Das war ja fast wie ein Popkonzert: Beifall durch Klatschen, Rufen, Pfeifen umbrauste das Vokalensemble „Singer Pur“ am Donnerstagabend in der Waldorfschule. Also, jedenfalls in der zweiten Hälfte des Konzerts. Nicht etwa, dass die erste Hälfte dem in für ein Meisterkonzert außergewöhnlich hoher Zahl erschienenen Publikums nicht gefallen hätte, aber vor lauter Stille, Andacht und Respekt hätte die Atmosphäre fast als ein wenig steif bezeichnet werden können.
Aber Pop gab es von Anfang an. Denn schließlich war das Konzert mit dem Titel „Fields of Gold“ ja vorrangig Liedern von Popstar Sting gewidmet. Erstaunlich genug für ein klassisches Konzert, umso mehr, als die fünf Sänger und ihre Sängerin noch gar nicht auf der Welt gewesen sein mögen, als Sting seine größten Hits hatte. Das Sextett hatte also nicht nur in ihren Augen ganz sicher als Oldies zu bezeichnende Songs ausgegraben, sondern ihnen Musik aus Klassik und Volksmusik, also noch ältere Oldies, gegenüberstellte, die thematisch verbunden sind.
Alte Hits mit neuem Reiz
Zum Thema Tanz also wurde Stings „They dance alone“ und „When we dance“ einerseits von Hans Leo Hasslers „Tanzen und Springen“ aus dem 16. Jahrhundert und andererseits vom Volkslied „Rosestock, Holderblüh“, das ja lange nicht und schon gar nicht so zu hören war, flankiert. Und so bekannt vor allem die Sting-Hits auch sein mögen, „Singer Pur“ sorgten für ein Neuentdecken. Gänzlich neu und eigens für das Ensemble arrangiert und vor allem ohne Schlagzeug, Bass und Gitarre, sondern ganz einfach a cappella dargeboten, entfalteten sie einen ganz neuen Reiz. Und dass der sich voll und ganz entfalten konnte, das lag an dem exquisiten Gesang. Mit den klaren, kräftigen Stimmen, jede für sich solistisch unterwegs und doch Harmonien bildend, Instrumente im Gesang darstellend, den Sting-Ursprung noch erkennen lassend, aber doch mit einigen Überraschungen aufwartend, beeindruckte das Ensemble so sehr, dass die Zuschauer ganz still und stumm wurden – eine Stimmung übrigens, für die sich „Singer Pur“ am Ende ausdrücklich bedankten.
Besonders herausragend aus dem Programm war Peter Louis van Dijks „Horizons“, ursprünglich komponiert für die Kings Singers, ein Stück, das Geschichte erzählt, inspiriert durch ein Gemälde, in dem Afrikaner die ersten Europäer voller Hoffnung empfangen, nicht ahnend, was durch die Kolonialisierung passieren würde. Entsprechend wechselvoll und ausdrucksstark ist das Stück, in dem Stimmen immer wieder wie zufällig in das Melodienbett eintröpfeln und Schleifen ziehen, Vokalisen, Laute und Zischen aggressive Akzente setzen, rhythmisches Klatschen Ordnung bringt, die doch wieder durch Dissonanzen verzerrt wird. Dass da schier atemlos gelauscht wurde, war fast die logische Folge zum einen des eigenwilligen Werks, aber auch seiner hervorragenden Umsetzung. Und diesem Werk „Fragile“, einem der größten Sting-Hits, in seiner ganzen fast schon meditativen Feinnervigkeit, sensibel umgesetzt, voranzustellen, war glänzend überlegt.
Goldene Schönheit
Friedrich Silchers Männer bis zum Untergang bezirzende „Lorelei“ erhielt ihre moderne Entsprechung durch „Wrapped around your finger", den Hit aus Stings „Police“-Zeiten. Mühelos wickelten „Singer Pur“ das Publikum mit beidem um die Finger. Natürlich fehlten auch die titelgebenden „Fields of gold“ nicht: „Singer Pur“ pflanzten sangesstark eine Eiche und eine Esche aus einem englischen Volkslied an den Rand von Stings berühmten Gerstenfelder und ließen diese in der bekannten und vielfach gecoverten Melodie zum Träumen schön wogen. Damit breiteten Sie deren ganze goldene Schönheit aus, womit das Konzert vielversprechend begann.
In der zweiten Hälfte waren neben Sting auch Billy Joel und Robbie Williams – der im Gegensatz zu den jungen Interpreten auf der Bühne auch schon alt genannt werden muss – vertreten. Und so, wie „Singer Pur“ Williams‘ „Come undone“ umsetzte, so würde man es – sorry, Robbie – am liebsten immer hören. Das ließe sich auch ohne Weiteres – sorry, Sting und Police-Kollegen – über „Every little thing she does is magic“ sagen, das in seinem Tempo selbst magisch wirkte. Je schwungvoller die Lieder wurden, desto mehr ging das Publikum auch aus sich heraus und die Stimmung wurde immer lockerer. Daran änderte auch Stings wieder ruhigeres „Shape of the heart“ nichts, dessen Innigkeit vom Publikum hörbar genossen wurde. Mit George Gershwins „They all laughed“, eingeleitet durch eine köstliche deutsche Übersetzung, unternahmen „Singer Pur“ Abstecher in den Jazz und Swing. Unterstrichen durch eine gefeierte Einlage à la Louis Armstrong, und Billy Joels „And so it goes“, ein Klassiker für Vokalensembles, war für „Singer Pur“ eine weitere gute Gelegenheit, ihr Können eindrucksvoll zu zeigen.
Mit Stings „A thousand years“ hatte die zweite Hälfte begonnen, mit Stings „Let your soul be your pilot“ waren die zwei wie im Flug verstreichenden Konzertstündchen beendet. Und das Publikum – geriet völlig aus dem Häuschen. Umso mehr als es erfuhr, dass die Truppe, bestehend aus Cordula Kraetzl (Sopran), Jakob Steiner (Bariton), Silas Bredemeier (Bass), Christian Meister und Marcel Hubner (beide Tenor) ganz kurzfristig den krankheitsbedingten Ausfall eines weiteren Tenors hinnehmen mussten. Ebenso kurzfristig wurde dafür Axel Marena engagiert, der als Finalist bei „The voice of Switzerland“ das Interesse des Ensembles geweckt hatte. Und Marena hat sich erstaunlich gut in das eingespielte Ensemble eingefügt – allesamt wurden sie für ihren Auftritt in der Waldorfschule gefeiert. Wie die Popstars.
Vielfach ausgezeichnet
Das Vokalsextett „Singer Pur“ wurde 1992 von ehemaligen Mitgliedern der Regensburger Domspatzen aus der Taufe gehoben. Seither hat sich das Ensemble zu einer der erfolgreichsten A-Capella-Formationen weltweit entwickelt. Zahlreiche Auszeichnungen, darunter der ECHO Klassik und der Opus-Klassik, belegen das hohe Niveau. Im Laufe der Jahre hat sich die Besetzung immer wieder verändert und verjüngt. Die Musiker veranstalten obendrein ein eigenes Vokalfestival, bei dem der Sängernachwuchs gefördert wird.