Nach vier Nullrunden-Jahren

Um so viel steigt der Preis fürs ÖPNV-Ticket im Landkreis Heidenheim

Der Landkreis Heidenheim hat versucht, mit günstigen Monatskarten Fahrgäste für den ÖPNV zu gewinnen. Ein Experte hat geprüft, inwiefern das gelungen ist. Damit der Zuschussbedarf nicht noch mehr wächst, hebt der Landkreis die Ticketpreise zum 1. März an.

Nach vier Nullrunden-Jahren wird das Busfahren im Landkreis Heidenheim ab 1. März 2025 um durchschnittlich acht Prozent teuer. Ein entsprechender Kreistagsbeschluss am Montag in einer Woche gilt als sicher, nachdem der Fachausschuss für Infrastruktur und Umwelt dies einstimmig mit drei Enthaltungen so empfohlen hat. Vorausgegangen war eine genauere Betrachtung der Entwicklung des ÖPNV und der Preise im Landkreis Heidenheim.

Um die Menschen im Landkreis angesichts von allgemein steigende Preisen und Krisen nicht noch mehr zu belasten, hat der Landkreis Heidenheim seit vier Jahren auf eine Preiserhöhung im Öffentlichen Personennahverkehr im Heidenheimer Tarifverbund (HTV) verzichtet. Gleichzeitig wurden im Frühjahr 2023 günstige Abo-Monatskarten für Jugendliche, Seniorinnen und Senioren und für Pendlerinnen und Pendler eingeführt – weit unter den Preisen anderer Regionen. Das alles sollte dazu beitragen, Anreize zum Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn zu schaffen – die gewünschte Verkehrswende vor Augen. Ist das gelungen?

Diese zwei Botschaften hat der Experte zum ÖPNV im Landkreis Heidenheim

Um nicht ins Blinde hinein die Tickets zu bezuschussen, ohne zu wissen, ob das auch den gewünschten Erfolg bringt, haben der Kreistag und die Landkreisverwaltung eine wissenschaftliche Begleitung zum tariflichen Maßnahmenpaket beauftragt. Prof. Dr. Ullrich Martin vom Verkehrswissenschaftlichen Institut an der Universität Stuttgart stellte den Kreisrätinnen und Kreisräten die Ergebnisse mit zwei wesentlichen Botschaften vor:

1. Preissenkung lockt Fahrgäste in den Heidenheimer Tarifverbund

Erstens: Die Preissenkung hat sich positiv ausgewirkt und dem ÖPNV mehr Kundschaft beschert, die auch weitere Strecken im Landkreis fährt als bisher. Die größte Wirkung hatte die Preissenkung in der Gruppe der Senioren, denen der Landkreis ein 365-Euro-Seniorenticket anbietet. Auch bei Pendlern habe die Preispolitik Auswirkungen gezeigt. Zwei Drittel der durch die Preispolitik erreichten Kunden seien vom motorisierten Individualverkehr umgestiegen, was man eigentlich auch erreichen wollte. Ein Drittel seien Fußgänger oder Radfahrer.

Markus Kalke, Referent für Mobilität und Straßenbau, belegte dies mit Zahlen: Die Abo-Monatskarte Mobil 63 sei mit 50 Abos im März 2023 gestartet, Ende des Jahres seien es schon 222 Seniorenticket-Abos gewesen und im laufenden Jahr habe sich die Zahl auf bis zu 250 Seniorentickets gesteigert. Die mit Abstand größte Kundengruppe sind die Schülerinnen und Schüler, die das landesweite Jugendticket gut nutzen. Im Februar 2023 hatten 4800 Schülerinnen und Schüler eine HTV-Schülermonatskarte, im Herbst 2023 5500, Tendenz weiter steigend.

Spannend war auch die Frage, ob eine HTV-Monatskarte Jedermann gegen das Deutschlandticket Bestand haben kann? „In anderen Verbünden geht die Zahl gegen null nach dem Start des Deutschlandtickets, im Landkreis nicht“, so Markus Kalke.

2. Nullrunden-Politik ist keine dauerhafte Lösung im Landkreis Heidenheim

An den Verkehrsunternehmen gehen die Preissteigerungen unter anderem bei Personal, Kraftstoff und Energiekosten nicht vorbei. Deshalb hat der Landkreis immer höhere Ausgleichszahlungen an die Verkehrsunternehmen und in Folge sei das Aussetzen von Tariferhöhungen keine dauerhafte Lösung, da das Geld dann an anderer Stelle fehlt, so die Einschätzung des Experten.

„Die Maßnahmen sind wirksam, aber letztlich schafft man eine Finanzlücke, die immer weiter wächst. Möchte man das tatsächlich?“, so Ullrich Martin, der gleich den Hinweis hinterher schob:  Das Geld fehle an anderer Stelle, um den Nahverkehr zu verbessern, etwa durch neue Fahrzeuge, Linien und einen besseren Takt. Damit würde der ÖPNV besser und attraktiver, was ebenfalls ein wirksamer Anreiz sein könnte für den Umstieg vom Auto. Er selbst sei deshalb kein Fan vom ÖPNV zum Nulltarif.

Künftige Preisentwicklung an Inflation anpassen?

Für künftige Preisanpassungen hatte der Fachmann noch eine Anregung: Man könnte die künftigen Tarifanpassungen an einen seriösen Indikator koppeln, wie zum Beispiel die Inflationsrate oder die allgemeine Lohnentwicklung. „Dann müssen Sie nicht jedes Jahr die Diskussion erneut führen.“

Diskutiert wurde diesmal nicht, der Vorschlag der Kreisverwaltung für eine Preiserhöhung von acht Prozent einstimmig für gutgeheißen, um das Defizit nicht noch größer werden zu lassen. Landrat Peter Polta verwies auf die geplante Preiserhöhung beim Deutschlandticket auf 58 Euro, was einen Aufschlag von 20 Prozent bedeute. Mit acht Prozent sei der Landkreis deutlich darunter. „Irgendwann müssen wir mal ran, man kann den Euro nur einmal ausgeben.“

Wie hoch die einzelnen Ticketpreise genau sein werden, steht aktuell noch nicht fest. Das Jedermann-Ticket ist laut Kreisverwaltung zum Beispiel an den Preis des BW-Jugendtickets gekoppelt. Und wie viel diese Karte künftig kosten werde, sei noch nicht raus.

On-Demand-Taxi erst im August?

ÖPNV auf Bestellung: Eigentlich sollte der Pilotversuch in Giengen und Dischingen zum Jahresbeginn starten. Doch nun verschiebt sich der Start der On-Demand-Taxis zum ÖPNV-Tarif um ein halbes Jahr. Der Grund: Anders als erwartet, gibt es jetzt doch eine finanzielle Förderung vom Land für das Vorhaben. Der Wermutstropfen: Bevor der Landkreis nicht im Förderprogramm drin ist, darf er mit dem Vorhaben nicht starten. „Wir erwarten Ende Dezember einen positiven Bewilligungsbescheid über 580.000 Euro“, so Landrat Peter Polta. Danach könne das Angebot ausgeschrieben werden. Läuft dann alles weiter nach Plan, könne der On-Demand-Verkehr in den Pilotgebieten im August starten. „Ich bitte um Verständnis. Wir können das Geld nicht auf der Straße liegen lassen.“

Für den On-Demand-Verkehr will der Landkreis mit Taxiunternehmen zusammenarbeiten und bereits bestehende, gut frequentierte Linien stärken. Damit das funktioniert, sollen schwache Linien abgeschafft und vom ÖPNV-Taxi auf Bestellung ersetzt werden. Gestärkt werden soll explizit die Linie von Nattheim nach Heidenheim sowie der Stadtverkehr in Giengen. Entwickelt werden soll eine App, über die die Kundinnen und Kunden ihre Fahrt anmelden können.