Azubis gesucht

So viele Stellen sind zum Ausbildungsstart im Landkreis Heidenheim unbesetzt

Betriebe im Landkreis Heidenheim tun sich immer schwerer, ihre Ausbildungsstellen zu besetzten. Claudia Prusik, Chefin der Agentur für Arbeit Aalen, wirbt bei der Bewerbersuche für einen Blick über den Tellerrand.

So viele Stellen sind zum Ausbildungsstart im Landkreis Heidenheim unbesetzt

Die Ausbildung bleibt ein wichtiger Baustein, um dem demografisch bedingten Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Doch was tun, wenn Betriebe Lehrstellen anbieten, dafür jedoch keine Bewerberinnen und Bewerber finden? Claudia Prusik, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Aalen, rät den Firmen, bei der Suche einen Blick über den Tellerrand zu werfen. „Die Firmen sollten überlegen, ob nicht auch junge Erwachsene oder Ältere auf eine Ausbildungsstelle passen könnten.“ Ebenso könnten auch Ungelernte innerhalb des Betriebs in Frage kommen. Wichtig sei, alles Potenzial bestmöglich auszuschöpfen.

Claudia Prusik, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Aalen Edith Fischer

An den Unternehmen in der Region liegt es jedenfalls nicht. Nach dem Corona-Einbruch haben die Firmen in Ostwürttemberg mittlerweile wieder fast so viele Ausbildungsstellen gemeldet wie 2019. Dennoch blieben zum Ausbildungsstart im September von den 4016 Stellen 862 unbesetzt, doppelt so viele wie im vorigen Jahr und damit ein neuer Rekord. Den Landkreis Heidenheim hat es dabei nicht so stark getroffen wie den Ostalbkreis. In Heidenheim blieben von den 1007 Stellen zum Ausbildungsstart 174 unbesetzt.

Pro Bewerber 1,2 Ausbildungsstellen

Schlecht für die Firmen, gut für die Jugendlichen: „Wir haben einem absoluten Bewerbermarkt“, so die Botschaft von Claudia Prusik. „Die Jugendlichen können es sich aussuchen, die Betriebe suchen händeringend.“ Auf einen Jugendlichen kommen rechnerisch 1,5 Ausbildungsstellen. Im Landkreis Heidenheim ist das Verhältnis mit 1,2 Stellen pro Bewerber zwar etwas schlechter, doch sind solche Schwankungen laut Prusik üblich.

Wir haben einem absoluten Bewerbermarkt.

Claudia Prusik

Ein positiver Aspekt: Nach der Zurückhaltung während der Coronajahre melden sich nun auch wieder mehr Jugendliche als Bewerber bei der Arbeitsagentur an. 833 waren es im Landkreis Heidenheim, ein Anstieg von 7,2 Prozent. Auffällig: 248 haben keinen aktuellen Schulabschluss. Das sind laut Prusik noch Nachwirkungen aus der Coronazeit, als Jugendliche nach der Schulzeit einfach zu Hause blieben.

Ohne Schulabschluss in die Ausbildung?

Die meisten der Bewerber haben einen mittleren Bildungsabschluss, doch auch von den 20 ohne Abschluss haben 13 eine Stelle gefunden. Dominik Maier, Fachbereichsleiter für Nachwuchswerbung von der Handwerkskammer (HWK) Ulm: „Schulnoten sind nicht mehr das allein entscheidende, sie können durch andere Faktoren wie Engagement und Pünktlichkeit ausgeglichen werden.“ Damit alle ihren Abschluss auch schaffen, gibt es Instrumente wie die assistierte Ausbildung, bei der Jugendliche in ihren Schwachstellen unterstützt werden. 

Dominik Maier, Handwerkskammer Ulm HWK Ulm

Damit kein Jugendlicher verloren geht, wird der Handvoll unversorgter Bewerber große Aufmerksamkeit geschenkt. In der Region waren es 24, davon im Landkreis Heidenheim 8. Dazu kommen noch die 130 Unentschlossenen, die zwar schon einen Alternativplan wie ein Berufsvorbereitungsjahr haben, aber eine Ausbildung antreten würden, falls sie die geeignete Stelle finden. Auch diesen würde man weiter Stellen anbieten.

Finden diese jetzt noch eine Stelle, ist ein Einstieg auch im laufenden Ausbildungsjahr möglich, versichern unisono die Vertreter der beiden Kammern. Die Betriebe seien flexibler geworden und stellten nach Abstimmung mit den Berufsschulen auch unterm Jahr ein, berichtet Maier.

Wohin zieht es die Bewerber?

Im Zuständigkeitsbereich der IHK Ostwürttemberg hat erstmals der gewerblich-technische Sektor den kaufmännischen Sektor überholt, berichtet Sirko Nell, Bereichsleiter Bildung bei der IHK. Industriemechaniker, Zerspanungsmechaniker, Mechatroniker und Fachinformatiker seien die beliebtesten gewerblichen Ausbildungsberufe. Im kaufmännischen Bereich sind es die Industriekaufleute, Kaufleute im Einzelhandel, Verkäuferinnen und Verkäufer. Auch der Bankensektor hat nach Jahren wieder den Sprung in die Top 5 geschafft.

Sirko Nell, IHK Ostwürttemberg IHK Ostwürttemberg

Die Zahl der neuen Ausbildungsverträge habe zwar noch nicht wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht, aber der Weg geht nach oben. Im Landkreis Heidenheim betrug der Zuwachs im IHK-Bereich in den vergangenen zwei Jahren 17 Prozent.

Klimaberufe liegen im Trend

In handwerklichen Berufen gab es im Landkreis Heidenheim 216 Neueintragungen und damit einen Zuwachs um 10,8 Prozent. HWK-Vertreter Maier berichtet von einem gestiegenen Anteil von Abiturienten unter den Lehrlingen, der bei 17,25 Prozent liege. Den Grund dafür sieht er in den technisch immer anspruchsvoller werdenden Berufen. Gerade Klimaberufe boomten. Dahingegen suche gerade die Baubranche noch nach Bewerbern. Da Eltern wichtig bei der Berufsentscheidung ihrer Kinder seien, sei die große Frage, wie man bei diesen die alten Klischees bezüglich Handwerksberufe aufbreche.

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Geflüchtete als Nachwuchs-Potenzial?

Gerade fünf Geflüchtete weist die Handwerkskammer Ulm unter allen 216 Auszubildenden im neuen Ausbildungsjahr im Landkreis Heidenheim aus. Ist das Potenzial nicht viel höher angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen in der Region? Nachdem in den Jahren 2015 und 2016 die Flüchtlingszahlen hoch waren, lag der Flüchtlingsanteil bei den Neueintragungen bei zehn Prozent, berichtete Maier. „Wer engagiert war und eine Ausbildung wollte, ist versorgt. Jetzt sind wir beim Thema Nachbetreuung.“

Der neue Flüchtlingszustrom hat sich bislang noch nicht auf dem Ausbildungsmarkt niedergeschlagen, berichtet Claudia Prusik. Die Geflüchteten aus der Ukraine seien nicht die klassische Zielgruppe, zumal viele den Wunsch hätten, wieder in die Heimat zurückzukehren. Nachdem der Krieg anhält, rechnet Prusik damit, nach Spracherwerb und Schulzeit auch hier das Potenzial für den Ausbildungsmarkt steigen wird.