Drinnen geschlossene Gesellschaft, draußen diejenigen, denen der Zutritt von vornherein verwehrt worden war: Während die AFD am Sonntag im Konzerthaus weitestgehend unter sich blieb, protestierten vor der Tür Tausende gegen rechts außen im Allgemeinen und die in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei im Besonderen. Wobei die Wortbeiträge, Sprechchöre und sonstigen Willensbekundungen unmissverständlich erkennen ließen, dass die meisten ohnehin auf die Möglichkeit verzichtet hätten, dem AfD-Führungsduo Alice Weidel und Tino Chrupalla zuzuhören.
Dass in Heidenheim Menschen gegen Repräsentanten des äußersten rechten Rands des Parteienspektrums auf die Straße gehen, ist nichts Neues. Man denke nur an den Landesparteitag der AFD, der 2018 im Congress-Centrum stattfand. Gut 500 Menschen versammelten sich damals auf dem Schlossberg, um sich für Toleranz starkzumachen.
Im Jahr 1994 gab es Proteste gegen die Republikaner
Oder vor gut drei Jahrzehnten: Die Stadt galt damals als Hochburg der Republikaner, und ihr Bundesvorsitzender Franz Schönhuber machte das Konzerthaus mehrmals zu seiner Bühne. Auch 1994, kurz vor der Europawahl. Seinerzeit beschimpfte er die 300 pfeifenden Demonstranten als „Horde von Brüllaffen“. Dazu gehörte auch ein breites Gewerkschaftsbündnis, das in Zeitungsanzeigen dazu aufrief, den Republikanern keine Stimme zu geben.
Diesmal fiel der Protest im Vorfeld zwar weniger plakativ aus, schlussendlich lag die Teilnehmerzahl indes deutlich höher. Sven Vrancken, Sprecher des Ulmer Polizeipräsidiums, schätzt sie wie auch die Stadtverwaltung auf rund 4000. Die Veranstalter hatten 1800 Personen angemeldet, gingen angesichts des Andrangs aber rasch von doppelt so vielen aus. Auch wenn die später genannten Zahlen 6000 und sogar 10.000 zu optimistisch gewählt sein dürften, erlebte Heidenheim die mit Abstand größte Demonstration seit Langem.
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Die für einen Sonntagnachmittag ungewöhnliche Betriebsamkeit in der Innenstadt konzentrierte sich zunächst auf den Vorplatz des Bahnhofs. Von dort aus marschierte die vielköpfige Menge gegen 14.30 Uhr gemeinsam durch die Fußgängerzone zum Konzerthaus. Aufgrund einer von der Stadt erlassenen Allgemeinverfügung waren die Straßen im Umfeld aus Sicherheitsgründen für den Verkehr gesperrt worden.
In einem Teilbereich der Alfred-Bentz-Straße hatte das Bündnis gegen rechts eine Versammlungsfläche zugewiesen bekommen. Dort traf sich ein buntes Durch- und Miteinander, das einen Querschnitt durch weite Teile der Gesellschaft repräsentierte. Regenbogenfahnen bestimmten ebenso die Kulisse wie Plakate und Schilder mit ähnlich lautenden Aufschriften: „Gegen Nazis“, „Es ist 5 vor 1933“, „Kein Wunderland mit Alice“, „Zusammenhalt ist besser als Abgrenzung“.
Polizei mit großem Aufgebot vertreten
Als wenige Meter entfernt die Gäste der AFD-Kundgebung nach und nach das Konzerthaus betraten, skandierte die Menge erstmals „Alle zusammen gegen den Faschismus“. Der Ruf sollte im Verlauf der folgenden eineinhalb Stunden immer wieder zu vernehmen sein, während eine darüberhinausgehende Konfrontation zwischen den verschiedenen Lagern unterblieb, zumal die Polizei mit einem großen Aufgebot Präsenz zeigte, zu dem auch die Reiterstaffel zählte. Laut Sven Vrancken war eine mittlere dreistellige Zahl von Einsatzkräften vor Ort.
Das Konzept, auf eine klare räumliche Trennung zu setzen, ging offenkundig auf. „Alles ist alles friedlich geblieben, und es gab keine Zwischenfälle“, zog Vrancken nach der Kundgebung eine erste Bilanz. Claudia Dürr, Leiterin des Geschäftsbereichs Recht, Ordnung und Sicherheit, teilte als Vertreterin der Versammlungsbehörde diese Einschätzung: „Das Vorgehen war genau richtig, und wir sind zufrieden mit dem Verlauf.“
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Seitens der Veranstalter rief Frauke Donat zu einer friedlichen Versammlung auf, die ohne Aufstachelung zum Hass auskommen müsse. Der Gegenentwurf sei Respekt, betonte Dr. Liselotte Hacker-Schwarz (Omas gegen rechts) und zeigte sich fassungslos darüber, unmittelbar nach einer Holocaust-Gedenkstunde höhnisches Gelächter von AFD-Politikern sehen zu müssen. Es gelte, für ein „nie wieder“ einzutreten. Jeder Teilnehmer der Kundgebung sei ein Bestandteil des Schutzwalls der demokratischen Gesellschaft, sagte Hacker-Schwarz: „Wir sind die Brandmauer.“
Diese sei noch nicht gefallen, gab DGB-Regionssekretär Christian Zeeb zu bedenken und appellierte an die CDU, sie mit Mörtel und Steinen wieder komplett aufzubauen. Andernfalls gelte: „Wer mit Faschisten stimmt, macht sich mitschuldig.“
Auch Leon Klotzbach nahm die CDU in die Pflicht. Angesichts der jüngsten Abstimmung im Bundestag prophezeite er dem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz: „An Sie wird sich in der Politik niemand positiv erinnern.“ Das als Wahlwerbung verbrämte Verteilen fiktiver Abschiebe-Tickets bezeichnete er als Rassismus in seiner hässlichsten Form. Mit tosendem Applaus bedacht wurde sein Appell: „Zusammen etwas verändern für Einigkeit, für Recht, für Freiheit.“
Demokratie birgt Rechte und Pflichten
Jutta Dorsch (Linke) geißelte die „menschenverachtende“ Artikulation der AFD, die mit einer Verschiebung der Grenzen respektvollen Miteinanders einhergehe. Eine maßvolle Ausdrucksweise mahnte auch Dr. Jeannette Behringer an, die örtliche Bundestagskandidatin der Grünen, denn Ausgrenzung beginne mit der Sprache. In einer Demokratie zu leben, biete viele Rechte, bringe aber auch Pflichten mit sich. Eine besonders wichtige gelte hier und jetzt: „Aufstehen und laut werden.“
Genau das wurde es, als Phillip Boyer, Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall, die Lebenserinnerungen seiner Großmutter bemühte: „Sie hat Angst, weil sie das, was man ihr als Siebenjähriger erzählte, jetzt wieder von der AFD hört.“ Die Kundgebung wertete er trotz einer Vielzahl unterschiedlicher Meinungen als Fest der Demokratie. Die AFD wolle Dunkelheit verbreiten, warnte er, um damit die Suche nach vermeintlich einfachen Lösungen aller Probleme zu forcieren. „Aber wir hier sind das Licht“, so Boyer.
Angstbewältigung in Gedichtform
Angst zu haben, räumte auch Paul vom Antifaschistischen Netzwerk ein. Sie in einem Gedicht zu thematisieren und dieses vorzutragen, wurde mit anerkennendem Beifall belohnt. Cornelia True (Bundestagskandidatin der SPD), beschwor derweil den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Es reiche nicht, die AFD zu denunzieren. Vielmehr bedürfe es des Einsatzes für eine Politik, die niemanden zurücklasse, sondern allen die gleichen Chancen eröffne.
Für lautstarke Begleitung der Kundgebung sorgten die Bands Higgins und Skattlegrid.
Markige Töne der AFD-Spitze
Während 4000 Menschen unter freiem Himmel gegen die AFD demonstrierten, hielten im Konzerthaus Spitzenkandidatin Alice Weidel und der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Tino Chrupalla, viel beklatschte Wahlkampfreden. Ein ausführlicher Bericht dazu folgt.