Eine Umfrage von über 1000 Jugendlichen bescheinigte der Stadt Heidenheim ein vernichtendes Ergebnis, was das Angebot und die Akzeptanz der Bedürfnisse junger Menschen in der Stadt betrifft. „Alte Menschen entscheiden für junge Menschen in unserer ‚Hochschulstadt‘.“ „Die Jugendlichen haben nicht wirklich einen Ort, an dem sie sich treffen können. Rewe und Dehner-Parkplätze sind nicht wirklich Lösungen“. „Wir leben hier und jetzt!“ Es sind Zitate wie diese, die am vergangenen Wochenende in Heidenheim auf großen Plakaten zu sehen war, bei einem Event, das genau diesen Vorwürfen entgegenwirken wollte.
Unter dem Titel „Hier und Jetzt“ fand erstmals das Kulturfestival statt. Die gleichnamige Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, die Wünsche und Bedürfnisse der jungen Menschen in Heidenheim und Umgebung ernster zu nehmen. Wie genau das klappen kann, darum ging es am Freitagabend beim Auftakt des Festivals, einer „Opening Show“ samt Podiumsdiskussion mit Oberbürgermeister Michael Salomo, Konzeptersteller Janick Oswald und „Whild Stage“-Mitglied Reika Novak. Nach einem Auftritt des Rappers Billity und anschließendem Bandcontest ging der Abend fließend in eine Bar-Night in der Innenstadt über.
Am Samstag ging das Festival in die zweite Runde. Von morgens bis in die Nacht hinein konnte man in einer Pop-up-Ausstellung des Künstlerkollektivs „Whild Stage“ im ehemaligen Café Sonnleitner tief beeindruckende Werke junger Künstlerinnen und Künstler bewundern. In der Michaelskirche zeigte das Sporttheater Heidenheim tolle Akrobatik und elegante Formationen. Die Lesung „Identitas“ der beiden jungen Schriftstellerinnen Anni El-Khorazati und Sandra Gottwaldt war eine spannende Suche nach dem „Wer bin ich?“ und „Wer möchte ich sein?“. Auch das anschließend spielende Jugendblasorchester wurde mit großem Applaus bedacht.
Der Abend und die Nacht der Jugendlichen starteten langsam, die erste Musik gab es im „Treff 9“ mit starkem, lauten, schnörkellosen Punkrock von „Antischall“, „All the Bricks“ und „Snackwolf“ oder, ganz anders, im „Swing“ mit beeindruckendem Blues und Soul von den jungen Musikern der Band „The Quips“ und später, etwas rockiger, aber ebenso mitreißend und gefühlvoll, von den „Flapjacks“. Es war ein Kommen und Gehen, die ganze Nacht stromerten Jugendliche durch die Stadt, guckten kurz rein, blieben eine Weile und zogen weiter. Im „Underground“ gab es 80er- und 90er-Musik des erfahrenen DJs und Entertainers Coastman.
Haupt-Locations "Kultursalong" und "Treff 9" in Heidenheim
Richtig voll war es an den beiden Haupt-Locations für junge Leute: Der „Kultursalong“ und das Römerbad waren – neben „Treff 9“ – offensichtlich für das richtig junge Publikum, von Teenagern bis zu Twens, die angesagtesten Plätze. Hier ging es ab, und je später es wurde, und damit ist weit nach 23 Uhr gemeint, desto voller wurde es.
Im Stattgarten gab Rapper Billity mit dem vierten „Timmy’s Turnup“ eine umwerfende Performance, die vom begeisterten Publikum bis in den Morgen bejubelt wurde. Billity alias Tim Rothauszky hatte nicht nur seine Freunde mitgebracht, Greed, Beka, Alex Olson, Andy Cortex und Special Guests, sondern er zeigte eine Freude auf der Bühne, eine Nähe zu seinem Publikum, dass man nicht nur seine spannenden Songs, teils verträumt-zärtlich, teils wild und laut, wahrnahm, sondern auch seine Natürlichkeit und seinen Charme, den er trotz seines großen musikalischen Erfolges nicht verloren hat.
Fazit: Kulturfestival Heidenheim unbedingt fortsetzen
Und dann natürlich das Römerbad: Das Künstlerkollektiv „Whild Stage“ brachte hier mit Yannek Maunz, „Quasispaghetti“, AvB, „Mind Chemistry“ seine letzte elektronische Veranstaltung in diesem Jahr auf die Bühne. Und die war voll. Rappelvoll. Auf der Bühne wurde ununterbrochen getanzt, jeder auf seinem Fleckchen, es war ein Kommen und Gehen, sich Begegnen und Tanzen in dem stimmungsvollen Ambiente des Römerbads. Hunderte waren dort unterwegs und machten die Nacht zum Tage.
Aus dem ersten Kulturfestival lässt sich eigentlich nur eine Erkenntnis ziehen: Diese Initiative, in der Innenstadt mehr Räume für junge Menschen zu öffnen, sollte unbedingt fortgesetzt werden. Die jungen Menschen sind da, selbst als Kreative oder als Publikum, und ein unerlässlich wichtiger Teil des Stadtlebens. Weiter so!
Heidenheim bald als Festivalstadt?
Keine einmalige Sache: Das Festival ist laut der Heidenheimer Stadtverwaltung Bestandteil und Startpunkt einer langfristigen angedachten, jungen Kulturarbeit. Wie das gelingen kann, wurde am Freitag bei einer Podiumsdiskussion erörtert. Drei Beobachtungen daraus:
OB Michael Salomo lobte die aus seiner Sicht „schon sehr gute Qualität“ der Jugendkultur in Heidenheim: „Momentan haben wir viele kleine Leuchtfeuer, die wir in Heidenheim zu einem großen Leuchtfeuer entwickeln müssen. Die Stadt hat mit allen Beteiligten jetzt die Initiative ergriffen, um Kontakte herzustellen. Das muss sich jetzt weiterentwickeln zu etwas Dauerhaftem, das sich selbst trägt.“
Thematisiert wurde bei der Diskussion unter anderem die Balance zwischen Nachtleben und Sperrstunde. Fabian Rieck (Bäckermeister und Stadtrat) erklärte, dass dieses Thema politisch diskutiert werden müsse und verwies darauf, dass sich der Gemeinderat kommendes Jahr damit befassen werde.
Nicht nur Festspielstadt, sondern auch Festivalstadt soll Heidenheim in einigen Jahren sein, wenn es nach Kulturamtsleiter Matthias Jochner geht – so beschrieb er seine Vision für die Jugendkultur der Stadt in fünf Jahren.