Mischpult? Ist out. Christian Vaidas Reich breitet sich vor ihm in Form von drei großen Bildschirmen aus. Darunter: ein fast drei Meter breiter Tisch. Darüber: ein 360-Grad-umfassendes Metallgerüst, an dem nicht weniger als elf Boxen und diverse Subwoofer befestigt sind. Der perfekte Sound, er ist seit jeher Christian Vaidas größtes Ziel. Und das bereits seit 25 Jahren. 1999 gründete Vaida in Heidenheim das Tonstudio Cvmusic. Dabei wollte er ursprünglich nur eine eigene CD aufnehmen.
Musikalisch war Christian Vaida schon immer, das lag und liegt auch heute noch in der Familie. Dementsprechend war er als junger Mensch in zahlreichen Bands unterwegs. „Eine eigene Platte aufzunehmen, war aber einfach zu teuer“, erzählt Vaida.
Doch der Blick hinter die Kulissen und das Interesse am Aufnahmeprozess an sich führte den Heidenheimer schließlich zu einem Tontechnik-Studium. Danach kam, was kommen musste: ein eigenes Tonstudio. Mit diesem gingen immer mehr Verpflichtungen einher und die eigene Musik muss Vaida inzwischen zumeist hinten anstellen. Und doch: „Ich habe hier einen superschönen, tollen Job.“
Christian Vaida: Low-End-Qualität ist immer besser geworden
Musikproduktion und -komposition, Industrie- und Imagefilme, Livevideos, Chor- und Orchesteraufnahme – die Bandbreite, die Vaida abdeckt, ist groß. „Jeder Tag bringt etwas Anderes mit sich. Am liebsten komponiere und produziere ich aber Musik. Auch wenn in diesem Bereich vielleicht nicht das große Geld zu holen ist“, findet Vaida. Von der Entwicklung der Musikbranche kann der Produzent ein Lied singen. Vieles hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert.
Ein Tonstudio in dieser Größe sei heutzutage etwa eine Seltenheit. Viele hätten Anfang der 2000er-Jahre dichtgemacht, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass zeitgleich erste bezahlbare Aufnahmegeräte entstanden sind. „Man darf nicht vergessen, dass High-End-Qualität heute noch genauso viel kostet wie früher. Allerdings ist Low-End-Qualität immer besser geworden.“ Jeder, der ein Smartphone besitzt, hat damit theoretisch ein kleines Musikstudio in der Hosentasche.
Von da an konnte jeder singen.
Christian Vaida über die Einführung der Musiksoftware Melodyne
Die traurige Konsequenz daraus: ein deutlicher Qualitätsverlust, wie Vaida findet – auch unter Musikern. Von rund 1000 produzierten Aufnahmen, die er zur Evaluierung an Musiker zurückschicke, bekomme Vaida lediglich von zweien überhaupt nachträgliche Änderungswünsche. „Objektiv hört man das vielleicht nicht, subjektiv schon.“
Als besonders einschneidende Neuerung innerhalb der Branche sieht Vaida die Einführung der Musiksoftware Melodyne im Jahr 2001. Durch sie wurde die automatische Tonhöhenkorrektur von Musikaufnahmen möglich – „von da an konnte jeder singen“, erklärt Vaida und lacht. Er sehe das keinesfalls als rein negative Entwicklung und doch würde Musik heutzutage seines Erachtens sehr steril und glattgebügelt klingen. „Für mich ist ein echter Musiker jemand, der live singen oder ein Instrument spielen kann. Gleichzeitig finde ich, dass Musik ‚basteln‘ auch eine Begabung ist.“
Mit Youtube und Spotify habe er enorm markante Einschnitte in der Musikbranche erlebt. Von Vorteil seien diese jedoch vor allem für Konsumenten, selten für Musiker. „Vor zirka zehn Jahren habe ich mir mal gedacht, dass es sich mit den großen technischen Neuerungen jetzt erledigt hat.“ Dabei scheint es gerade erst so richtig loszugehen. Insbesondere Künstliche Intelligenz wird laut Christian Vaida in den kommenden Jahren massive Auswirkungen auf die Branche haben.
Wie kann man da als Tonproduzent mithalten? Vielleicht, indem man sich spezialisiert. Vaida selbst hat sich bereits vor zehn Jahren einer Sparte verschrieben, die erst jetzt ihren großen Moment erlebt: 3-D-Audio. Die Technologie verspricht einen realistischen Rundumklang, ähnlich dem Höreindruck von Livemusik. „Seit Apple bei 3-D-Audio eingestiegen ist, ist die Nachfrage danach gestiegen. Ich war damit allen anderen mehrere Jahre voraus“, freut sich Vaida.
Christian Vaida ist seit 30 Jahren Chorleiter
Ein weiteres Steckenpferd Vaidas ist die Klassik. Rund 600 Chöre und Orchester hat der Musikproduzent über die Jahre hinweg aufgenommen, er selbst ist zudem seit 30 Jahren als Chorleiter tätig. „In klassische Musik bin ich hineingewachsen. Doch ich liebe auch Popmusik. Sie berührt mich emotional.“
Egal ob Klassik, Pop oder Hip-Hop: Die Klienten von Cvmusic stammen primär aus dem süddeutschen Raum, „seltsamerweise niemals aus Bayern“, sagt Vaida und lacht. Einen Hang zur Perfektion kann man dem Heidenheimer durchaus unterstellen. Hin und wieder müsse er Kunden davon überzeugen, dass es diese Perfektion auch wert ist. „Zum Teil mache ich das auch für mich selber. Klar könnte man auch immer nach Schema F vorgehen, ich fange aber gerne immer bei null an. Sonst wäre es schlichtweg zu langweilig.“
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