Es ist der erste warme Frühlingssamstag im März. Die angenehmen Temperaturen locken die Menschen nach draußen. In der Fußgängerzone ist einer der Spots das Straßencafé vor dem umzäunten Elmar-Doch-Haus, das vom gegenüberliegenden Café Wohntraum angemietet und bewirtet wird. Weil die Plätze ausgehen, holen sich die Gäste Stühle von gegenüber und setzen sich in die Sonne. Auch der Knöpfleswäscherin-Brunnen wird belagert, die Menschen setzen sich auf die Poller oder nutzen diese als Ablage für ihre Getränke. Selbst zwischen den Pollern stehen am Ende Bänke des Cafés, es sieht aus, als gehöre der gesamte Brunnen zur Außenbewirtung.
Doch ganz so einfach ist das nicht mit der Nutzung von öffentlichem Raum. Cafébetreiberin Stefanie Hüper hat eine Genehmigung für die Nutzung einer Fläche von vier auf sechs Metern. Also weit weniger als das, was am Samstag durch das Café und dessen Gäste in Beschlag genommen wird.
Ein Post in den sozialen Medien und die Folgen
Die Quittung folgt prompt: Mitarbeitende des Ordnungsamtes der Stadt schalten sich ein und weisen auf die korrekte Bestuhlung hin. Gefordert wird auch, einen Durchgang zum Brunnen freizuhalten. Nach einem Gespräch mit dem Ordnungsamt am Montag äußert sich Stefanie Hüper in den sozialen Medien, beschreibt die Vorkommnisse aus ihrer Sicht und schreibt schließlich an die Adresse der Stadtverwaltung: „Meiner Meinung nach, wird immer danach geschaut, was nicht geht … Vielleicht wäre es mal an der Zeit, nach Möglichkeiten zu suchen, wie man etwas möglich machen kann, anstatt zu schauen, was man verbieten kann… In diesem Sinne: Ein Hoch auf die Belebung der Heidenheimer Innenstadt!“ Die Kommentare auf diesen Beitrag gehen fast alle in eine Richtung: Unverständnis für das Vorgehen der Stadt. Einige verabreden sich für den kommenden Samstag, sich am Brunnen zu treffen.
Heidenheims Oberbürgermeister Michael Salomo schaltet sich ein
Doch so schnell wie die Diskussion aufkocht, so schnell kann sie auch geklärt werden. Oberbürgermeister Michael Salomo schaltet sich ein, kommt vor Ort und versucht, die Wogen zu glätten: „Es war ein gutes Gespräch und wir haben einen gemeinsamen Weg gefunden“, freut sich Stefanie Hüper. Auch die Stadtverwaltung meldet sich zu Wort: „Die Belebung der Innenstadt ist ein emotionales Thema, denn nicht nur die Stadtverwaltung, sondern auch Bürgerinnen, Bürger und Gastronomiebetriebe arbeiten mit Herzblut daran“, heißt es in einem Beitrag unter einem Foto, das Michael Salomo und Claudia Dürr, Leitung, Recht, Ordnung und Sicherheit gemeinsam mit Stefanie Hüper und deren Mann am Tisch zeigt.
Wie sieht die Einigung nun aus? Stadt-Pressesprecher Stefan Bentele äußert sich dazu wie folgt: „Die Stadtverwaltung ist mit einer Bestuhlung entlang des Elmar-Doch-Hauses einverstanden, sofern Abstand zum Knöpfleswäscherin-Brunnen gehalten wird. Zwischen Brunnen und Wohntraum muss genug Platz bleiben für eine Rettungsgasse und damit Menschen im Rollstuhl oder mit Kinderwagen problemlos durchkommen.“ Doch es gibt auch Grenzen: „Was wir nicht akzeptieren können, ist, dass ein öffentlich zugängliches Heidenheimer Wahrzeichen – in diesem Fall die Knöpfleswäscherin – von Gewerbetreibenden vereinnahmt wird und damit gegenüber Besucherinnen und Besuchern des Wahrzeichens der Anschein entstehen könnte, ein Besuch des Brunnens ist mit einem Konsumzwang verbunden.“ Das habe die Stadt im Übrigen bereits so kommuniziert und das habe nach wie vor Gültigkeit.
Foodtruck oder Sommerdorf: weitere Ideen für die Innenstadt
Das Treffen mit dem Oberbürgermeister war nicht das erste. Schon Anfang des Jahres und vorige Woche war Stefanie Hüper mit Michael Salomo im Gespräch, um Vorschläge zu besprechen, wie die Fußgängerzone ihrer Meinung nach belebter werden könnte. „Ich will keinen Streit, sondern will mich positiv für die Belebung der Stadt einsetzen“, versichert Hüper. Die erste Idee war die, neben der Bestuhlung einen Foodtrailer aufzubauen, über den Kaffee, Eis oder Waffeln für die Laufkundschaft sowie auch die Gäste verkauft werden könnte. Doch dafür gab es eine Absage mit Hinweis auf die im Stadtrecht verankerte Regelung für Außenbewirtschaftungen, die laut Bentele so zu interpretieren ist: Diese Satzung werde so ausgelegt, dass außer zu bestimmten Veranstaltungen (Winterdorf, Weihnachtsmarkt, Internationales Straßenfest) keine einzelnen Foodtrucks, Imbissstände oder Ähnliches in der Innenstadt zugelassen werden. Der Hintergrund: Den ansässigen Gastronomen solle keine mobile Konkurrenz vorgesetzt werden, die ihre Produkte zu Zeiten mit hoher Besuchsfrequenz anbieten kann. „Mittel- und langfristig trägt das aus Sicht der Verwaltung nicht zu einer lebendigen Innenstadt bei, im Gegenteil“, so Bentele.
Doch in Stein gemeißelt ist diese Satzung nicht. Wie Bentele mitteilt, arbeitet die Verwaltung aktuell an einer Aktualisierung der Satzung, in der dann auch explizit eine Regelung für Verkaufsstände aufgenommen werden soll. Die Entscheidung treffe der Gemeinderat.
Rechtlich mache es keinen Unterschied, ob der Verkaufsstand von einem lokalen oder externen Gastronomiebetrieb angeboten werde, so Bentele und weiter: „Wird solch ein Stand einmal genehmigt, haben auch andere – lokal oder von außerhalb – grundsätzlich den Anspruch auf Gleichbehandlung.“ Bentele verweist auf Stimmen in der jüngsten Zeit aus den Reihen des Einzelhandels, die solche Verkaufsstände scharf kritisiert haben, weil sie sich vor Geschäften aufgebaut hatten und damit das dahinterliegende Geschäft verdeckten haben.
Die zweite Idee von Stefanie Hüper wäre es, als Pendant zum Winterdorf ein Frühlingsdorf zu schaffen im Bereich der Knöpfleswäscherin mit drei oder vier Ständen. „Ich wünsche mir, dass ein Ruck durch die Stadt geht“, sagt Hüper. Deshalb wolle sie Dinge ausprobieren, um den Stillstand aufzubrechen.
Doch auch diese Idee lässt sich nicht so einfach umsetzen. Stadtsprecher Bentele verweist ebenfalls auf die zwei Gespräche, an denen Oberbürgermeister Michael Salomo und mehrere Fachleute aus der Verwaltung beteiligt gewesen seien. Man habe mehrere Vorschläge unterbreitet, wie ein Verkaufsstand verwirklicht werden könne: Gemeinsam mit weiteren Verkaufsständen und damit als Sondermarkt auf dem Platz der früheren Bibliothek hinterm Elmar-Doch-Haus. Oder im Rahmen des Zukunftsfähige-Innenstadt-Programms des Bundes mit einem Angebot in den Georges-Levillain-Anlagen. Oder mittels eines Reisegewerbescheins am Naturtheater Heidenheim.
„Wie soll ich das umsetzen?“, sagt Stefanie Hüper und verweist auf logistische und personelle Fragen, wenn sie den Verkaufsstand abseits ihres Geschäftes betreiben soll. Zudem sei ihr Anliegen, die Fußgängerzone zu beleben. Dazu diene ein Markt in der zweiten Reihe oder an einem ganz anderen Ort in der Stadt nicht.
Wie aus dem Concept-Store ein Café wurde
Klein, aber fein startete Stefanie Hüper 2018 ihren „Wohntraum“ mit einem Laden in der Schwanengasse. Damals war noch kein Café dabei, sondern die Kundinnen und Kunden fanden dort einen Concept-Store mit trendigen Wohnideen, Accessoires und süßen Leckereien. Knapp drei Jahre später machte die Geschäftsfrau den Sprung in die Hauptstraße und damit in die erste Reihe, vergrößerte sich mit dem Einzug in das sogenannte Stiefel-Eckgebäude in der Fußgängerzone. Zum Ladengeschäft kam das Tagescafé. Seit vorigen Jahr wurde das Straßencafé auf die Fläche vor dem Elmar-Doch-Haus ausgedehnt.
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