Böllern

So verläuft Silvester für Hund und Katze stressfrei – Heidenheimer Tierärztin Stephanie Grath gibt Tipps

Die einen feiern, die anderen leiden: Viele Haustiere haben an Silvester große Angst. Was kann man dagegen unternehmen? Und wie geht es den Wildtieren und den Hunden und Katzen im Heidenheimer Tierheim, wenn es knallt?

Wenn es an Silvester kracht und knallt, ist es für viele Menschen ein Spektakel. Für Tiere kann es allerdings eine Qual bedeuten. Insbesondere für geräuschsensible Hunde und ihre Besitzer wird dieser Tag dann zur Zitterpartie. Manche erschrecken sich so sehr, dass sie Reißaus nehmen. Beim Haustierregister Tasso sind am Jahreswechsel von 2022 auf 2023 667 Hunde als vermisst gemeldet worden. Andere laufen winselnd und ruhelos in der Wohnung hin und her oder verstecken sich panisch in der hintersten Ecke. Letzteres gilt auch für viele Katzen.

Der Grund, warum Hund und Katze ängstlich auf die Knallerei reagieren, liegt auf der Hand: Sie sind nicht nur lichtempfindlicher als Menschen, sondern hören und riechen auch sehr viel mehr. Diese Reizüberflutung an Silvester löst letztlich bei so manchem Vierbeiner Panik aus. Laut einer Studie der Welttierschutzgesellschaft gaben 88 Prozent der befragten Tierhalter an, dass sich Silvesterlärm negativ auf ihre Vierbeiner auswirkt.

Die Heidenheimer Tierärztin Stephanie Grath. Christian Thumm/Archiv

Wie kann man für etwas Entspannung sorgen? Die Heidenheimer Tierärztin Stephanie Grath ist auf Verhaltenstherapie spezialisiert. Sie hat einen Notfallplan für Hunde und Katzen an Silvester zusammengestellt:

- Fenster und Türen verschließen und/oder Vorhänge zuziehen

- Als Mensch Ruhe ausstrahlen, damit diese Stimmung auf das Tier übergeht

- Vertraute Geräusche – etwa den Fernseher – etwas lauter stellen als sonst

- Das Tier an bevorzugten Stellen massieren

- Das Tier zum Spielen animieren

„Das Kurzfristigste, aber manchmal Beste ist es, den Hund einfach ins Auto einzuladen und auf die Autobahn zu fahren“, so Grath. „Die meisten Hunde kennen das und werden während dieser Routine oft ruhiger.“

Aber auch für die Tagesgestaltung hat Stephanie Grath einige Tipps. „Mit Hunden sollte man möglichst morgens oder frühnachmittags einen ausgedehnten Spaziergang machen, um abends nur noch das Nötigste im Freien erledigen zu müssen.“ Bei wirklich schreckhaften Hunden sollte man besser eine Leine am Halsband und eine weitere am Geschirr befestigen. „Manche schaffen es, wenn sie in Panik geraten, aus dem Halsband zu schlüpfen oder die Leine durchzubeißen.“

Sie gehören mit zu den wichtigsten beruhigenden Dingen im Leben Ihres Tieres.

Stephanie Grath, Tierärztin

Außerdem sollte man ängstliche Hunde an Silvester auch in der Wohnung niemals allein lassen, rät Grath. „Wenn Ihr Tier schlecht allein sein kann, können Sie das an Silvester erst recht nicht erwarten. Und Sie gehören mit zu den wichtigsten beruhigenden Dingen im Leben ihres Tieres.“ Gasthunde könne man einladen, aber nur wenn es echte Freunde sind, die selbst keine Angst haben.

Wie steht es um Eierlikör und Medikamente

Immer wieder hört man, dass Tierärzte am Silvesterabend raten, dem Hund eine Stunde vor der Ballerei einen Esslöffel Eierlikör zur Beruhigung geben sollte. Dazu Grath: „Dieser vermeintliche Geheimtipp ist kritisch zu sehen und weniger fundiert, als auf Erfahrungswerten von Tierhaltern basierend.“ Genau genommen sei Alkohol sogar giftig für Hunde. „Und sie reagieren empfindlicher darauf als Menschen und können ihn schlechter verstoffwechseln. Das heißt, dass sie schneller Vergiftungserscheinungen zeigen.“ Je nach Dosis könne auch ein dauerhafter Schaden entstehen.

Und wie ist es mit anderen Medikamenten? „Je nach Ausprägung der Symptome können naturheilkundliche Mittel oder schulmedizinische Angstlöser eingesetzt werden“, so die Tierärztin. „Aber es gibt kein Allgemein-Rezept, denn jedes Tier hat andere Ängste.“ Man sollte sich daher frühzeitig von einem Spezialisten beraten lassen. Was niemals eingesetzt werden sollte, ist Acepromazin, ein Neuroleptikum und Sedativum. Zu ihnen zählen etwa Sedalin oder Vetranquil. „Das bewirkt lediglich eine Lähmung“, erklärt Grath. „Die Angst bleibt, das Tier kann es nur nicht mehr zeigen. Zudem bewirkt es eine Geräuschempfindlichkeit.“

Unterschiedliche Ansichten zum Thema Trösten

Zum Thema Trösten, wenn der Vierbeiner Angst zeigt, gibt es laut Grath mittlerweile unterschiedliche Ansichten. „Der Versuch, dem ängstlichen Tier durch gutes Zureden oder Streicheln Trost zu spenden, verschlimmert manchmal das Problem und verstärkt ungewollte Verhaltensweisen.“ Andererseits könne Zuwendung in einer stressigen Situation dem Tier auch helfen, die schlimmen Momente zu überstehen. „Man muss das Tier beobachten“, sagt Grath. Sie gibt zwei Beispiele. „Wenn Ihr Tier durch einen Knall erschrickt und körperliche Nähe als etwas Angenehmes empfindet, dann sollte Sie diese auch anbieten. Aber wenn Ihr Tier an Silvester Angst hat und unter dem Sofa liegen möchte, dann sollten Sie es auf keinen Fall rausziehen und es an sich drücken. Das würde die Angst nicht lindern, sondern verstärken.“

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Katzen sollte man an Silvester am Vormittag den letzten Freigang ermöglichen. Und die Hauptfutterzeit sollte ebenfalls auf den Vormittag verlegt werden. „Am Abend kann man die Katze dann mit Dingen beschäftigen, die entspannen und schläfrig machen – etwa durch Suchspiele oder Denkaufgaben“, so Grath. „Außerdem brauchen sie Rückzugsmöglichkeiten und wenn nötig kann man sie während des Feuerwerks locker tragen, aber keinesfalls festhalten.“

Das Beste für die Tiere ist laut Stephanie Grath aber, lange vor Silvester etwas gegen die Angst des Vierbeiners zu unternehmen. So könne etwa ein Ruheraum etabliert werden. Und bei Tieren mit starker Angst kann laut Grath auch eine Verhaltenstherapie nötig sein.

So ist die Situation im Heidenheimer Tierheim

Nun schafft man es zu Hause leicht, den eigenen Hund zu beobachten, einzuschätzen und auf ihn einzuwirken. Aber wie verhält es sich im Tierheim? Der Leiter Stefan Hitzler: „Wir haben das Glück, dass wir ziemlich weit außerhalb der Stadt liegen. Anders als in anderen Tierheimen ist die Silvesternacht bei uns deshalb nicht das große Thema.“ Allerdings werde in dieser Nacht das Licht überall angelassen. Und es gibt einen weiteren wichtigen Grund, warum Hitzler in der Silvesternacht gut schlafen kann. „Eine unserer ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen wohnt im Tierheim. Es ist also immer jemand da, der eingreifen könnte, wenn es ein Problem gibt.“

Wie viel Stress macht den Wildtieren Silvester?

Ganz auf sich allein gestellt sind in der Silvesternacht natürlich die Wildtiere. Wie hoch schätzt Steinheims Revierförster Andreas Kühnhöfer ihren Stresslevel ein? „Ich glaube, der Stress ist für Hunde und Katzen schlimmer als für Tiere im Wald, weil meistens direkt im Ort geschossen wird und die Tiere dazu Abstand haben.“ Erschreckt werden die Tiere des Waldes aber sicherlich. „Und eine solche Störung kann im Winter, wenn die Tiere ihren Stoffwechsel herunterfahren, schon kritisch sein.“ Allerdings sei auch ein Langläufer oder ein Schneeschuhwanderer eine vergleichbare Störung für die Tiere.

Näher an der Knallerei dran als Fuchs und Reh sind allerdings Wildvögel. Laut dem Nabu zeigen Vögel panische Reaktionen auf das Feuerwerk, sie würden von ihren Schlafplätzen aufgescheucht und unter Umständen bis zu 14 Tage lang vertrieben. Wie weit und wie lange Vögel flüchten, kann Förster Kühnhöfer nicht sagen. „Großer Stress ist es für sie allemal, allerdings ist im Moment keine Brut- oder Reproduktionszeit. Sonst hätte es gravierende Auswirkungen auf den Nachwuchs.“ Kühnhöfer ist grundsätzlich kein Befürworter der Knallerei an Silvester. „Wenn am Ortsrand geballert wird, fühlt sich meist niemand dazu verpflichtet, die Hinterlassenschaften mitzunehmen“, sagt der Förster. „Der Müll liegt oft monatelang rum und wird mitunter auch von Füchsen oder Mardern verschleppt und gefressen.“ Zum Müll kommt noch der Pulverdampf. „Da wird in einer Nacht wahrscheinlich mehr Feinstaub rausgeblasen, als alle Kachelöfen sonst in einem Jahr verursachen.“