Deutsch verstehen und sprechen zu können, ist von immenser Bedeutung, wenn es um Integration geht. Das gilt besonders für Kinder. Bislang ist die Sprachförderung allerdings eine freiwillige Aufgabe. Das Kultusministerium hat zwar angekündigt, sie für das letzte Kindergartenjahr bei nachgewiesenem Bedarf verbindlich zu machen. Details zur Umsetzung und Finanzierung sind aber noch offen. Die Stadt tritt deshalb in Vorleistung, indem sie das „Heidenheimer Modell“ qualitativ aufwertet.
Die Notwendigkeit einer gezielten Sprachförderung in den Heidenheimer Kitas macht David Mittner, im Rathaus Leiter des Geschäftsbereichs Kinder, Jugend und Familie, anhand von zwei Zahlen deutlich: 62 Prozent der Kinder haben Eltern ausländischer Herkunft, und in der Hälfte der Haushalte wird kein Deutsch gesprochen. Das schließt viele geflüchtete Familien ein.
Sprachförderung in zahlreichen Kleingruppen
Gleichzeitig gibt es umfangreiche Anstrengungen, an dieser Situation etwas grundlegend zu ändern. In den städtischen Kindertageseinrichtungen bieten derzeit acht qualifizierte Kräfte für 31 Kleingruppen jeweils 120 Stunden Sprachförderung pro Jahr an. Gleiches leisten vier Kräfte für 21 Gruppen in kirchlichen Einrichtungen. Insgesamt werden so 330 Kinder erreicht. Hinzu kommt das Angebot „Singen, bewegen, sprechen“ der Musikschule. In Kitas der genannten Träger werden damit aktuell 225 Kinder in 25 Gruppen angesprochen. Jede Gruppe erhält 36 Förderstunden jährlich.
Mittner zufolge kostet die Sprachförderung in den städtischen Kitas 195.000 Euro pro Jahr. Abzüglich der Förderung durch das Land hat die Stadt davon 116.000 Euro zu tragen. Vor fünf Jahren wurde eine Viertel-Personalstelle für die Fortbildung und Begleitung von Sprachförderkräften eingerichtet. Seit Anfang 2020 nehmen zwei städtische Erzieherinnen diese Aufgabe wahr. An dieser Praxis trotz der mit Blick auf die Landeszuweisungen mittlerweile unabdingbaren Weiterbildungen festzuhalten, erachtet Christina Kraus von der Stadtverwaltung als erforderlich. Sie diene gerade angesichts des hohen Migrationsanteils in Heidenheim der qualitativen Sicherung der Sprachförderung.
Sprachkurse auch für Eltern
Auch den bewährten Bausteinen des „Heidenheimer Modells“ misst Kraus weiterhin große Bedeutung bei. Dazu gehören Vorlesepatenschaften ebenso wie Elternsprachkurse. Letztere sind auch Bestandteil der „Rucksack-Kita“, eines der drei Pilotprojekte, mit denen die Stadt auf die ausstehenden Detailregelungen des Landes zur Sprachförderung reagiert.
Zugewanderte Mütter oder Väter sollen mit den Eltern Alltagsthemen besprechen, die diese dann gemeinsam mit ihren Kindern zu Hause in der Muttersprache behandeln, während sie in der Kita auf Deutsch erörtert werden.
Bonusmodell als Anreiz
Ein weiteres Element ist das sogenannte Bonusprogramm. Da es Mittner zufolge schwierig ist, Eltern aus bildungsfernen Schichten und solche mit Migrationshintergrund für die Teilnahme an fachpädagogischen Vorträgen zu motivieren, soll ihnen ein Anreiz geboten werden: Drei Vorträge – davon einer online – werden mit der Möglichkeit honoriert, etwas zu gewinnen.
Und schließlich ist im städtischen Kinderhaus Damaschkestraße für das Kindergartenjahr 2024/2025 ein Pilotprojekt zur alltagsintegrierten Sprachförderung nach einer Vorlage des Kultusministeriums vorgesehen. Nach einem Jahr soll bewertet werden, ob die formulierten Ziele erreicht wurden.
Ausschuss stimmt Plänen des Rathauses zu
Die Mitglieder des Ausschusses für Kultur, Soziales, Schule und Sport stimmten dem Vorschlag der Stadtverwaltung, die genannten Maßnahmen umzusetzen, geschlossen zu, und damit auch der Einschätzung von Oberbürgermeister Michael Salomo, Sprache sei „der Schlüssel des Zugangs zur Gesellschaft“.
Elisabeth Kömm-Häfner (Grüne) hob lobend hervor, „dass die jeweilige Muttersprache nicht mehr verpönt ist, sondern wertgeschätzt wird“. Wer eine Sprache gut beherrsche, lerne auch eine weitere besser. Für die Finanzierung stehen unter anderem Mittel der Aktion Schneeflocke zur Verfügung.
Das „Heidenheimer Modell“
Nachdem es vor Ort bereits gut zwei Jahrzehnte lang die Sprachförderung nach dem „Denkendorfer Modell“ gegeben hatte, beschloss der Gemeinderat 2005 das „Heidenheimer Modell“. Es sollte den Ansatz, Kindern im Kindergartenalter zu einem besseren Verstehen der deutschen Sprache zu verhelfen, ausbauen und bis in die Grundschulzeit ausweiten. Das kostenlose Angebot, das schnell bundesweit als beispielhaft anerkannt wurde, zielte von Anfang an ausdrücklich nicht nur auf Kinder aus Familien ab, in denen Deutsch nicht die Muttersprache ist.