Sie macht den Trump

So lief die AfD-Wahlkampfveranstaltung mit Alice Weidel im Heidenheimer Konzerthaus

Das AfD-Führungsduo Alice Weidel und Tino Chrupalla machte am Sonntag im Konzerthaus Wahlkampf – ein paar Stunden mit rund 500 feiernden Fans und Freunden. Es gab Liebesbekundungen für „die Kanzlerin der Herzen“. Und wie gewohnt inszenierte sich die Partei als einzige wahre Opposition und Verfechterin des Friedens und der Freiheit.

Wer hätte gedacht, dass sich deutsche Politiker mal ein Beispiel an Donald Trump nehmen? Mittlerweile scheint es Zeitgeist zu sein. Zumindest für manche. Dr. Alice Weidel gab im Konzerthaus am Sonntag jedenfalls den Trump. In der Wortwahl und den Forderungen, die allesamt mit „Alice-Alice“-Rufen und begeistertem Applaus quittiert wurden.

Zurück zu Atomkraft, Kohle, Erdgas

Von Tag eins an werde man mit der Verbotspolitik Schluss machen und stattdessen auf Freiheit setzen, ebenso setzt man auf Atomkraft, Kohle und Erdgas, will aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen und die Grenzen dichtmachen. Drastisch sinken sollen die Mehrwertsteuer und die Besteuerung für Unternehmen, die Einkommensteuer soll mindestens halbiert werden. Und ist das Steuersystem erst mal vereinfacht, kann man, so Weidel, auf mindestens die Hälfte der Beamten verzichten.

Auf Weidels Versprechen hin, unter einer AfD-Regierungsbeteiligung die Rundfunkgebühren abzuschaffen, kam prompt ein „Alice – wir lieben Dich“- Zwischenruf aus dem Publikum. Und weil sie vergangenen Donnerstag ihren 46. Geburtstag feierte, wurde im Saal von den rund 500 Anwesenden auch ein nachträgliches „Happy Birthday“ geschmettert.

Verwunderlich sind diese deutlichen Liebesbekundungen nicht, die Veranstaltung war bekanntlich nicht öffentlich. Dabei sein durften nur Mitglieder und Förderer der Partei und von ihnen benannte Gäste. Eine Sicherheitsmaßnahme, wie die Bundesgeschäftsstelle der HZ auf Nachfrage mitteilte. Trotzdem schien man sich am Sonntag nicht sicher genug zu fühlen. Der Einlasskontrollen im Konzerthaus dehnten sich wie Kaugummi, weil man als Besucher und Pressevertreter nicht nur die Hosen- und Manteltaschen ausleeren und sich die Handtaschen aufs genauste durchsuchen lassen musste, sondern sich auch noch mit einem Metalldetektor konfrontiert sah.

Die 500 Besucher feierten die Politiker der AfD. Allerdings waren zur Veranstaltung auch nur Mitglieder und Förderer der Partei sowie von ihnen benannte Gäste zugelassen. Foto: Dennis Straub

Jedenfalls soll Deutschland wieder Spitzenklasse werden. Großartig in allem, so Alice Weidel. Ein starkes Deutschland soll es wieder werden, ein „normales“, auf „das ihr wieder stolz sein könnt“. In welches Jahr oder Jahrzehnt der Großartigkeit die AfD zurückmöchte, blieb offen. 2014? 1990? 1949? Oder sehnt man sich zurück in eine Zeit, in der – wie Karl Valentin einmal treffend sagte – auch die Zukunft noch besser war?

Die Ambitionen der Partei sind jedenfalls groß. Daran ließ auch der AfD-Landesvorsitzende Markus Frohnmaier keinen Zweifel. Man will die deutsche Wirtschaft entfesseln, die Grenzen schützen, für Sicherheit garantieren und interessengeleitete Außenpolitik gestalten. „Wie wollen wir das schaffen?“, fragte er rhetorisch. „Die Antworten können manchmal im Leben wunderbar einfach sein“, glaubt Frohnmaier. Und die Antwort war dann auch wenig überraschend, aber tatsächlich sehr schlicht: „Alice für Deutschland!“

Tino Chrupalla hält die Demonstrationen gegen rechts für bezahlt und von den Medien inszeniert. Foto: Dennis Straub

Da nur Gleichgesinnte im Publikum waren, gab es Kritik am Geäußerten nur draußen bei der Gegendemonstration. Was man im Saal allerdings nicht ernst nahm, denn der Protest sei – was bei 4000 Menschen vor dem Konzerthaus eine etwas absurde Annahme ist – nicht echt. Bezahlt und von den Medien inszeniert seien die Demonstrationen gegen rechts und die AfD, sagte der Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Tino Chrupalla. Und da in der eigenen Blase gilt, dass derjenige glaubwürdig ist, der sagt, was man hören will, wird auch das geglaubt. Von „Berufsdemonstranten“ und einem „Faschingsumzug“ sprachen Besucher schon vor dem Konzerthaus-Eingang und mit Blick auf die Menge an Menschen. Doch auch wenn „sie“ Tausende auf die Straße bringen, werde man, so Chrupalla, am 23. Februar „das Tor zum blauen Paradies aufstoßen.“

Hauptgegner der AfD: die CDU

Den Hauptgegner für die letzten beiden verbliebenen Wochen des Wahlkampfs hat die AfD aber in der CDU ausgemacht. Vaterlandslose Gesellen nannte Markus Frohnmaier ihre Mitglieder. Sie raubkopiere die AfD, resümierte Chrupalla.

Friedrich Merz (Buh-Rufe bei der Nennung seines Namens im Publikum) sei der Joe Biden Deutschlands. „Er schließt jede Koalition und Zusammenarbeit mit der AfD aus, mal sehen, wie lange er sich daran noch erinnern wird.“ Als kriegsbesoffen und kriegsverliebt bezeichnete Chrupalla den CDU-Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter (erneut Buh-Rufe) und die FDP-Frau Marie-Agnes Strack-Zimmermann (noch mehr Buh-Rufe). Und als selbsternannte Friedenspartei kann man dann sogar auf einen leicht abwandelten Liedtext von Reinhard Mey zurückgreifen. „Wenn diese Leute Krieg mit Russland wollen, dann muss man ihnen sagen: Schickt Eure eigenen Kinder, aber meine bekommt ihr nicht“, wetterte Frohnmaier.

Bürger im Angstzustand?

Die AfD sieht sich selbst nicht nur als Friedenspartei und einzig echte Opposition, sondern auch als einzige Verfechterin der Freiheit. Genauer der Redefreiheit. Wenn man Markus Frohnmaier glaubt, traut sich kaum mehr jemand in Deutschland (78 Prozent) offen seine Meinung zu sagen. Aus Angst vor Konsequenzen traue man sich nicht mehr frei zu sagen, was man denke. Aber welche Konsequenzen sollen das sein? Die Antwort war nicht sehr schwer zu erraten. Der Grund für den permanenten Angstzustand der Bürger im Land ist laut der AfD, dass man befürchte, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck würde morgens um sechs die Polizei bei einem anklopfen und die Wohnung („sogar das Kinderzimmer“) durchsuchen lassen.

Martin Hess, Mitglied des Bundestages und ehemaliger Polizeihauptkommissar, ging noch weiter auf die Sicherheit bzw. Unsicherheit im Land ein. Die Zahl der Gewaltdelikte sei auf einem historischen Höchststand. Ob sich diese Behauptungen mit einer offiziellen Polizeistatistik deckt, ist im Grunde egal. „Wir wollen unser sicheres Deutschland wieder zurück“, so die natürlich nicht unberechtigte Forderung. Wann genau das Leben hierzulande aber so absolut sicher und sorgenfrei war, blieb erneut offen. Nicht jedoch, wie der angestrebte Zustand wieder erreicht werden kann. Wenn man der AfD glaubt, müssen nur die Grenzen geschlossen und unliebsame Migranten abgeschoben werden. Das Thema Remigration, wie es in den Medien dargestellt werde, sei jedoch eine Lügenkampagne, so Hess. Denn wer legal einreist, mit ehrlicher Arbeit sein Geld verdient und die deutschen Werte teilt, sei immer willkommen.

Und dann klassische Musik

Deutsche Werte, was auch immer damit gemeint ist, und die deutsche Kultur wurden mehrfach von den Rednern beschworen, und so wurden die Wortbeiträge am Sonntag irgendwie folgerichtig mit klassischer Musik umrahmt. Etwa mit Felix Mendelssohns Cellosonate in d-Moll oder Chopins Polonaise brillante in C-Dur. Die Beiträge sollen daran erinnern, wie „wichtig unsere Werte, unsere westlichen Werte sind“, teilte die Moderatorin Diana Zimmer dem Publikum mit. Und wie wichtig es sei, „unsere Kultur zu schützen und zu bewahren“. Es war dennoch ein harter Bruch, wenn die Frau an den Flügel und der AfD-Bundestagsabgeordnete Matthias Moosdorf ans Cello traten. Gerade hatte man ja noch die Politiker bejubelt, als hätte Patrick Mainka auf dem Schlossberg ein Tor geschossen. Die Irritation im Publikum hielt jedoch nicht lange an. Denn wenn es um „unsere Werte und Kultur“ geht, bleibt man als AfD-Mitglied keinen Applaus schuldig.

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