anstatt herunterzuziehen, sei eine Sache, die im Sport zur Selbstverständlichkeit werde. „Ich finde es schön, dass die Mädels sich bei Wettkämpfen motivieren und auch trösten, wenn eine Übung mal nicht perfekt läuft“, sagt Greschner, der Wert auf Rücksichtnahme legt: „Wir wollen allen den gleichen Respekt und Support geben, den wir uns selbst auch wünschen.“

Reha-Expertin Bettina Künzel: Bewegung in der Kindheit beugt Langzeitfolgen vor

Bettina Künzel ist der Meinung: „Kinder sollen Spaß an der Bewegung haben und jedes Kind sollte die Möglichkeit bekommen, sich auszuprobieren.“ Die 46-jährige Sport- und Gymnastiklehrerin leitet seit mehreren Jahren Kindergruppen beim HSB im Alter von drei bis neun Jahren. Sie strahlt, wenn sie von den Stunden mit den Kids berichtet: „Vorbeugung im Kindesalter ist notwendig, um Bewegungsmangel zu reduzieren.“ Sie kennt die Langzeitfolgen: Künzel ist nämlich auch noch im Fitnessstudio tätig und gibt dort Reha-Sport für Erwachsene.

Übungsleiterin Bettina Künzel in der Bewegungswelt im HSB-Sportpark in Heidenheim. Foto: Rudi Penk

„Ich weiß genau, wie es im Alter enden kann, wenn man sich im Laufe des Lebens zu wenig bewegt hat“, erzählt Künzel. Deshalb war es ihr ein persönliches Anliegen, nicht nur Erwachsenen, sondern auch Kindern ein Sportangebot zu bieten. Während der Übungseinheit ist es ihr wichtig, die Koordination, das Gleichgewicht, die Stärkung des Rückens und die Körperbeweglichkeit der Kinder zu schulen.

„Es fällt nämlich schon auf, dass nach der Corona-Zeit die Lust an der Bewegung bei vielen Kindern nachgelassen hat. Sie waren lethargisch und unmotiviert.“ Zum Glück habe sich das wieder verändert und die Freude an der Bewegung sei wieder zurückgekommen.

Das sieht man den Kindern in der Sportstunde bei Bettina Künzel an. Sie springen und lachen, sind konzentriert beim Klettern an der Sprossenwand und beim Balancieren über eine Holzbank. „Jedes Kind sollte sich regelmäßig bewegen, wo auch immer“, wünscht sich die 46-Jährige.

Der Heidenheimer Sportbund hat momentan mehr als 4000 Mitglieder. Rund 40 Prozent davon sind Kinder und Jugendliche. Es werden derzeit 28 Sportarten angeboten.

Vier Übungsleiter beim HSB, die Kindern Spaß an der Bewegung vermitteln wollen: (von links) Bettina Künzel, Louis Greschner, Lydia Anders-Kurz, Valentin Daub. Foto: Rudi Penk

Kinder sind in vielen Sportarten zu Hause

Der Heidenheimer Sportbund hat momentan mehr als 4000 Mitglieder. 1400 davon, das sind rund 40 Prozent, sind Kinder und Jugendliche. In 25 Abteilungen wird Sport angeboten, meist auch mit Kindergruppen. Speziell auf Kinder zugeschnitten ist die Abteilung „Kinder in Bewegung“ (Kib). Neben den festen Kursen im Sportpark ist Kib auch an einigen Heidenheimer Grundschulen aktiv, Aushängeschild für die etwas älteren Kinder ist das Heidenheimer Sporttheater.

Jetzt einfach weiterlesen
Jetzt einfach weiterlesen mit HZ
- Alle HZ+ Artikel lesen und hören
- Exklusive Bilder und Videos aus der Region
- Volle Flexibilität: monatlich kündbar