Voith-Chef Toralf Haag: „Voith wird sich weiter stabil entwickeln“
Können Sie kurz beschreiben, wie es Voith wirtschaftlich geht?
Im abgelaufenen Geschäftsjahr hat sich der positive Trend fortgesetzt, wir konnten alle wesentlichen Kennzahlen für den Konzern steigern. Wir haben einen Rekordauftragsbestand, das ist sehr wichtig. Aber nicht nur die Höhe des Auftragsbestandes, sondern auch die Qualität mit besserer Marge als in der Vergangenheit ist wichtig. Der Umsatz liegt erstmals über fünf Milliarden Euro und das Ergebnis konnten wir auch entsprechend steigern. Den Jahresüberschuss konnten wir mehr als verdoppeln und besonders erfreulich ist die Entwicklung des operativen Cashflows, der mit über 300 Millionen Euro einen neuen Höchstwert erreicht. Denn es ist in diesen Zeiten besonders wichtig, dass wir unsere Nettoverschuldung, die ja überschaubar ist, noch weiter abbauen können, um die Zinslast zu minimieren.
Ein Rekord-Auftragseingang wurde in den vergangenen Jahren wiederholt verkündet und dann im Folgejahr nochmals gesteigert. So ist es auch jetzt. Liegt das an den Zukäufen, die Voith gemacht hat, oder sind das auch reale Steigerungen in den originären Geschäftsbereichen?
Ein Teil davon liegt an den Zukäufen, das ist richtig. Aber auch im Kerngeschäft haben wir einen Zuwachs an Auftragseingängen. Das liegt zum einen daran, dass sich die Hydro-Sparte erholt, sie hat am meisten unter der Corona-Krise gelitten. Da wurden viele Projekte auf Eis gelegt, gerade die im Ausland, die von Staatsbanken finanziert worden sind. Da sehen wir jetzt wieder ein Anziehen der Auftragslage und eine verstärkte Nachfrage nach Pumpspeicher-Kraftwerken, die ein sehr gutes Mittel zur Energiespeicherung sind. Wenn man mehr und mehr auf regenerative Energien umstellt, braucht man auch Mittel, um die Energie zu speichern. Davon profitiert Voith.
Werden überhaupt noch neue Wasserkraftwerke gebaut oder bekommt Voith hauptsächlich Modernisierungsaufträge?
Das ist regional sehr unterschiedlich. In Mitteleuropa und Nordamerika machen wir hauptsächlich Modernisierung, Service und Umbauten, aber auch neue Projekte durch Pumpspeicherkraftwerke. Neue, größere Wasserkraftwerke werden im Wesentlichen in Asien und Afrika gebaut.
Wie sieht es in den anderen Sparten aus?
Bei Voith Paper sehen wir schon eine Abkühlung bei unseren Kunden aufgrund der hohen Energiepreise, aber wir konnten trotzdem einige Aufträge sichern und der langfristige Trend liegt dort bei Verpackungs- und Hygienepapieren. Bei Voith Turbo haben wir durch Akquisitionen, aber auch durch den Umbau des Portfolios und die Ausrichtung auf mehr elektrische Antriebe sowohl im Mobilitäts- als auch im Industriebereich gute neue Aufträge bekommen.
Wann werden sich diese Aufträge bei Voith in der Bilanz niederschlagen?
Das ist je nach Division im Projektgeschäft unterschiedlich: Bei Turbo nach zwei bis 18 Monaten, bei Paper dauert es zwischen zwölf und 18 Monaten und bei Hydro eher nach ein bis zwei Jahren, das ist ein viel langfristigeres Geschäft. Insofern sind wir gut diversifiziert, sodass wir von einer allgemeinen Wirtschaftsdynamik unabhängiger sind, weil wir unterschiedliche Zeiträume haben, nach denen sich die Auftragseingänge im Umsatz widerspiegeln.
Damit sind aber auch die Umsätze der kommenden Jahre bereits jetzt gesichert?
Ja, zumindest ein gewisser Basisbetrag ist gesichert. Wir werden uns weiter stabil entwickeln.
Warum rechnen Sie für das laufende Geschäftsjahr zwar mit Rückgängen bei Aufträgen und Umsatz, aber einem steigenden Ergebnis?
Wir haben in den vergangenen Jahren verschiedene Maßnahmen zur Steigerung von Effizienz und Produktivität eingeleitet, die jetzt dazu beitragen, dass sich die Profitabilität verbessern wird. Außerdem haben wir den Produktmix optimiert, das heißt, wir haben einen höheren Anteil an Serviceumsatz und einen höheren Anteil an Digitalumsatz. In beiden Bereichen liegt die Rentabilität höher als im klassischen Produkt- und Projektgeschäft.
Der Stellenabbau in Heidenheim, der im Rahmen des Zukunftsvertrags 2026/28 beschlossen wurde, ist eine dieser Maßnahmen, von denen Sie sprechen?
Ja, das ist ein Teil davon. Wir passen weiterhin die Belegschaft in Deutschland an, wobei wir aufgrund der guten Auftragslage nicht so viel reduziert haben, wie wir ursprünglich angenommen haben. Aber wir werden hier weiterhin anpassen, so wie vereinbart ohne betriebsbedingte Kündigungen.
Das Ziel war es, bis 2026 auf 3.500 Stellen zu reduzieren. Bleibt das weiterhin der Plan?
Wir halten weiterhin an diesem Plan fest, es kann sein, dass er sich um ein oder zwei Jahre verzögert. Aktuell haben wir rund 4.000 Stellen in Heidenheim.
Wie passt der geplante Stellenabbau zum Fachkräftemangel, der Voith vermutlich auch beschäftigt?
Das ist ein Thema für Voith in gewissen Bereichen, vor allem in der Produktion und im Engineering haben wir Fachkräftemangel. Deshalb setzen wir weiter auf Ausbildung. Wir haben auch während der Corona-Krise unsere Ausbildung hochgehalten und viele junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgebildet. Das ist eine der Maßnahmen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Zudem gibt es Trainingsprogramme und andere Programme, die Voith zum attraktiven Arbeitgeber machen.
Trägt das Homeoffice auch dazu bei, dass Sie beispielsweise Fachkräfte gewinnen, deren Lebensmittelpunkt nicht Heidenheim ist?
Wir unterstützen eine gewisse Flexibilität, aber ich bin persönlich der Meinung, dass die Mehrheit der Arbeitszeit im Unternehmen verbracht werden sollte, um die Unternehmenskultur weiterzuentwickeln und auch die jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzulernen, was im Homeoffice nicht möglich ist. Insofern haben wir eine gewisse Flexibilität, aber es ist je nach Funktion und Disziplin sehr unterschiedlich, ob und wie viel man im Homeoffice arbeiten kann. Wir haben aber auch gesehen, dass nach der Corona-Krise sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freiwillig wieder zurückgekommen sind, um im Betrieb vor Ort zu arbeiten.
Was sind die aktuellen Investitionen am Standort Heidenheim?
Wir investieren weiterhin in die Produktion am Standort, das ist ja auch Teil des Zukunftspakts 2026/28. Wir haben gerade eine neue Fräsmaschine bei Paper installiert und werden bei Turbo in den Maschinenpark investieren, um das Servicegeschäft weiter voranzutreiben. Wir planen außerdem neue Photovoltaikanlagen, die auf den Dächern unserer Gebäude installiert werden.
Was tut Voith noch, um nachhaltig zu sein?
Es gibt sehr viele verschiedene Aktivitäten, wir investieren kontinuierlich in nachhaltige Systeme. Wir beziehen beispielsweise einen immer größeren Anteil an Strom aus regenerativen Quellen, wir investieren jedes Jahr einen hohen einstelligen Millionenbetrag in die Förderung von nachhaltigen Energien und unternehmen Anstrengungen, unseren Energiebedarf weiter zu reduzieren.
Treibt Voith die Expansion der vergangenen Jahre weiter voran?
Wir haben in den vergangenen Jahren relativ viele Akquisitionen getätigt. Wir haben uns jetzt vorgenommen, in diesem Geschäftsjahr weiter die Integration voranzutreiben und keine weiteren größeren Ankäufe zu tätigen, auch aufgrund der höheren Finanzierungskosten, bedingt durch die höheren Zinsen. Wir schauen uns aber weiterhin Firmen an und werden in den kommenden Jahren bestimmt wieder investieren.
In allen drei Divisionen?
Ja, mit einem Schwerpunkt auf Service und Digitalisierung bei Hydro und Paper und mit dem Schwerpunkt elektrische Antriebe im Bereich Turbo.
Nach der Franka-Emika-Pleite: Wollen Sie weiter in Robotik investieren?
Robotik bleibt ein Thema für Voith, aber nur intern. Wir haben eine Einheit, die alle drei Konzernbereiche bedient. Damit können wir Synergien über alle Divisionen hinweg erzielen. Extern werden wir uns nicht weiter engagieren.
Welche Rolle spielt der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) bei Voith?
KI hat für uns eine hohe Priorität in der Weiterentwicklung unserer digitalen Produkte. Wir haben sehr viele digitale Produkte, die die Verfügbarkeit und die Produktivität unserer Anlagen erhöhen. Uns stehen durch unsere Anlagen bei unseren Kunden sehr viele Daten zur Verfügung, die wir mit intelligenten Algorithmen auswerten können. Nun geht es darum, aus diesen Algorithmen selbstlernende Systeme zu entwickeln, die unsere Anlagen automatisch optimieren mit dem Ziel, höhere Verfügbarkeit und Effizienz beispielsweise einer Papiermaschine zu erreichen. Wir sehen das als Herausforderung, aber auch als Chance, um für unsere Kunden ein neues Geschäft zu generieren.
Können Sie dafür ein konkretes Beispiel nennen?
Es gibt beispielsweise verschiedene Parameter, die die Produktivität einer Papiermaschine bestimmen: Wassereinsatz, Geschwindigkeit, Temperatur oder Winkel der Walzen. Wir entwickeln Systeme, um die Produktivität zu erhöhen. Die verschiedenen Parameter werden kontinuierlich neu eingestellt, um das System zu verbessern. Damit kann man bestehende Maschinen und neue Maschinen ausrüsten.
Voith unterstützt in Heidenheim vor allem die Oper und den 1. FC Heidenheim als Sponsor. Wird das so bleiben?
Ich glaube, es ist wichtig, dass wir hier ein langfristiger Partner sind. Auch in Krisenzeiten haben wir unser Engagement nicht heruntergefahren. Und das wird voraussichtlich auch so bleiben, weil wir davon überzeugt sind, dass sowohl die Oper als auch der Fußball für die Stadt Heidenheim und die Region wichtig sind.
Zur Person Toralf Haag
Dr. Toralf Haag ist seit 2016 bei Voith in Heidenheim und war zunächst zwei Jahre lang als Mitglied der Geschäftsführung verantwortlich für den Bereich Finanzen und Controlling. Nach seinem Abschluss als Diplom- Kaufmann an der Universität Augsburg und der Promotion an der Universität Kiel startete Haag seine Karriere 1994 als persönlicher Referent des Vorstandsvorsitzenden der Thyssen Handelsunion AG in Düsseldorf. Von 1997 bis 1999 war er Director Finance, M&A and Corporate Development bei The Budd Company Detroit (USA), einem Tochterunternehmen von Thyssen Krupp. Im Jahr 2000 wurde er zum CEO der Stamping & Frame Division von The Budd Company Detroit berufen. Von 2002 bis 2005 war Haag Finanzvorstand bei der Norddeutschen Affinerie AG, heute Aurubis AG, in Hamburg, bevor er 2005 Finanzvorstand des Schweizer Unternehmens Lonza Group AG wurde.