Zwei Autofahrer kommen nachts auf der B 19 an einer roten Ampel auf Höhe der Abzweigung nach Nattheim und zur Autobahn zu stehen. Beide kennen sich nicht, fahren jedoch schnelle Autos. Der 30-Jährige aus Bopfingen einen Audi A5 mit 258 PS, der 50-Jährige aus Aalen einen Ford Mustang mit weit mehr als 400 PS. Der Aalener ist an diesem 29. April gegen 22 Uhr auf der Heimfahrt von seiner Lebensgefährtin aus Herbrechtingen nach Aalen. Der Bopfinger hat gerade seine Beifahrerin in Heidenheim abgeholt, mit der er auf dem Weg zum Ausgehen ist. Die Ampel schaltet auf Grün und beide Männer geben Gas. Nicht ein bisschen, sondern so viel, dass die Fahrzeuge innerhalb kurzer Zeit auf weit mehr als die an dieser Stelle erlaubten 70 Kilometer pro Stunde beschleunigen. Keiner gibt nach. Beide legen es darauf an, schneller als der andere zu sein, vor dem anderen einzuscheren, wenn die beiden Spuren zu einer zusammenführen. Ein Machtspiel, ausgetragen mit dem Fuß am Pedal.
Polizei hält Ausschau in Heidenheim nach Posern
Was die beiden Fahrer nicht bemerken: Hinter ihnen an der Ampel sitzen zwei Polizeibeamte in einem Zivilfahrzeug. Sie sind auf Streife unterwegs, um nach sogenannten Autoposern Ausschau zu halten, also Menschen, die mit getunten Fahrzeugen durch die Stadt fahren, um aufzufallen. Den Beamten war der Mustang schon auf Höhe der Kanalstraße aufgefallen, sie waren ihm deshalb gefolgt, um das Fahrzeug genauer unter die Lupe zu nehmen.
So berichteten es die beiden Polizeibeamten als Zeugen vor dem Heidenheimer Amtsgericht, wo das Autorennen Gegenstand einer Verhandlung war. „Ich habe versucht mitzuhalten, aber es hat nicht funktioniert“, berichtete einer der Beamten, der am Steuer des Polizeifahrzeugs saß, einem Mercedes GLK mit knapp 200 PS. Der Abstand sei immer größer geworden. Mal sei der Audi auf der rechten Spur, mal der Mustang auf der linken Spur vorne gewesen. Der Mustang habe kurz nach links und wieder zurückgelenkt, sodass sich das Fahrzeug leicht aufgeschaukelt hatte, berichtete einer der Beamten. „Es wollte keiner nachgeben, dementsprechend haben sie weiter beschleunigt.“ Schlussendlich hatte der Mustangfahrer die Nase vorne, scherte laut Beobachtung des Polizeibeamten aber erst ein, als er bereits auf der Gegenfahrbahn war und er über die durchgezogene Linie fahren musste. Auf der Gegenfahrbahn seien in einiger Entfernung drei Fahrzeuge entgegengekommen.
Wie die Heidenheimer Polizisten die Raser einholt
Dass die beiden Angeklagten innerorts mindestens 130 km/h auf dem Tacho hatten und damit fast doppelt so schnell waren, als an dieser Stelle erlaubt ist, verriet den Polizisten der Blick auf den eigenen Tacho. Sie holten die Fahrzeuge ein, als diese vor der roten Ampel an der IHK-Kreuzung abbremsten. Die Polizisten überholten, stellten ihr Fahrzeug quer auf die Fahrbahn und liefen jeweils zum Auto der Rennfahrer. Die Führerscheine wurden beschlagnahmt und die Fahrerlaubnis für ein halbes Jahr gesperrt. Im Oktober erhielten die Männer die strafrechtliche Quittung: den Strafbefehl über 50 Tagessätze zu je 50 Euro, gegen den sie Widerspruch einlegten. Deshalb landete die Sache vor Gericht.
Das sagt ein Angeklagter zur Autofahrt in Heidenheim vor Gericht
Dort schwieg der Bopfinger, während der Aalener bei seiner Schilderung die Sache herunterspielte: „Ich habe ganz normal beschleunigt“, versicherte er. Erst habe er den Audi noch im Seitenspielgel gesehen, dann sei er weg gewesen, deshalb habe er erneut beschleunigt und eingeschert. „Danach habe ich ihn wieder im Rückspiegel gesehen.“ Wie schnell er gewesen sei, wisse er nicht, er habe nicht auf den Tacho geschaut. „Dass ich die Geschwindigkeit überschritten habe, kann sein, dass ich sie deutlich überschritten habe, das glaube ich weniger.“
Die Beifahrerin des Bopfingers im Audi war ebenfalls der Ansicht: „Es war eine ganz normale Autofahrt, da war nichts Komisches.“ Ob der Fahrer extrem beschleunigt oder schnell gefahren sei, fragte der Richter explizit: „Mir ist nichts aufgefallen.“ Hätte die Polizei sie nicht gestoppt, wäre ihr die Fahrt nicht weiter im Gedächtnis geblieben.
Bitte um mildere Strafe
Ein Tempo-Messgerät im Auto hatten die Polizeibeamten nicht. Um die Plausibilität der Tempoangaben zu überprüfen, überlegten die Anwälte, ein Gutachten einzufordern, verwarfen diesen Gedanken jedoch in Anbetracht dessen, dass die Führerscheinsperre für beide in Kürze ausläuft. Ein Gutachten hätte das Verfahren weiter verzögert. Als Werkstattmeister sei die berufliche Existenz seines Mandanten ohne Führerschein gefährdet, sagte einer der Verteidiger. Schlussendlich zogen deshalb beide Angeklagten ihren Widerspruch zurück, nur der Geldbetrag wurde gesenkt, worauf sich die Staatsanwaltschaft und Richter Dr. Christoph Edler einließen: 50 Tagessätze je 30 Euro. Das Kräftemessen am Steuer kostete die Männer damit jeweils 1500 Euro und eine monatelange Fahrabstinenz.
Welche Strafen drohen?
Straßenrennen sind in Deutschland schon lange verboten, die Sanktionen wurden immer wieder verschärft. Aktuell heißt es im Bußgeldkatalog: „Wer im Straßenverkehr ein nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen ausrichtet oder durchführt, als Kraftfahrzeugführer an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen teilnimmt oder sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Die Fahrerlaubnis kann entzogen werden. Zusätzlich sind drei Punkte in Flensburg zu erwarten. Kommt es zu einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, kann eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren, bei einem Personenschaden sogar von bis zu zehn Jahren verhängt werden.
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