Unter uns

Verklärte Erinnerungen: War früher wirklich alles besser?

Beim Blick auf zurückliegende Ereignisse sind Fakten wichtig, findet Marc Hosinner von der HZ-Redaktionsleitung.

Geht es Ihnen auch so, dass Ihnen die Erinnerung mitunter einen Streich spielt? Bei genauerem Überlegen stellen sich in der Vergangenheit liegende Ereignisse anders dar als im ersten Moment angenommen.

In der Redaktion hatten wir in dieser Woche eine Diskussion, ob Jugendliche früher, um es freundlich auszudrücken, so dummdreist waren wie heutzutage. Auslöser für das Für und Wider war das Theaterstück „Die Physiker“, welches in der Waldorfschule aufgeführt wurde. Das hervorragend gespielte Stück wurde von unflätigen Zwischenrufen und anderem Unfug von Schülerinnen und Schülern gestört.

Früher hätte es das nicht gegeben – so die Mutmaßung eines Kollegen. Obendrein hätte eine Lehrkraft für Ruhe gesorgt. War das früher wirklich so? Haben sich Teenager im vorherigen Jahrtausend anständiger benehmen können? Ich möchte meine Hand dafür nicht ins Feuer legen. Nicht für Schülerinnen und Schüler, und auch nicht für Lehrerinnen und Lehrer. Eins steht fest: Pubertät gab es früher auch – was das Verhalten natürlich in keiner Weise entschuldigt.

Das Erinnern in anderer Hinsicht stand in unserer Berichtserstattung zu den Straßennamen in Burgberg und den dazu erschienenen Leserbriefen im Mittelpunkt. Waren Erwin Rommel, Werner Mölders und Ernst Udet Widerstandskämpfer im Zweiten Weltkrieg? Und sind sie es wert, dass man Straßen nach ihnen benennt? Die Meinungen gehen auch da auseinander.

Ein Anwohner sagte in einer Versammlung, die drei hätten „ihr Leben für Deutschland riskiert“. Haben sie das wirklich? Oder haben der General und die Flieger, wie ein Experte aus heutiger Sicht erklärt, ihr Leben eher für das NS-Regime riskiert? Ich tendiere eher zur Meinung, die auf Fakten beruht und damit auf eine belegbare Erinnerung.

Um solche handelt es sich auch bei den Funden, die bei Grabungen auf Gerstetter Gemarkung ans Tageslicht befördert wurden. Dass die Gemeindeverwaltung über die teuren und zeitraubenden Einsätze, die vom Landesdenkmalamt angeordnet werden, nicht erfreut ist, ist nachvollziehbar. Allerdings sind die Erkenntnisse, die aus dem Untergrund kommen, wichtig für die Ortsgeschichte. Dass die ausgegrabenen Stücke nicht vor Ort bleiben werden, kann allerdings dazu führen, dass sich in der Zukunft die Erinnerung an die Vergangenheit eintrübt.

Schönes Wochenende