Ein Wahlkampfplakat zeigte zur Landtagswahl 2021 Martin Grath und Clara Resch Rücken an Rücken, die Finger zu Pistolen geformt und vor sich schussbereit erhoben. Kein Parteiname, keine politische Botschaft, dafür Sprüche wie: „Ohne Waffeln für Kretschinger.“ Dieses Plakat machte Clara Resch damals erstmals bekannt als Ersatzkandidatin der Grünen für die eigentliche Hauptfigur Martin Grath, der daraufhin zum zweiten Mal im Landkreis Heidenheim mit den meisten Stimmen direkt in den Landtag gewählt wurde.
Nun folgt der Generationswechsel. Der 63-jährige Martin Grath zieht sich aus der Landespolitik zurück und übergibt den Stab in jüngere Hände an die 29-jährige Clara Resch, die im September seinen Platz in der grünen Landtagsfraktion und den Arbeitskreisen sowie als handwerkspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion übernehmen wird.
Wichtige Termine zum Start für Clara Resch als Heidenheimer Landtagsabgeordnete
Ihre ersten Auftritte wird sie in dieser Funktion bei der Fraktionsklausur der Grünen in Freiburg haben sowie den Klausuren der Arbeitskreise Wirtschaft sowie Landesentwicklung und Wohnen. Zugleich steht auf Reschs Agenda, viele Menschen hier im Wahlkreis zu treffen, um zuzuhören und sich einzuarbeiten. Schon bislang war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Graths Büro bei vielen Terminen dabei und kennt auch die Themen. Gute eineinhalb Jahre Zeit bleiben ihr bis zur nächsten Landtagswahl 2026, für die sie sich dann bewerben will. Große Brocken werden, so sagt Grath voraus, die anstehenden Haushaltsverhandlungen sein sowie die Aufstellung des Landesentwicklungsplans. Dort wird auch vorbestimmt, ob die großen Kreisstädte in der Region zum Oberzentrum werden.
Martin Grath verrät, was ihm zuletzt als Abgeordneter zu schaffen machte
Bekannt gegeben hatte Grath seine Entscheidung vor zwei Wochen beim grünen Sommerfest im Brenzpark. Was war der Auslöser für den Schritt? „Der Zufriedenheits- und Glücklichkeitsfaktor hat sich über die Pandemie zum Ukrainekrieg für einen Grünen-Politiker relativiert“, sagt Grath und berichtet von diversen Angriffen, verbal und per Mail. Er habe viele seiner Wählerinnen und Wähler verloren, die Entscheidungen, vor allem in der Pandemiezeit, nicht mitgetragen hätten. „Das hat mich arg mitgenommen, weil wir mit dem damaligen Wissen niemals eine Entscheidung gegen die Bevölkerung getroffen haben.“
Hinzu komme, dass er seine ehemalige Bäckerei nicht im Stich lassen wolle angesichts des Fachkräftemangels. Jedes zweite Wochenende steht er in der Backstube und auf dem Wochenmarkt. Den letzten Ausschlag gegeben habe dann das Ergebnis der Europa- und Kommunalwahl. Das habe gezeigt, dass es die Grünen nicht geschafft hätten, die junge Bevölkerung mitzunehmen. „Wir müssen junge Leute kriegen, die die Jugend besser erreichen können“, sagt er zu Resch. Zudem wolle er Resch die Chance geben, sich für die kommende Wahl gut zu positionieren. Denn dann wird es nach neuem Wahlrecht eine Landesliste geben.
Als ich im Jahr 2013 im Naturtheater Robin Hood spielte, hatte man mir versprochen, ich dürfe der Räuber Hotzenplotz sein. Da könnte man sich viel Schminke sparen. Diese Saison haben sie den Räuber Hotzenplotz ohne mich gespielt, jetzt reicht’s.
Martin Grath und sein nicht ganz ernst gemeinter Grund für seinen Rückzug.
Vor acht Jahren hatte Martin Grath den Sprung als Direktkandidat geschafft und hält seitdem die Fahnen Heidenheims in Stuttgart hoch. Auf welche Errungenschaft ist er am meisten stolz? Dass der Landkreis Heidenheim Bio-Musterregion geworden sei, als eine der ersten im Land, sei einer seiner ersten politischen Erfolge gewesen, erzählt Grath.
Politische Arbeit spiele sich oft im Hintergrund ab, verweist Grath auf das ständige Nachbohren in Sachen Neubau der Dualen Hochschule sowie Klinik-Sanierung. „Stolz bin ich auf die wahrscheinlich erfolgreichste Klausur der Grünen in Baden-Württemberg in Heidenheim im Januar 2020.“ Einen solchen Bürgerdialog habe es danach nie mehr gegeben. Stolz sei er ebenso darauf, dass sich die Mitgliederzahl der Grünen im Landkreis während seiner Abgeordnetenzeit verdoppelt habe, von 75 im Jahr 2019 auf mehr als 150 aktuell. Zudem habe Heidenheim eine aktive grüne Jugend, auf die andere neidisch seien.
Martin Graths politische Babys: Meisterprämie, Azubi-Ticket, Horizont Handwerk
Im handwerkspolitischen Bereich führt Grath als wichtige Errungenschaft die Meisterprämie, vor allem aber auch die Meistergründungs- und Nachfolgeprämie auf. Im ersten Haushalt sei diese noch vom Koalitionspartner abgelehnt worden. Bis zu 30.000 Handwerksbetriebe suchten in den nächsten Jahren Nachfolger. „Deshalb war mir die Nachfolgeprämie, das ist ein bisschen mein Baby, besonders wichtig.“ 10.000 Euro gebe es aktuell. Eingesetzt habe er sich für die Gleichbehandlung von akademischer und beruflicher Ausbildung mit der Einführung des Azubi-Tickets. Das Programm Handwerk 2025 werde mit Horizont Handwerk weitergeführt. Dafür habe er gekämpft. Das seien keine hohen Beträge, aber es gehe dabei um die Unterstützung der Unternehmen für Zukunftsaufgaben wie Digitalisierung, Fachkräfte und Strategie.
Was motiviert Clara Resch für die politische Arbeit? „Ich habe Lust, zu gestalten“, sagt Clara Resch und blickt dabei auf ihre bisherige Arbeit in der zweiten Reihe als Graths Mitarbeiterin zurück. „Ich freue mich, dass Martin mir diese Chance gibt, mich zu positionieren.“ Geboren und aufgewachsen ist Resch in Steinheim, sie machte an der Waldorfschule ihr Abitur, studierte in Passau European Studies mit Schwerpunkt Politikwissenschaften. Nach dem Bachelor kehrten sie und ihr heutiger Mann 2019 zurück in die Heimat. Für den Master in sozialwissenschaftlicher Konfliktforschung pendelte sie an die Uni Augsburg. Stundenweise als Studentin, später in Vollzeit, war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin in Graths Büro bis zur Geburt der Tochter vor knapp einem Jahr.
Clara Resch will als junge Mutter Vorbild für andere junge Frauen sein
Baby und Landtag, wie passt das zusammen? „Ich bin ja nicht die erste Politikerin mit kleinem Kind oder Baby, zum Glück gibt es Vorreiterinnen“, verweist Resch auf andere Mütter im Landtag und ihr eigenes familiäres Netzwerk. Es gebe sogar ein Familienzimmer im Landtag, wo auch Betreuungspersonen dabei sein könnten. Schon jetzt habe sie ihre Tochter zu manchen Terminen mitgenommen, was gut funktioniert habe. „Die Reaktionen waren meistens sehr positiv.“ Sie wolle Vorbild sein für andere junge Frauen und zeigen, dass man sich nicht zwischen Familie und Beruf entscheiden müsse. „Ich bin aufgewachsen mit meistens alten politischen Männern. Da hat mir geholfen, eine Katharina Schulze im bayrischen Landtag zu sehen, die beides wie selbstverständlich macht.“
Welche Inhalte will Resch vorantreiben? „Das Handwerk ist in den vergangenen drei Jahren auch mein Thema geworden.“ Sie kenne die Probleme und Herausforderungen. Doch sie werde als junge Frau automatisch auch andere Schwerpunkte haben, wie die Klimaneutralität, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die Gleichstellung als junge Frau, was auch immer zum Handwerk passe.
Von der politischen Bühne verabschieden will sich Grath nicht völlig, zumal er darauf setzt, sein Wissen aus der Landespolitik als Kreisrat und Mitglied im Aufsichtsrat der Kliniken Heidenheim einsetzen zu können. Engagieren will sich Grath für die Wasserstoffregion Ostwürttemberg sowie den Ausbau der Brenzbahn.
Man kann den Menschen zutrauen, dass sie auch die komplizierte Wahrheit verstehen.
Clara Resch, künftige grüne Landtagsabgeordnete
Clara Resch wird mit dem bisherigen Team im Grünen-Büro an der Schnaitheimer Straße weiterarbeiten. Viele Leute aus dem Kreisverband seien auf sie zugekommen und hätten ihr ihre Rückendeckung zugesagt. Sehr wohl weiß sie, dass es die Grünen derzeit nicht so einfach hätten wie noch 2019. Friedrich Merz habe die Grünen zum Hauptgegner erklärt, es gebe Angriffe gegen Politiker, nicht nur bei den Grünen. Es gebe in ganz Europa antidemokratische Kräfte, die immer stärker würden. „Es ist jetzt umso wichtiger, dass wir uns nicht von so einfachen politischen Wahrheiten mitreißen lassen, sondern dafür sorgen, dass es den Menschen weiterhin gut geht und wir unseren Wohlstand erhalten können.“
Sie wolle sich in den sozialen Medien zeigen und ihre Arbeit und ihre Entscheidungen erklären: „Man kann den Menschen zutrauen, dass sie auch die komplizierte Wahrheit verstehen.“ Sie wolle ein Bild von einer guten Zukunft, gerade auch für ihre Generation. „Wenn wir jetzt anpacken, dann kriegen wir das hin.“