Die Kräfteverhältnisse im Heidenheimer Gemeinderat haben sich mit der Kommunalwahl vom 9. Juni deutlich verschoben: Die Freien Wähler verdrängten die Grünen vom Platz an der Sonne und errangen die meisten Sitze. Während auch die CDU leicht zulegen konnte, ließen die anderen etablierten Parteien Federn. Neu im Gremium sind die AfD und die ÖDP. Das vorläufige amtliche Endergebnis lag erst am Montag gegen 17 Uhr vor. Grund laut Stadtverwaltung: technische Probleme. Aufgrund dieser verzögerte sich auch die Ermittlung des Kreistagswahlergebnisses durch das Landratsamt erheblich.
Wer sind die Wahlgewinner?
Schon die ersten Zwischenergebnisse, die am Montagvormittag auf die Leinwand im großen Sitzungssaal des Heidenheimer Rathauses projiziert wurden, nahmen das sich anschließend nurmehr in Nuancen verändernde Resultat vorweg: Gewinner der Wahl sind die Freien Wähler. Ihnen gelang es, die Zahl ihrer Mandate im Vergleich zur Kommunalwahl 2019 von sieben auf neun zu steigern und damit zur stärksten Kraft aufzusteigen.
Eine Verbesserung des Wahlergebnisses aus dem Jahr 2019 gelang auch der CDU. Hatte sie damals den Verlust von vier Sitzen auf nur noch sieben zu verdauen, verfügt sie jetzt über deren acht. Zufrieden auf das Wahlergebnis blickt auch die AfD. Nachdem sie vor fünf Jahren noch leer ausgegangen war, stellt sie jetzt zwei Stadträte. Die ÖDP errang aus dem Stand einen Sitz und wird in gleicher Stärke im neuen Gremium vertreten sein wie FDP und DKP. Letztere in Person von Reinhard Püschel, der seit etlichen Jahren landesweit der einzige Vertreter seiner Partei in einem Gemeinderat ist. Den inoffiziellen Titel des Stimmenkönigs trägt Fabien Rieck (Freie Wähler). Auf ihn entfielen 10.282 Stimmen.
Wer sind die Verlierer?
Das Ergebnis der Europawahl hatte aus Sicht der Grünen noch Schlimmeres befürchten lassen, doch auch der Verlust von zwei der zuvor acht Sitze ist ein harter Schlag. Etwas weniger heftig erwischte es die SPD. Sie kam ebenfalls auf sechs Mandate, nachdem die Wählerinnen und Wähler sie 2019 noch mit sieben ausgestattet hatten. Einzelkämpfer für die Linke ist fortan Norbert Fandrich, da Jutta Dorsch nicht mehr gewählt wurde.
Wurden Jugendliche gewählt?
Baden-Württemberg ist das erste Bundesland, in dem in diesem Jahr erstmal schon 16-Jährige bei einer Kommunalwahl kandidieren konnten. In Heidenheim gelang keiner bzw. keinem Jugendlichen bei der Premiere der Sprung in den Gemeinderat.
Wer sitzt im Gremium?
Der neue Heidenheimer Gemeinderat wächst um zwei auf 35 Mitglieder an, da sowohl die Grünen (Dr. Ulrich Schrade) als auch die SPD (Uwe Gobbers) einen Ausgleichssitz errangen. Er setzt sich aus 22 Männern und 13 Frauen zusammen. In der vergangenen Wahlperiode waren es 20 Männer und 13 Frauen gewesen. 25 der zuletzt amtierenden Stadträtinnen und Stadträte hatten wieder kandidiert, aber nur 20 von ihnen erhielten das Votum der Wähler. Somit prägen jetzt 15 neue Köpfe das Gesicht des Stadtparlaments.
Wie hoch war die Wahlbeteiligung?
Von 36.423 Wahlberechtigten gaben in Heidenheim 17.293 ihre Stimmen ab. Das entspricht einer Wahlbeteiligung von 47,47 Prozent. Zum Vergleich: 2019 waren es 46,8 Prozent gewesen, 2014 lediglich 38,4 Prozent.
Welche Auswirkungen sind zu erwarten?
Im Unterschied zur Bundes- oder Europapolitik orientieren sich Entscheidungen auf kommunaler Ebene meist stärker an sachbezogenen als an parteipolitischen Kriterien. Es ist davon auszugehen, dass das auch im Heidenheimer Gemeinderat weiterhin der Fall ist. Gleichwohl hängt der Fortbestand dieser Praxis maßgeblich davon ab, ob auch die neuen Ratsmitglieder gewillt und in der Lage sind, über Fraktions- bzw. Parteigrenzen hinweg Beschlüsse zu fassen. Inwieweit eine Zusammenarbeit mit den beiden AfD-Vertretern stattfindet, wird sich zeigen.
Wie blickt OB Michael Salomo auf das Ergebnis?
„Für die Freien Wähler ist das ein sehr gelungener Wahlsieg, das ist durchaus respektabel“, sagt Heidenheims Oberbürgermeister Michael Salomo. Seiner Meinung nach spiegelt sich der Bundestrend auch teils im Wahlergebnis des Gemeinderats wider. Ob sich die Tatsache, dass es künftig andere Machtverhältnisse im Gremium geben wird, auf die kommunalpolitische Arbeit auswirken wird, werde sich zeigen. „Freie Wähler, Grüne und SPD haben mich während meines Wahlkampfs unterstützt, deshalb werde ich sicherlich mit allen gut zusammenarbeiten können“, so der OB. Das betreffe aber auch alle Fraktionen, denn man wolle gemeinsam an der Verbesserung der Stadtgesellschaft und an den anstehenden Sachthemen arbeiten.
Was die Wahlgewinner sagen
Klare Gewinner der Gemeinderatswahl sind die Freien Wähler. „Ich bin überzeugt, das ist der Lohn für die vergangenen fünf Jahre, wir haben unser Bestes gegeben, um Heidenheim positiv zu entwickeln und uns einzubringen. Das wurde uns jetzt von den Wählern gedankt“, sagt Thomas Potzner, der ganz oben auf der Liste stand. „Wir sind völlig happy mit diesem Ergebnis, wir hatten mit einer Sitz-Gleichheit mit der CDU gerechnet und jetzt haben wir einen mehr.“ Die Zahl der Stimmen für die Freien Wähler sei „gigantisch, das zeigt, uns, dass wir unsere Politik so fortsetzen sollen“. Für die künftige Arbeit im Gemeinderat hofft Potzner, dass wieder mehr miteinander gesprochen wird und die Begehrlichkeiten einzelner Mitglieder und Parteien in den Hintergrund treten: „Wir sind gewählt, um uns für das Wohl der Stadt und nicht für Parteipolitik einzusetzen.“
CDU zwischen Freude und Enttäuschung
Die CDU hat im Gremium einen Platz hinzugewonnen und ist damit die zweitstärkste Kraft. „Eigentlich wollten wir ja stärkste Fraktion werden, aber wir konnten trotzdem gut hinzugewinnen“, so Dr. Andreas Brosinger, der für die CDU auf Listenplatz 1 kandidierte. „Für die SPD ist das Ergebnis natürlich eine Schlappe, ebenso für die Grünen.“ Er habe gehofft, dass sich der Landes- und Bundestrend für seine Partei auch auf die Kommunalwahl auswirkt, „aber ganz kam das hier nicht an“. Der Sieg der Freien Wähler könne vielleicht auch durch deren starke Kandidaten begründet werden, so Brosinger.
Wie die Grünen ihre Verluste betrachten
Zwei Sitze haben die Grünen im Gemeinderat eingebüßt. „Das ist schon traurig“, so die Listen-Erste Ann-Kathrin Kapp-Kleineidam. Prozentual gesehen habe man zwar fast fünf Punkte mehr als bei der Europawahl erhalten, aber das sei ein schwacher Trost. Jetzt gelte es in Heidenheim, sich weiterhin für klimatechnische Veränderungen einzusetzen und mit den anderen Parteien und Fraktionen gut zusammenzuarbeiten für das Wohl aller Menschen.
Was die SPD zum Ergebnis sagt
Auch die SPD musste Federn lassen, wie Tanja Weiße einräumt. „Wir haben einen Sitz verloren, das bedauern wir natürlich sehr. Aber im Bundestrend stehen wir prozentual gesehen noch ganz gut da, es hätte schlimmer kommen können.“ Weiße denkt nicht, dass sich durch die verschobenen Kräfte lokalpolitisch in Zukunft viel verändern wird.
Was die AfD zum Einzug sagt
Erstmals ist die AfD im Heidenheimer Gemeinderat mit zwei Stadträten vertreten. „Ich hatte eigentlich schon damit gerechnet, das war abzusehen“, so Bernd Malzahn (Listenplatz 1). Er wolle sich im Gemeinderat für mehr Tierwohl, für eine sozialere Politik und für mehr Gleichberechtigung aller Menschen in der Stadt einsetzen.
Was das Ergebnis aus Sicht der Linken bedeutet
Einen Sitz verloren hat die Linke, die künftig nur noch durch Norbert Fandrich vertreten sein wird: „Das ist natürlich sehr schade, auch weil die Grünen und die SPD Sitze verloren haben.“ In der Vergangenheit habe es eine Mehrheit links von Freien Wählern und CDU gegeben, da habe man etwas verändern können. „Ich befürchte, dass die Kommunalpolitik in Heidenheim jetzt einseitiger wird.“
Warum sich die FDP-Kandidatin freut
Für die FDP kann Klara Sanwald einen Platz im Stadtparlament: „Ich bin sehr stolz, dass das für mich als junge Frau geklappt hat.“ Für ihre Partei ist sie sehr zufrieden, „denn dass wir im Gemeinderat vertreten sind, ist nicht selbstverständlich“, so Sanwald. Ob sie, wie ihr Vorgänger, gemeinsam mit der CDU eine Fraktion bilden wird, sei noch offen. „Ich werde auf jeden Fall mit der CDU und den Freien Wählern reden, jetzt bin ich erstmal froh über die starke Mitte im Gemeinderat.“ Dr. Elsge Schrade, die einen Sitz für die ÖDP erringen konnte, war am Montag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Gleiches gilt für Reinhard Püschel, der einen Sitz für die DKP geholt hat.
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