Nach Vollendung des ersten Lebensjahrs haben Kinder einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. In Heidenheim wird diesem verlässlich Genüge getan. Als sich der Gemeinderat jetzt mit der Bedarfsplanung für die nächsten Jahre befasste, ging der Blick allerdings über die Stadtgrenzen hinaus. Streitthema: Wer bezahlt?
Im Privaten sind die Rollen klar verteilt: Wer bestellt, der begleicht die Rechnung. In der Politik gehen die Uhren mitunter anders. Nicht immer öffnet den Geldbeutel, wer zuständig ist. Hans-Peter Neff (SPD) ist das ein Dorn im Auge: „Eigentlich ist das Land für die Kinderbetreuung verantwortlich, und wir erhöhen in Heidenheim die Elternbeiträge innerhalb von zwei Jahren um 14 Prozent. Das gefällt uns nicht“, gab er seinem Ärger Ausdruck und fügte hinzu: „Der Kindergartenbesuch sollte kostenfrei sein.“
Fabian Rieck beklagt Doppelbelastung von Familien
Fabian Rieck (Freie Wähler) wählte ebenfalls markige Worte und beschrieb ein aus seiner Sicht ärgerliches Dilemma: Berlin sei größter Nettoempfänger im Rahmen des Länderfinanzausgleichs und biete kostenlose Kindergärten an. Baden-Württemberg seinerseits zahle nach Bayern das meiste Geld in den großen Topf ein, „gleichzeitig verlangen wir hier vor Ort Gebühren und können es uns nicht leisten, sie abzuschaffen“. Seine Forderung: Einfluss auf die hiesigen Mandatsträger nehmen, denn das Land verfüge über das nötige Geld. „Wir dürfen es uns nicht gefallen lassen, dass unsere Familien doppelt belastet werden“, so Rieck.
Während Reinhard Püschel (DKP) entgegen der üblichen Praxis (siehe eigener Beitrag) vor einer Beitragserhöhung zunächst mit den Elternbeiräten sprechen wollte und schlussendlich als Einziger gegen die gesamte Beschlussvorlage stimmte, beließ es Elisabeth Kömm-Häfner (Grüne) bei dem Bekenntnis, ebenfalls für die geforderte Kostenfreiheit zu sein. Solange das Land nicht bezahle, werde sich allerdings nichts ändern.
Sie verwies darauf, dass einkommensschwache Familien die Möglichkeiten hätten, eine Kostenübernahme durch das Kreisjugendamt zu beantragen. Wer auf diesem Weg kein Geld bekomme, könne mit einem Förderpass der Stadt Heidenheim eine Ermäßigung erhalten.
Zahl der Kinder in Heidenheim zuletzt gesunken
Hintergrund der gesamten Diskussion: Erstmals seit Längerem ging im zurückliegenden Jahr die Zahl der bis zu sieben Jahre alten Kinder in Heidenheim zwar wieder zurück – um 121 auf 3274. Gleichwohl ist die Auslastung der derzeit 38 Kindertageseinrichtungen (davon jeweils elf in evangelischer bzw. katholischer, neun in städtischer und sieben in freier Trägerschaft) in Heidenheim unverändert hoch. Und David Mittner, Leiter des Geschäftsbereichs Kinder, Jugend und Familie, geht davon aus, dass der Bedarf in den kommenden Jahren wächst.
Grund ist vor allem die Ausweisung von Neubaugebieten wie etwa auf dem Schlossberg, auf den Reutenen, auf dem früheren Schlachthofgelände und auf dem Kleehof-Areal. Das Rathaus spricht von insgesamt rund 2000 zusätzlichen Wohneinheiten im gesamten Stadtgebiet.
215 neue Betreuungsplätze geplant
Hinzu kommen Unwägbarkeiten aufgrund der sich auf Deutschland auswirkenden politischen Großwetterlage. Beispiel: Seit 2011 kamen 711 Jungen und Mädchen ausländischer Herkunft nach Heidenheim. Ohne sie wäre die Zahl der Kinder nicht gestiegen, sondern um 15 Prozent zurückgegangen. Summa summarum, so rechnete Mittner vor, seien bis 2028 voraussichtlich 164 zusätzliche Kindergartenplätze (aktueller Stand: 1963) für Drei- bis Sechsjährige vonnöten, außerdem 51 Kleinkindplätze für bis zu Dreijährige (382).
Die Stadträtinnen und Stadträte votierten mit Ausnahme Püschels geschlossen für diesen Fahrplan. Gleichzeitig sprachen sie sich für zwei konkrete Schritte aus, die dazu beitragen sollen, die angestrebten Ziele zu erreichen. Zum einen werden aufgrund des per Umfrage ermittelten tatsächlichen Bedarfs 225 Ganztages-Kindergartenplätze in solche mit verlängerten Öffnungszeiten umgewandelt.
Personalschlüssel in den Kitas wird erhöht
Zum anderen dürfen die Träger der Kitas mit Blick auf den Fachkräftemangel ihren Mindestpersonalschlüssel um 6,6 Prozent erhöhen. Grund: Automatisch eingerechnet sind bislang Ausfallzeiten des Personals von acht Prozent. Der tatsächliche Wert liegt mit 14,6 Prozent aber deutlich höher.
Dr. Waltraud Bretzger (CDU/FDP-Fraktion) zollte der Verwaltung Anerkennung für den Betrieb der sogenannten Schwerpunkt-Kita im Kinderhaus Kapellenstraße. Diese Kleingruppe widmet sich der Inklusion von Kindern mit Behinderungen.
Beiträge steigen automatisch
Vor genau fünf Jahren, am 25. Juli 2017, hat der Heidenheimer Gemeinderat beschlossen, dass sich die Beiträge für alle Kindergärten und Kindertageseinrichtungen in der Stadt an den sogenannten Landesrichtwerten orientieren. Das sind gemeinsame Empfehlungen der Kirchen und der kommunalen Landesverbände in Baden-Württemberg. Aufgrund dieses Automatismus muss der Gemeinderat nicht mehr Jahr für Jahr neue Gebührensätze festlegen.
Beispielrechnung für die Betreuung unter Dreijähriger bei verlängerten Öffnungszeiten (30 Stunden pro Woche): Von September 2024 an steigt der Beitrag für das erste Kind einer Familie von 445 auf 479 Euro im Monat. Für das zweite Kind sind dann 356 Euro (bisher: 331) fällig, für das dritte 240 Euro (224), für jedes weitere Kind 95 Euro (89).