Unter uns

Streiks im öffentlichen Dienst: Neid ist völlig unangebracht

Die Streiks im öffentlichen Dienst werden von manchen Menschen kritisch gesehen. Oft hat das mit Neid zu tun. Dabei wird vergessen, wie wichtig diese Berufsgruppen, die jetzt einen fairen Lohn fordern, für unsere Gesellschaft und einen funktionierenden Staat sind, findet Catrin Weykopf von der HZ-Redaktionsleitung.

Rote Fahnen, Stillstand: Es wird gestreikt in Deutschland. Mal wieder. Auch bei uns waren Gewerkschaftsmitglieder mehrerer Branchen diese Woche im Ausstand. Streiks wirken eben nicht, ohne Auswirkungen zu zeigen. Das ist ihr ureigener Sinn.

Dennoch habe ich wieder viele Meinungsbeiträge und Postings gelesen, die lauten: Die Streikenden, vor allem die im öffentlichen Dienst, würden die Bevölkerung in „Geiselhaft“ nehmen. Das ist ein heftiger Vorwurf. Wenn ein Tag Ausstand schon als „Geiselhaft“ angesehen wird, was wäre dann erst los, wenn ganze Berufsgruppen ihre Aufgaben dauerhaft nicht mehr erfüllen würden?

Weil nämlich keiner ihren Job mehr machen will. Weil er zu schlecht bezahlt wird und im Vertretungsfall keiner da ist. Gerade, wenn es um Lohnerhöhungen für den öffentlichen Dienst geht, erlebe ich oft einen völlig unberechtigten Neid. Beim öffentlichen Dienst denken nämlich fälschlicherweise viele Leute stereotyp nur an Behördenflure, auf denen sich wohlsituierte Aktenmenschen im Halbschlaf beim Kaffeeholen begegnen. Das hat mit den Leuten, die derzeit streiken, nichts zu tun.

Wir bezahlen den Lohn, aber auch den Preis

Die, die da diese Woche im Ausstand waren, sind Erzieher, Klinikpersonal, Mitarbeitende des Bauhofs oder der Straßenmeisterei. Das sind keine Bürokraten, sondern Macher. Sie stehen früh auf, sind jeden Tag draußen und leisten eine Arbeit, ohne die unser Gemeinwesen nicht funktionieren würde. Deswegen verdienen sie dafür einen angemessenen Lohn. Wir alle bezahlen diesen Lohn – ja, stimmt. Wir bezahlen aber auch den Preis, falls diese Menschen ihre Stellen aufgeben oder Stellen unbesetzt bleiben, wenn sie sich wegen Überlastung ständig krankmelden oder bocklos arbeiten, weil sie frustriert sind. Und wenn der Staat nicht mehr funktioniert, merkt man das auch an Wahlergebnissen für Populisten.

Den meisten der jetzt Streikenden dürfte man nachsagen können, dass sie ihren Job aus Überzeugung machen, denn reich wird man in diesen Berufsfeldern nicht. Wer aber für und beim Staat arbeitet, zumal in Kinderbetreuung, Gesundheit und für die öffentliche Ordnung, sollte davon seine Miete zahlen und vernünftig leben können. Das müssen wir uns leisten können, aber vor allem auch wollen. Ganz ohne Neid, stattdessen mit der Zuversicht, dass unser Land bei diesen Menschen in guten Händen ist.

Schönes Wochenende!