Baubranche

So schätzt Obermeisterin Ulrike Monz die aktuelle Lage im Landkreis Heidenheim ein

Auftragslage, Nachwuchs, Vorschriften: Das Baugewerbe hat gerade mit vielerlei Herausforderungen zu kämpfen. So sieht Ulrike C. Monz, Obermeisterin der Heidenheimer Bau-Innung, die Lage.

So schätzt Obermeisterin Ulrike Monz die aktuelle Lage im Landkreis Heidenheim ein

Während Beschaffungspreise, Hypothekenzinsen und bürokratischer Aufwand zuletzt deutlich zulegten, rauschten Baugenehmigungen und Konjunkturprognosen in den Keller. Wie wirken sich diese Rahmenbedingungen auf die Baubranche aus? Antworten darauf gibt im Interview Ulrike C. Monz, Obermeisterin der Heidenheimer Bau-Innung.

Frau Monz, man sagt uns Schwaben ja gerne nach, unser halbes Leben bestehe aus „schaffa, schaffa, Häusle baua“. Die Realität sieht momentan anders aus. Wie ist die Lage für die Baufirmen im Kreis Heidenheim?

Ulrike Monz: Das Bauhauptgewerk, für das ich hier spreche, befasst sich hauptsächlich mit Arbeiten im Hochbau wie auch im Tiefbau. Die Auslastung der Heidenheimer Baubetriebe ist für das Jahr 2023 durchaus auskömmlich. Dennoch befinden wir uns in einem starken Wandel mit verändertem Verhalten der Bauwilligen, also unserer Kunden. Wir spüren ein Nachlassen der Anfragen und vor allem eine starke Verunsicherung bei all denen, die Wohnraum erstellen wollen. 

Welche Gründe machen Sie für die Misere verantwortlich?

Die Rahmenbedingungen gestalten sich schwierig. Die Erhöhung der Preise, eine Steigerung der inflationären Entwicklung wie auch die Anhebung der Leitzinsen, dazu ein Angriffskrieg innerhalb Europas – das alles bremst das Wirtschaftswachstum und lässt das Bauen nicht nur teurer werden, sondern verunsichert die Baubranche und den Bauherrn enorm. Zudem haben wir mit den Anforderungen hinsichtlich des Klimawandels zu kämpfen, der das Bauen aufgrund der damit einhergehenden Klimaschutzgesetze und Forderungen zum Thema Energiewende nicht nur stark verkompliziert, sondern vor allem auch verteuert.

Das ist ein weiterer Punkt, der Bauwillige so verunsichert, dass bereits geplante Projekte zum Stillstand kommen, verschoben oder gestrichen werden. Die übertriebenen bürokratischen Regelungen beim Bauen, die Komplexität des Vergaberechts und auch die überregulierten Gesetzesbestimmungen machen die Rahmenbedingungen für Bauwillige nicht leichter. Im Gegenteil. Diese Schwerfälligkeiten bewirken leider oft das Gegenteil. Effizienz und Wirkung bleiben auf der Strecke.

Haben Sie noch mit Lieferengpässen zu kämpfen?

Lieferengpässe sind schon lange kein Problem mehr. Auch die Einkaufspreise haben sich stabilisiert und wieder auf Normalmaß eingependelt. Schwankungen blieben schon in den vergangenen Monaten aus, sodass man hier durchaus von einer Beruhigung des Materialbeschaffungsmarktes sprechen kann.

Wie viele Bauunternehmen gibt es heute im Landkreis Heidenheim?

Aktuell sind es 18 aktive Rohbauunternehmen, die zwischen fünf und 75 Mitarbeiter beschäftigen. Insgesamt haben die Fachfirmen, die in der Innung vertreten sind, ca. 400 Mitarbeiter. Wir Innungsbetriebe sind automatisch Mitglied bei unserem Verband der Bauwirtschaft Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart. Wir bilden selbst aus, und als Bauherr kann man sich sicher sein, dass man mit einem Innungsmitglied stets ein hoch qualifiziertes Bauunternehmen verpflichtet hat.

Wie viele Firmen waren es einmal? 

Vor der großen strukturellen Veränderung der Baubranche Anfang der 2000er-Jahre waren es 54 Baubetriebe.  

Drohen aktuell Insolvenzen?

Nein. Wir sind eine kampferprobte Branche und Höhen wie Tiefen gewohnt. Momentan sind wir trotz aller Herausforderungen gut und kräftig aufgestellt. Wir haben ausgezeichnetes und loyales Fachpersonal mit enger Verbundenheit zum Handwerk.

Wertschätzung dürfte das Zauberwort sein …

… genau das ist der Punkt. Das macht uns aus. Wir sind alle familien- und inhabergeführte Firmen und deshalb nah dran am täglichen Geschehen und an unseren Mitarbeitern.

Was muss passieren, damit sich die von Ihnen beschriebene Lage nachhaltig bessert?

Den Bauwilligen müssen Fördermittel zur Verfügung gestellt werden, die abrufbar sind und nicht innerhalb kürzester Zeit auslaufen oder in einer Nacht-und-Nebel-Aktion gestoppt werden, wie wir es erlebt haben. Die Politik ist hier gefordert, die zu geringe Zahl an Fördermöglichkeiten deutlich zu erhöhen. Die vorgenommene Aufstockung an Fördervolumen war zwar ein positives Zeichen, reicht jedoch bei weitem nicht aus, die enorme Nachfrage zu decken.

Auch wirken sich die starke Überregulierung und die lähmende Bürokratisierung negativ aus, die dringend einer Flexibilisierung bedarf. Wohnraum ist Lebensraum und Heimat und somit ein Grundbedürfnis von uns Menschen. Er darf aus meiner Sicht nicht hinterfragt werden.     

Auf wen kommt es bei den nötigen Veränderungen am meisten an?

Veränderungsprozesse gehen prinzipiell uns alle an. Wir Handwerksbetriebe sind gefordert, zum Thema Nachhaltigkeit und Reduzierung unseres CO2-Abdrucks entsprechende Anpassungsprozesse zu aktivieren. Auch unsere Zulieferer und die Bauindustrie investieren verstärkt in Forschung und Entwicklung, um alles daran zu setzen, den Klimazielen gerecht zu werden.

Es ist wichtig, aufzuzeigen, dass massiv erstellter Wohnraum beim Thema Nachhaltigkeit auf den Lebenszyklus eines Gebäudes gerechnet durchaus punkten kann, und dass eine offene Diskussion über die Klimaverträglichkeit von Baustoffen geführt werden muss.      

Aber ohne politische Antworten auf die vielen zentralen Fragen zum Thema Bauen in der Zukunft kann der Prozess nicht in der Form angestoßen werden, wie er momentan notwendig wäre. Man denke hier nur an die langwierige Diskussion um das „Heizen der Zukunft“.

Warum soll sich ein junger Mensch heutzutage für eine Ausbildung auf dem Bau entscheiden, wenn die Geschäfte doch schlecht laufen?

Das Arbeiten auf der Baustelle ist ein vielfältiges, abwechslungsreiches und teamorientiertes Miteinander unterschiedlichster Bereiche bis hin zur Verwendung von hochtechnologischen Maschinen und Materialien. Wer zudem Spaß an körperlicher Betätigung und Freude daran hat, mit den eigenen Händen etwas zu schaffen, ist goldrichtig bei uns.        

Gibt es überhaupt genügend Fachkräfte und Nachwuchs?

Ich bin da grundsätzlich sehr optimistisch. Gerade die Pandemie hat gezeigt, dass Berufe im Freien durchaus ihre Berechtigung haben und krisensicher sind. Die Innungen bieten mit ihren Fachbetrieben schon immer eine dreigliedrige duale Ausbildung, und aufgrund der sehr positiven Prüfungsabschlüsse in diesem Jahr feiern wir im September zusammen mit den Gesellen und Gesellinnen eine große Lossprechungsfeier. Gerade dieser festliche Rahmen soll unsere Anerkennung, aber auch unseren Stolz auf die jungen Menschen ausdrücken. Auch freuen wir uns, verstärkt weibliche Azubis in unseren Reihen zu haben.

Wie werben die Bauunternehmen um Nachwuchs?

Die Auszubildenden im Bauhauptgewerbe haben im Vergleich zu anderen Berufsgruppen immer schon hohe Ausbildungsbezüge. Selbst unser Mindestlohn liegt weit höher als der momentan vieldiskutierte Mindestlohn der Dienstleistungsunternehmen. Wir stellen zudem Ausbildungsbotschafter, die in Schulen unseren Beruf und das Handwerk vorstellen. 

Setzen die Betriebe auf die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland?

Selbstverständlich arbeiten wir mit Fachkräften aus anderen Ländern und anderen Kulturen. Allerdings nicht erst seit der Diskussion um Zuwanderung, sondern schon seit vielen Jahrzehnten, soweit ich mich erinnern kann. Das macht die Arbeit vielseitig und interessant und ist für uns am Bau schon immer praktizierte und selbstverständliche Integration. Dabei wird nicht nur Deutsch gelernt, sondern wir lernen die anderen Sprachen gleich mit.     

Gibt es Unternehmen, die Personal abbauen?

Davon ist mir innerhalb der Innung aktuell nichts bekannt.

Selbst falls die Konjunktur bald wieder anziehen sollte: Haben kleine Unternehmen noch eine Chance, sich gegen die gut ausgestatteten Großen der Branche zu behaupten?

Für mich stellt sich vielmehr die Frage, ob ein vermeintlich großes Unternehmen die Reparatur der verstopften Kanalisation im Garten zu reparieren bereit ist. Und ist es nicht so, dass die Wirtschaftsmacht von nebenan gerade vom Handwerk und den kleinen bis mittelgroßen Unternehmen bereitgestellt wird? Auch ist es gerade der Mittelstand, der Frauen verstärkt die Chance gibt, Beruf und Familie auf sinnvolle Weise zu vereinbaren. Nicht das Behaupten ist das Thema, vielmehr die Wertschätzung, die wir benötigen, um das Fachpersonal stärken und ausbilden zu können. Es schafft den Lebensraum, den wir brauchen. Und es saniert, repariert und modernisiert unseren Wohnraum, in dem wir bereits leben.      

Macht sich die Digitalisierung auch auf dem Bau bemerkbar?

Wir sind nicht nur auf der Baustelle verstärkt mit hochtechnologischen Maschinen und Geräten unterwegs. Digital vernetzt sind wir auch zwischen Büro und Baustelle, und bei der Bürotätigkeit macht sich papierloses Arbeiten breit. Aber klar, es sind nach wie vor auch die Hände und deren profihaftes Arbeiten gefragt. Köpfchen und körperliches Arbeiten – beides sind am Bau gefragte Kompetenzen.

Auf Bau reimt sich Frau. Zufall, oder ist die Baubranche wirklich keine Männerdomäne mehr?

Immer mehr Frauen interessieren sich für Handwerksberufe, auch bei uns im Bereich Hoch- und Tiefbau. Unser Betrieb hat in den vergangenen drei Jahren zwei Frauen zur Maurerin ausgebildet und damit nur positive Erfahrungen gemacht. Die Teamfähigkeit wird dadurch positiv gestärkt. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Mitarbeiterinnen den Handwerksberuf nicht selten als Startkapital für eine weitere berufliche Karriere am Bau nutzen und aufgrund der handwerklichen Erfahrung viele Vorteile im weiteren Berufsleben haben.

Mit Ihnen steht erstmals eine Frau an der Spitze der Heidenheimer Bau-Innung. Weshalb bürden Sie sich diese zusätzliche Belastung auf?

Nach fast einem Vierteljahrhundert als stellvertretende Obermeisterin und den dabei erworbenen Erfahrungen hielt ich es für eine Selbstverständlichkeit, die Wahl zur Obermeisterin anzunehmen. Auch ist es mir eine große Freude, dem Bauhauptgewerbe als Bauunternehmerin, dem Handwerk als stellvertretende Kreishandwerksmeisterin und nun als Obermeisterin der Heidenheimer Bau-Innung vorzustehen.

Zudem sind wir in der Heidenheimer Innung ein breit aufgestelltes Team, das die ehrenamtlichen Tätigkeiten und die dazugehörigen Aufgaben gemeinsam meistert. Letztendlich ist die Idee der Innung immer so erfolgreich, wie die Vorstandschaft und alle, die sich fürs Handwerk begeistern, sie mitgestalten.

Welche Aufgaben bringt das Amt mit sich?

Als Obermeisterin habe ich natürlich nicht nur repräsentative Aufgaben, sondern bin auch als Delegierte beim Verband der Bauwirtschaft Baden-Württemberg in Stuttgart vertreten. Kontakte sind hilfreich, um Forderungen, Ideen und Wünsche an die Politik und an die Verantwortlichen der Bauwirtschaft weiterzugeben. Für mich ist es außerdem ein Herzenswunsch, die Treffen mit der Bau-Innung Schwäbisch Gmünd und Aalen weiter zu intensivieren. Nicht nur, um den Austausch zu pflegen, sondern auch um Fachwissen auszutauschen und gezielt Symbiosen in einer sich verändernden Zeit zu entwickeln und zu nutzen.

Zur Person

Ulrike C. Monz hat Bauingenieurwesen und Betriebswirtschaft des Handwerks studiert. Zunächst war sie bauleitend im elterlichen Betrieb tätig und erlebte dabei Höhen und Tiefen der Baubranche. Mit einem Businessplan in der Tasche, 8000 Euro Starthilfe von der Arbeitsverwaltung und großer Entschlossenheit gründete sie als alleinerziehende Mutter zweier Kinder im Dezember 2004 ihr eigenes Unternehmen: die UC Monz GmbH & Co. KG in Mergelstetten. Mittlerweile sind dort 39 Beschäftigte tätig, darunter fünf Frauen und sieben Auszubildende. „Ich betrachte es als meine Verantwortung, jungen Menschen eine Chance für ihr Leben zu geben“, sagt die 55-Jährige.

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