.„Wir legen direkt los, oder?“, fragte Bestseller-Autor Jan Weiler anstelle einer langatmigen Begrüßung. Bei den rund 140 Zuhörern im annähernd ausverkauften Margarete-Hannsmann-Saal der Stadtbibliothek traf er auf keinerlei Widerspruch – und legte direkt los. Gut 90 Minuten lang nahm Weiler sein Publikum mit in die Gedankenwelt seines Protagonisten „Munk“, der im gleichnamigen Roman nach einem frühen Herzinfarkt zu ergründen versucht, weshalb sein Herz ihm den Dienst versagen wollte.
Peter Munk ist 51 Jahre alt, erfolgreicher Architekt, gesund, sportlich, alles andere als ein Risiko-Patient. Dennoch erleidet er einen Herzinfarkt. In schönster Weise allegorisch auf einer Rolltreppe in einem Zürcher Kaufhaus, auf dem Weg von der zweiten in die dritte Etage. Der behandelnde Arzt rät ihm, den möglichen Ursachen nachzuspüren und die Chance zu sehen, die ihm die Erkrankung biete. Also entschließt sich Munk zu einer Luxus-Reha im Schwarzwald, wo ihm der Therapeut Dr. Grenzmann die Aufgabe gibt, die wichtigsten Beziehungen seines Lebens aufzulisten und zu reflektieren. Und so rekapituliert er die dreizehn Beziehungen zu Frauen in seinem Leben und subsumiert ihren Einfluss darauf, wer und was er ist.
Rückblick auf mehr als drei Lebensjahrzehnte
Die Geschichte – oder besser: die Geschichten –, die Jan Weiler über Munk erzählt, beschränken sich jedoch nicht auf Herzschmerz der einen oder anderen Art. Der Roman umfasst etwa 34 Jahre im Leben Munks. Deutlich wird das unter anderem anhand des kleinen Ritts quer durch die Musikgeschichte, den Weiler mit spürbarer Freude in seine Erzählung integriert. Sogar eine Playlist auf Spotify gibt es, aufrufbar durch einen QR-Code im Buch, wie der Autor schmunzelnd berichtet. Prägende historische Ereignisse tangieren das Leben des Protagonisten mal mehr, mal weniger. Er kommt weit herum und trifft auf Menschen mit unterschiedlichstem sozialen, intellektuellen und biografischen Hintergrund. Auszüge aus vier der dreizehn Erinnerungen hat der Autor für die Lesung ausgewählt.
Zwischen den gelesenen Abschnitten fasst Jan Weiler frei zusammen, erläutert und ergänzt die Handlung. Der Autor spricht, wie er schreibt: schnörkellos, pointiert und doch so bildhaft und voller Wortwitz, dass selbst scheinbar Alltägliches einen regelrechten Sog entwickelt, dem man sich nur schwer entziehen kann. Und es auch gar nicht will. Auch das wohl unvermeidliche Klingeln eines Mobiltelefons mitten in der Lesung brachte ihn nicht aus der Fassung, routiniert las er weiter und ergänzte nonchalant eine Textstelle, um die Störung zur Pointe zu machen.
Liebesroman als Gesellschafts- und Generationenportrait
Jan Weiler schafft aus dem ständigen emotionalen Scheitern eines Mittelalten ein Werk, das Satire, Liebesroman und zugleich Gesellschafts- und Generationenportrait ist. Spannt dabei ganz beiläufig, wie er selbst erklärt, den Bogen von der analogen zur digitalen Zeit. Dabei portraitiert er seine Figuren mit liebevoll-distanziertem Blick und verleiht auch seinem „Munk“ die Fähigkeit, Mitgefühl, Bedauern und Verständnis zu empfinden. Zuletzt vielleicht sogar für sich selbst. Denn obwohl der Protagonist seinen Namen nach dem Kohlenmunk-Peter im Wilhelm Hauffs „Das kalte Herz“ erhielt, Jan Weilers Lieblingsmärchen als Kind, gibt ihm der Therapeut schließlich mit auf den Weg: „Sie können noch etwas für dieses Herz tun, Herr Munk, es ist ja nicht kalt.“
Mit diesem Gefühl gingen schließlich auch die Zuhörer aus der Stadtbibliothek, nicht jedoch ohne zuvor langanhaltend applaudiert zu haben. Und Jan Weiler bedankte sich mit der Möglichkeit, noch Bücher von ihm signieren zu lassen. „Sehr gerne auch fremde Bücher, wenn Sie welche dabeihaben.“
Debüt wurde zum Bestseller
Jan Weiler, Jahrgang 1967, besuchte die Deutsche Journalistenschule und arbeitete elf Jahre lang beim Süddeutsche Zeitung Magazin in unterschiedlichen Funktionen, fünf Jahre lang als Chefredakteur. Sein Debüt als Schriftsteller gab er 2003 mit „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“, das zum Bestseller und erfolgreich verfilmt wurde und mit „Antonio im Wunderland“ 2005 seine Fortsetzung fand. Wie nun auch „Munk“ fand sich sein letzter Roman „Der Markisenmann“ 2023 umgehend in den Bestsellerlisten wieder. Jan Weiler lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in München und Umbrien.