Wolfgang Eber und Dr. Ulrich Schrade sind Vorstandsmitglieder im Verein Solarmobil Heidenheim und beschäftigen sich seit Jahren mit den Themen erneuerbare Energien und Elektromobilität. Nach einem Beitrag in der Heidenheimer Zeitung über sinkende Absatzzahlen von E-Autos seit Jahresbeginn im Landkreis Heidenheim und mögliche Gründe dafür, meldeten sie sich zu Wort. Beide fahren selbst E-Autos, können auf eigene Erfahrungen zurückgreifen und verfolgen die aktuelle Studienlage.
Kritikpunkt 1: Elektrofahrzeuge sind Luxus und nur für Reiche finanzierbar.
Der Durchschnittsneuwagen kostete laut Schrades Recherchen 2023 mehr als 43.000 Euro. „Für diesen Betrag bekommt man auch schöne Elektroautos“, sagt Ulrich Schrade. Deshalb könne man nicht sagen, dass sich der durchschnittliche Autokäufer kein Elektrofahrzeug leisten könne. Bei Kleinwagen fange der Preis von E-Autos bei 15.000 Euro an. Für 40.000 Euro bekomme man bereits E-Fahrzeuge, bei denen man für vergleichbare Leistung bei einem Verbrenner 70.000 Euro ausgeben müsste.
Wer weniger ausgeben möchte, könne derzeit günstige gebrauchte E-Fahrzeuge finden, die eine Garantie auf die elektrischen Komponenten bieten. Zudem seien die Unterhaltskosten ein Pluspunkt: Steuern fielen bis 2030 nicht an, Wartung sei weniger aufwendig, und der Bremsenverschleiß sei durch das elektrodynamische Bremsen geringer. Alle motorbedingten Wartungskosten entfielen. Allerdings fügen beide an, dass auf dem Gebrauchtmarkt jeder selbst entscheiden sollte, was für ihn passt. Wer wenig fährt und ein geringes Budget hat, für den sei in dieser Übergangszeit ein Verbrenner durchaus sinnvoll.
Kritikpunkt 2: Ohne staatliche Förderung kommt der E-Auto-Markt nicht mehr in Schwung.
Die Streichung sei ein verheerendes Signal gewesen, sagt Eber. Ob man die Förderung noch einmal braucht? „Es ist für mich generell fragwürdig, ob man ein teures Auto fördern muss.“ Gebremst werde der Verkauf vielmehr durch das Schlechtreden: „Die immer gleichen Vorurteile haben ein Klima geschaffen, in dem die Leute das Gefühl haben, E-Autos seien auch nicht besser als Verbrenner.“
Kritikpunkt 3: Die E-Mobilität ist ein Jobkiller für unsere Autobauer und Automobilzulieferer.
Die Verlierer der E-Mobilität seien vor allem die Mineralölkonzerne. Die Autokonzerne hingegen hätten sich umgestellt; für sie sei ein Durchhänger wie aktuell eher schwierig. Eber macht sich Sorgen, dass die deutsche Automobilindustrie zu spät dran sei und die Weltmarktführerschaft verlieren könnte. „Es ist ein Spagat, die bestehende Kuh noch sehr lange melken zu wollen, und andererseits die neue Entwicklung nicht zu verpassen“, so Schrade, der einen sanften Technologieübergang propagiert. Was sich die Firmen von der Politik wünschen, sei Zuverlässigkeit, um für die Zukunft kalkulieren zu können.
Kritikpunkt 4: Sind E-Fuels oder Wasserstoff nicht ebenso gute Alternativen zu fossilen Brennstoffen?
Mit Wasserstoff und Brennstoffzellen könne man zwar eine gute Reichweite erzielen, allerdings sei das Fahrzeug aufgrund der benötigten Materialien wie Platin teuer. Eine Batterie brauche man trotzdem. „Dann habe ich ein sehr viel teureres Fahrzeug mit etwas besserer Reichweite“, sagt Schrade. Der Wasserstoff werde nie so billig sein, dass er die teure Technologie amortisieren könne. Eber zitiert das Fraunhofer-Institut, das feststellt, dass eine großflächige Nutzung von E-Fuels ökonomisch nicht zielführend sei; einkommensschwache Haushalte könnten sich dies nicht leisten.
Im Nutzfahrzeugbereich oder bei schweren Fahrzeugen wie Arbeitsmaschinen oder großen Traktoren sehe das anders aus, räumt Schrade ein und verweist auf die benötigten langen Laufzeiten. E-Fuels seien einsetzbar, vorausgesetzt sie sind in großen Mengen verfügbar, um den Pkw-Bestand zu versorgen. „Wenn ich für Batterie-Autos plädiere, heißt das nicht, dass ich die E-Fuel-Produktion bremsen möchte; im Gegenteil, man könnte die große Bestandsflotte von 40 Millionen Verbrenner-Pkw CO₂-ärmer machen“, so Schrade. Vergessen dürfe man nicht, dass bei E-Fuels weiterhin Verbrennungsschadstoffe entstünden. Geringerer Bremsabrieb sowie weniger Lärmbelastung seien zudem Argumente für die E-Mobilität.
Kritikpunkt 5: Der Strom reicht nicht aus.
„Wenn alle Autos elektrisch fahren würden, müsste unsere Stromerzeugung um 20 Prozent höher sein als aktuell“, sagt Eber. „Das sind niedrig hängende Früchte, um CO₂-Emissionen zu senken“, so Schrade, der auf Strom aus regenerativen Energien setzt und hier Luft nach oben sieht. Beim Umweg über E-Fuels müsse man die fünffache Strommenge im Vergleich zu Batteriefahrzeugen einsetzen. E-Fuels seien sinnvoll, um Flugverkehr oder schwere Fahrzeuge zu betreiben, aber für den Pkw sei dies langfristig sinnlos.
Kritikpunkt 6: Wer E-Auto fährt, braucht viel Zeit, um ans Ziel zu kommen. Wer keine Wallbox in der eigenen Garage hat, kann sein E-Auto nicht praktikabel laden.
Schrades Erfahrungen sehen anders aus. Bei einer Rückreise aus Dänemark sei er insgesamt zwölf Stunden lang unterwegs gewesen und habe nach jeweils zweieinhalb Stunden Fahrt eine halbe Stunde geladen. Die Ladezeiten nutzte er zur Erholung. An Reisetagen wie zu Ferienbeginn gebe es auch an Benzintankstellen oft lange Schlangen, ergänzt Eber. Zudem helfen Apps, die anzeigen, wo freie Ladesäulen verfügbar sind, erheblich dabei, die Ladeplanung zu optimieren.
Der Königsweg sei das Laden des Fahrzeugs am Zielort, wo man sowieso Zeit verbringt wie beim Einkaufen oder beim Arbeitgeber. Hier brauche man keine Schnellladesäulen, deshalb werde das Stromnetz nicht überfordert. Allerdings gebe es gerade bei den Arbeitgebern für dieses Angebot noch großen Nachholbedarf. Für Bewohner von Großstädten, die in Mehrfamilienhäusern ohne eigene Wallbox leben, räumt Eber allerdings gewisse Herausforderungen ein, bis das Netz weiter ausgebaut ist.
Kritikpunkt 7: Sind E-Autos umweltfreundlich, wenn man die Batterieherstellung und die Entsorgung bedenkt?
„Nach 30.000 bis 50.000 Kilometern ist der ökologische Rucksack, der durch die Akkuherstellung entsteht, abgetragen. Ab da spart das E-Auto CO₂“, so Eber. Dass es aktuell noch keine großtechnischen Anlagen für das Batterierecycling gebe, liege an der Lebensdauer der Autos, sodass Batterien noch nicht in großen Mengen anfielen. Die Wirtschaftlichkeit sei aber jetzt schon nachgewiesen, so Schrade. 95 Prozent der Batteriematerialien können recycelt und die wertvollen Rohstoffe wieder aufbereitet werden. Bei den Rohstoffen komme man um das Lithium nicht herum, aber es gebe schon Batterien ohne seltene Erden.
Wer sind die Heidenheimer Gesprächspartner?
Dr. Ulrich Schrade lehrt an der Technischen Hochschule Ulm als Professor für Maschinenbau und Fahrzeugtechnik. Wolfgang Eber ist Maschinenbau- und Wirtschaftsingenieur. Beide sind Mitglied im Verein Solarmobil; Eber ist seit sieben Jahren Vorsitzender des Vereins und seit 20 Jahren Mitglied. Schrade ist seit vorigem Jahr ebenfalls Vorstandsmitglied.