Leserbrief

Sollte Deutschland so mit seinen Erfindern und Tüftlern umgehen?

Sollte Deutschland so mit seinen Erfindern und Tüftlern umgehen?

Leserbrief zu den Verlagerungsplänen der „Carbonauten“ und zum Beitrag „Große Fabrik in China geplant“ (Ausgabe vom 25. August):

Als das Gebäudeenergiegesetz in die Öffentlichkeit geriet, hörte man allenthalben Jammern. Doch statt zu jammern wäre es besser gewesen, nach individuellen Lösungen zu suchen. Zu einer der Lösungen gehört die kommunale Wärmeplanung, die in Baden-Württemberg bis zum Jahresende stehen soll. Fragt sich nur, ob der kommunale Plan auch innovative Lösungen enthält, die nicht unbedingt auf dem Radar der Planer waren.

In der Region gibt es mindestens zwei Startups, die eine anwendungsreife Technologie anbieten, wie wir unsere Gebäude mit umweltfreundlicher Wärme alternativ zu den verschmähten Wärmepumpen versorgen können. Das eine sitzt in Dischingen, das andere in Giengen. Letzteres kann sich rühmen, sein Know-how mit einer großen Fabrik in China zur Anwendung zu bringen. Moment mal – in China? Ist das der Weg, wie Deutschland mit seinen Erfindern und Tüftlern umgehen sollte?

Um welche Technologie handelt es sich? Aus drei Tonnen holzhaltigem Material wie Hackschnitzel oder Baum- und Grünschnitt, wie er im Kompostwerk angeliefert wird, werden in einem Reaktor unter Sauerstoffabschluss eine Tonne Pflanzenkohle, Bio-Öle und Biogas (Schwachgas) erzeugt. Die Pflanzenkohle entzieht der Atmosphäre 3,3 Tonnen CO2. Für alle Erzeugnisse lassen sich Märkte aufbauen, wie zum Beispiel die Herstellung von Kunststoffen, Düngern oder Baustoffen. Je länger diese im Gebrauch sind und nicht etwa verbrannt werden, desto nachhaltiger bleibt die Atmosphäre von CO2 verschont.

Das Schwachgas kann zu Biogas aufbereitet und mittels Gasturbinen zu Wärme und Strom gewandelt werden. Die Wärme kann als Fernwärme genutzt werden. Im Unterschied zur landwirtschaftlichen Biogaserzeugung kann dieses Verfahren also dauerhaft CO2 aus der Atmosphäre holen. Im großen Stil angewandt, sorgt es für eine kontinuierliche CO2-Abnahme.

Viele glauben ja, dass die eingeleiteten Klimaschutzmaßnahmen nicht genügen werden, um der Menschheit ein gedeihliches Klima zu erhalten. Hier wäre also die Technologie zur Umkehrung des Teufelskreises. Was nützt uns dieses Verfahren in Heidenheim oder im Landkreis? Im Kompostwerk etwa können die genannten holzigen Materialien direkt zu Pflanzenkohle sowie Strom und Wärme verarbeitet werden. Im Mittelrain und überall, wo bisher Wärme mit großen Blockheizkraftwerken erzeugt wird, kann das fossile Gas ersetzt werden. Aber auch in Gewerbegebieten oder gar am Rande der Wohngebiete lassen sich auf diese Weise solcherart gespeiste Nahwärmenetze aufbauen.

Das Heidenheimer Wärmekonzept soll Aussagen machen, wo z.B. Abwärme dauerhaft für Nahwärmenetze genutzt, wo großtechnische Solarthermie eingesetzt und wo etwa Wasserstoffkraftwerke gebaut werden könnten. Eines ist aber sicher: Geothermie mittels Tiefenbohrungen scheidet im Wasserschutzgebiet aus, was praktisch den ganzen Landkreis umfasst. Ich bin jetzt schon gespannt, ob die beschriebene Carbon-Technik als Lösung im städtischen Konzept erscheinen wird oder ob die „weißen“ Gebiete überwiegen werden, wo also angeblich keine Nahwärmeversorgung möglich ist, sei es wegen des bewussten Verzichts auf die Minus-CO2-Technologie oder wegen Unkenntnis.

Ich denke, die Bürgerinnen und Bürger der Stadt wären dankbar, wenn sie nicht zu individuellen Lösungen greifen müssten, und noch dankbarer, wenn sie in ihrer unmittelbaren Umgebung zum Abbau des CO2 beitragen könnten.
Hans-Martin Hartmann, Heidenheim