Die Wahl eines zweiten Stellvertreters eines Ortsvorstehers ist eigentlich kein Anlass für größere Differenzen zwischen den politischen Lagern eines Ortschaftsrates. Denn weder ist dieses Gremium ein allzu mächtiges Organ, noch gerät man als Vize des Vize des Ortsvorstehers allzu häufig in die Verlegenheit, diesen bei wichtigen Terminen vertreten zu müssen oder zu dürfen. Man könnte also sagen: So ein Amt ist ideal dazu geeignet, es dem in der Kommunalwahl unterlegenen Kontrahenten im Sinne eines gedeihlichen Miteinanders zu überlassen. Der politische Gewinn, den man aus so einem Verzicht zöge, könnte hier den Verlust an realer Macht übersteigen.
Konter aus der eigenen Fraktion
Und doch offenbarte sich in der konstituierenden Sitzung des neuen Ortschaftsrates Großkuchen bei der Besetzung eines Stellvertreterpostens genau der Spalt, der schon seit Längerem durch die Bürgerschaft wie auch durch den Ortschaftsrat geht. Denn als Linda Striebel von der Freien Wählervereinigung – die sich nur Minuten zuvor bei der Wahl der ersten Stellvertreterin des Ortsvorstehers mit sechs zu vier Stimmen gegen Vera Wolf von der Liste „Zukunft Großkuchen“ durchgesetzt hatte – nun eben diese Vera Wolf für das Amt der zweiten Stellvertreterin empfahl, wurde ihr Wahlvorschlag gekontert. Und das ausgerechnet aus ihrer eigenen Fraktion heraus.
Denn Thomas Launer – wiedergewählter Ortschaftsrat der Freien Wählervereinigung – schlug als Alternative zu Vera Wolf seinen Fraktionskollegen Tobias Hafner vor. Der dann auch tatsächlich mit sechs zu vier Stimmen gewählt wurde – auf Wunsch der Freien Wählervereinigung in geheimer Abstimmung. Zum Hintergrund: Die Kommunalwahl im Juni hatte ergeben, dass auf die Freie Wählervereinigung sechs Sitze im Ortschaftsrat entfallen und auf die Liste „Zukunft Großkuchen“ vier Sitze. Erstmals seit vier Legislaturperioden war zu dieser Kommunalwahl eine zweite Liste angetreten, eben die „Zukunft Großkuchen“.
Dass es diese Liste überhaupt gibt, geht im Wesentlichen auf Vera Wolf zurück, die bis letzten Monat im Heidenheimer Gemeinderat saß, den Wiedereinzug in dieses Gremium allerdings verpasste. Sie hatte bereits vor Monaten Tobias Hafner und Thomas Launer signalisiert, die Nachfolge von Josef Weber antreten zu wollen, von beiden aber eine Absage erhalten. Für sie war das Anlass, „Zukunft Großkuchen“ zu gründen, für die auch Bettina Schill kandidierte und gewählt wurde. Schill hatte bis zur Kommunalwahl noch für die Freie Wählervereinigung ihren Sitz im Ortschaftsrat.
„Dass man da jetzt seine Macht ausspielt, finde ich ein bisschen schade.“
Bettina Schill, Ortschaftsrätin
Schill war es dann auch, die als einzige in der Sitzung ihren Unmut über die soeben erfolgte Postenvergabe äußerte. Sie sei „sehr enttäuscht über den Wahlausgang“. Im Anschluss an die Sitzung sagte sie: „Wir sind gewählt, genauso wie die“ und ergänzte, dass man „Zukunft Großkuchen“ nicht einfach ignorieren könne, die vier gewonnenen Sitze seien schließlich Wählerwille, „dass man da jetzt seine Macht ausspielt, finde ich ein bisschen schade“. Ein Miteinander und Füreinander – wofür man schließlich immer werbe – fange im Ortschaftsrat an, „das vermisse ich ganz arg“, so Schill.
Von einer „Watsche“ sprach eine sichtlich enttäuschte Vera Wolf und wies darauf hin, dass die Wahl entgegen der Empfehlung der Stadt Heidenheim erfolgt sei. Diese habe empfohlen, die beiden Stellvertreterposten des Wahlergebnisses entsprechend zu verteilen. „Im Vorfeld habe ich versucht, Brücken zu bauen, bin auf Frau Striebel zugegangen“, so Wolf. Ihr Ziel sei es gewesen, genau das zu verhindern, was nun passiert sei. Denn, ergänzt sie: „Wir liegen ja nicht auseinander“. Was gemeinsame Ideen anbelange, liege man im Gegenteil sogar „dicht beieinander“.
„Unerfreuliche Aktionen“
Linda Striebel mochte sich direkt im Anschluss an die Sitzung nicht zu den Vorgängen äußern, sondern erbat sich, auf Fragen schriftlich antworten zu dürfen. Für sie sei ihr Vorschlag, Vera Wolf zur zweiten Stellvertreterin zu wählen, „vor allem eine Geste der Wertschätzung und des Respekts“ gewesen. Sie habe darin ein klares Zeichen gesehen, „dass uns viel an einer guten und konstruktiven Zusammenarbeit mit allen gewählten Ortschaftsräten und Ortschaftsrätinnen der Liste ‚Zukunft Großkuchen‘ liegt“. Ihr Vorschlag sei ein erster Schritt hin zu einer Überwindung der Spaltung „bei uns in der Gesamtortschaft“ und für ein „stärkeres Miteinander“ gewesen.
Man habe die Frage der Postenbesetzung im Vorfeld der Sitzung fraktionsintern natürlich besprochen, teilte Thomas Launer von der Freien Wählervereinigung auf Anfrage mit. „Bei der Frage nach dem Wahlvorschlag für den zweiten Stellvertreter gab es verschiedene Meinungen und daher keine Festlegung“, so Launer. Auf die Frage, was seine persönliche Motivation gewesen sei, den Wahlvorschlag seiner eigenen Fraktionskollegin mit einem Alternativvorschlag zu kontern, antwortete er: „Leider kam es seit dem Ergebnis der Kommunalwahl zu mehreren unerfreulichen Aktionen seitens Vera Wolf. Deswegen konnte ich mich Linda Striebels Vorschlag nicht anschließen“.
Ortsvorsteherin in spe
Linda Striebel soll – geht es nach den Plänen der Freien Wählervereinigung – in absehbarer Zeit Josef Weber als Ortsvorsteher ablösen, der vom Ortschaftsrat einstimmig wiedergewählt wurde. Weber wollte das Amt nach 25 Jahren jetzt eigentlich abgeben, erklärte sich aber bereit, Striebel sukzessive in dieser Tätigkeit „anzulernen“. Er gehe davon aus, dass diese Übergangsphase in spätestens zwei Jahren abgeschlossen sein könnte, so Weber.