Redaktionsbesuch bei der Heidenheimer Zeitung

So sieht für SPD-Landeschef Andreas Stoch der richtige Umgang mit der AfD aus

Ignorieren, kooperieren, argumentieren? Der SPD-Landesvorsitzende Andreas Stoch verfolgt eine klare Linie beim Umgang mit der AfD. So sieht sie aus.

So sieht für SPD-Landeschef Andreas Stoch der richtige Umgang mit der AfD aus

Knapp 20 Redaktionsbesuche in den vergangenen drei Wochen. Außerdem etliche Visiten bei Unternehmen und Organisationen im gesamten Südwesten. Für Andreas Stoch, den Vorsitzenden der SPD in Baden-Württemberg und Chef der Landtagsfraktion, gehört das schon lange zur parlamentarischen Sommerpause. „Es ist ein Stück weit Tradition“, sagt der 53-Jährige, „aber ich nutze diese Termine auch dazu, mich abseits der üblichen Pflichttermine auszutauschen, Informationen zu sammeln und daraus Ideen für meine Arbeit zu entwickeln.“ Das Spektrum reicht von lokalen Aufregern bis zu Themen, die bundesweit den politischen Betrieb dominieren.

Die HZ-Redaktion ist altbekanntes Terrain für ihn, schließlich wohnt Stoch in Heidenheim und weiß die Befindlichkeiten in Stadt und Kreis deshalb aus eigener Erfahrung einzuschätzen. Das gilt auch dafür, wie man von der Landeshauptstadt aus auf die östliche Alb blickt: Vorbei die Zeiten, in denen die Ansicht vorherrschte, hinter Göppingen fange Bayern an. Längst werde die Stärke der hiesigen Unternehmen wahrgenommen, sagt Stoch, ebenso der Fleiß der Menschen, den auch der FCH verkörpere: „Das Trikot schwitzt nicht von allein.“ Womit unbewusst der Bogen geschlagen ist zu einer Frage, die schon jetzt viele Menschen bewegt.

Steht auch im kommenden Winter genügend Energie zur Verfügung?

Stoch zeigt sich überzeugt, dass niemand zu befürchten habe, im Dunkeln oder in einer ungeheizten Wohnung zu sitzen. „Trotzdem müssen wir vorsichtig bleiben“, mahnt er mit Blick auf den Krieg in der Ukraine wie auch auf die Preisentwicklung und den Klimawandel einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien an. 2022 seien in Baden-Württemberg ganze neun Windräder neu gebaut worden – ebenso viele aber vom Netz gegangen. „Eine miserable Bilanz“, so Stoch. Auch bei der Photovoltaik sähe er gerne mehr Tempo.

Regenerativ erzeugter Strom sei schon längst nicht mehr eine Frage der Romantik, sondern der Wirtschaftspolitik: „Das ist heute ein wichtiger Standortfaktor für Firmen.“ Wie also Vorbehalten begegnen, die es auch beim Solarpark in Küpfendorf gegeben hat? Der Blickwinkel ändere sich oftmals mit der persönlichen Betroffenheit, entgegnet Stoch. Die grundsätzliche Zustimmung zur Energiewende könne ins Wanken geraten, wenn eine Anlage in Sichtweite des eigenen Hauses entsteht. Aufgabe der Politik sei es, in derartigen Veränderungsprozessen „ehrlich zu argumentieren und nicht über die Köpfe der Menschen hinweg zu entscheiden“. Das geschieht nicht immer, wie das lange Ringen um die Zukunft des Archäoparks zeigt.

Welche Gefühle hinterlässt das Aus für den Archäopark?

Eine Schande nennt Stoch den Umgang des Landes mit dem Archäopark bei Stetten. Was sich Stuttgart in dieser Hinsicht leiste, „geht auf keine Kuhhaut“. Dabei hätten die Stadt Niederstotzingen und viele Ehrenamtliche eine Pionierleistung vollbracht, „und genau so eine Initiative von unten will man doch haben“.

Nach Stochs Ansicht ist es eine originäre Aufgabe des Landes, Denkmäler zu schützen. Dass das in diesem Fall nicht geschieht, ärgert ihn besonders, „weil die Keltenkonzeption, die vor der Haustür des Ministerpräsidenten liegt, Millionen kostet“.

Was muss sich bei der Finanzierung von Kitas ändern?

Immer mehr Kommunen kündigen dieser Tage an, die Gebühren für die Kinderbetreuung erhöhen zu wollen. Für Stoch ist das ein Schritt in die falsche Richtung. Er fordert stattdessen gebührenfreie Kitas. In diesen werde die Basis gelegt für eine positive Bildungsbiografie, so seine Begründung, und deshalb dürfe die erste Einrichtung, in der Bildungsarbeit geleistet werde, nicht mit Kosten verbunden sein.

Den bislang von den Eltern getragenen Teil der Gebühren will er vom Land beglichen sehen. Dieses sei finanziell stark genug und verfüge über viel Potenzial, „es wird nur unter Wert regiert“.

Kann man mit dem jüngsten Kompromiss bei der Finanzierung des Klinikums zufrieden sein?

Der nächste Bauabschnitt am Heidenheimer Klinikum kostet 138,5 Millionen Euro. Davon bezahlt das Land 78 Millionen, der Landkreis übernimmt 60,5 Millionen. „Ich gratuliere Landrat Peter Polta zu diesem Verhandlungserfolg, auch wenn gut 60 Millionen Euro natürlich keine Peanuts sind“, sagt Stoch. Gleichzeitig merkt er an, das Land müsse die Investitionskostenförderung grundsätzlich erhöhen.

Hinsichtlich der Versorgungsfunktion sieht Stoch Heidenheim mit dem Klinikum gut aufgestellt. Weitere Investition sind aus seiner Warte ebenso richtig wie der Verbleib in kommunaler Trägerschaft, „denn ein solches Haus ist dazu da, Menschen wieder gesund zu machen, und nicht zur Gewinnmaximierung“. Mit Blick auf die für den Herbst zu erwartenden Details der Lauterbach-Reform geht er von einer guten wirtschaftlichen Zukunft des Klinikums aus. Es zu schließen oder zu reformieren, stellt für ihn keine Option dar.

Kommt Zeit, kommt Brenzbahn-Ausbau?

Rechnet Andreas Stoch damit, den abschnittsweisen zweigleisigen Ausbau der Brenzbahn und ihre Elektrifizierung noch vor seinem Ruhestand zu erleben? „Ich habe nicht vor, wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann als 75-Jähriger noch im Amt zu sein“, sagt Stoch und schmunzelt vielsagend. Heißt: Er würde kein Papier unterschreiben, in dem als Datum für die Fertigstellung das Jahr 2035 steht.

Zu viel Zeit ist verstrichen, seit Verkehrsminister Winfried Hermann Stoch vor rund zehn Jahren zusicherte, das Land werde die Hälfte der damals im Raum stehenden 26 Millionen Euro übernehmen. „Anschließend sind die Zahlen aufgegangen wie ein Hefeteig, ohne dass irgendetwas gebaut worden wäre“, sagt Stoch und verweist auf einen Mix aus Überraschungen und Frustrationserlebnissen.

Die Kapazitäten, Geflüchtete und Asylbewerber aufzunehmen, sind zunehmend ausgereizt. Was ist zu tun?

Schon kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs sprach Stoch bei einer Kundgebung auf dem Heidenheimer Rathausplatz von einer humanitären Tragödie, die sich niemand ausgesucht habe. Er sagte voraus, die zu spürende Solidarität werde vielleicht mehrere Jahre lang nötig sein. Heute erwartet er, dass nicht alle Menschen in ihre Heimat zurückkehren, weil sie dort keine Perspektive haben. Möglicherweise kämen stattdessen weitere hierher, die aktuell im Krieg kämpften.

Stoch mahnt deshalb an, gemäß dem von Innenministerin Nancy Faeser angestoßenen Mechanismus auf eine gerechte Verteilung der Menschen auf alle Staaten im gemeinsamen Haus Europa zu dringen. Mit Blick auf den Fachkräftemangel in Deutschland sei es erforderlich, Sprachkurse als Zugangsvoraussetzung zum Arbeitsmarkt zu forcieren, im Ausland erworbene Berufsabschlüsse schneller anzuerkennen und verstärkt in den sozialen Wohnungsbau zu investieren. Wichtig sei der Hinweis darauf, dass der Mangel an bezahlbarem Wohnraum zwar im Zuge der verstärkten Zuwanderung besonders augenfällig geworden sei, aber schon zuvor bestanden habe.

Welche Regeln gelten für den Umgang mit der AfD?

Ignorieren, kooperieren, argumentieren? Wie soll sich die SPD gegenüber der AfD verhalten? Stoch hat eine klare Maxime ausgegeben: „Keinerlei Zusammenarbeit angesichts des menschenfeindlichen und beleidigenden Umgangstons dieser Partei, die davon lebt, alles schlechtzureden.“ Als Richtschnur gelte, nichts zu tun, was der AfD den Anschein der Normalität geben könnte.

Reines Nichtbeachten hält Stoch für ein ebenso ungeeignetes Konzept wie die Versuchung, über jedes dargebotene Stöckchen zu springen. Seine Devise lautet stattdessen: eigene Themen setzen, situativ das Richtige tun und Falschbehauptungen entlarven. Extremisten setze man am besten gute Politik entgegen: „Ihre Werte sinken in dem Maße, in dem man selber das Vertrauen der Bürger gewinnt.“ Einen weiteren wichtigen Faktor sieht Stoch im Umgang der demokratischen Parteien untereinander: Unversöhnlichkeit im Ton bringe niemanden weiter.

Zur Person

Andreas Stoch zog 2009 in den Stuttgarter Landtag ein, zwei Jahre später wurde er Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion. 2013 folgte die Ernennung zum Minister für Kultus, Jugend und Sport in der damaligen grün-roten Regierung. Seit 2016 steht der 53-Jährige an der Spitze der SPD-Fraktion, Vorsitzender der SPD in Baden-Württemberg ist er seit 2018. Stoch ist auch Mitglied im Heidenheimer Kreistag.

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