„Recht dicke, starke, volle Chöre“ hatte Felix Mendelssohn Bartholdy für seinen „Elias“ im Sinn. Was hätte er für eine Freude gehabt, hätte er dem Meisterkonzert am Sonntagabend im voll besetzten Festspielhaus beigewohnt. Denn exakt das erlebten die Zuhörer in schlicht überwältigender Weise. Etwa 140 Sängerinnen und Sänger aus den Chören Vocapella, Junger Kammerchor Ostwürttemberg und Vokalwerk der Opernfestspiele lieferten bereits einen seltenen und beeindruckenden Anblick, und was den Vortrag betrifft, so gilt dies mindestens im gleichen Maße. Das Publikum wurde vom satten, vollen Klang förmlich umhüllt – das allein war schon ein Erlebnis, das ordentlich gefeiert werden kann.
Und das war nur einer der Trümpfe, die Marcus Bosch für dieses chorsinfonische Konzert im Ärmel hatte. Solisten allererster Güte waren die weiteren. Allen voran die zweifach für den Grammy – um nur mal den Preis mit dem weitesten Bekanntheitsgrad zu nennen - nominierte Altistin Marie-Claude Chappuis, deren einzigartiges Timbre in der Stimme süchtig machen kann. Obendrein ist sie äußerst wandlungsfähig – ob lieblich oder aufwieglerische Königin, Marie-Claude Chappuis hat alles drauf und genoss es sichtlich und hörbar, das auch zu zeigen. Burkhard Fritz, ebenfalls international gefragt, ließ seinen Tenor ordentlich glänzen und überzeugte durchweg, und Karola Sophia Schmid sorgte mit ihrem klaren Sopran für weitere Glanzpunkte.
Dreimal Heimspiel
Und dann gab es ja noch dreimal Heimspiel: Leonie Wiedmann aus dem Jungen Kammerchor gab den Knaben, und das tat sie sehr souverän. Und schließlich war Bariton Gerrit Illenberger mit von der Partie, und er hatte in der Titelrolle richtig viel zu tun, und obendrein werden dafür auch enorme stimmliche Fertigkeiten abverlangt. Dass Illenberger diese Herausforderung meisterte, wäre eine Untertreibung. Seine Leistung war brillant und bravourös.
Das dritte Heimspiel lieferte die Cappella Aquileia, die damit wieder einmal bewies, welche Klasse sie hat. Sie war Sturmwind, Sonnenleuchten und Regen, und sie war vor allem eines: nicht dominant. Souverän überließ sie die Führung dem alles überstrahlenden Chor und damit der Hauptrolle, die Mendelssohn Bartholdy dem Chor zugedacht hatte.
Leidenschaft und Lyrik
Überhaupt, die Musik, noch so ein Trumpf. Bei der deutschen Uraufführung war sie als zu romantisch empfunden worden. Marcus Bosch aber hob exakt diese Eigenschaft heraus, ließ all die vielen Farben und Nuancen, die Mendelssohn Bartholdy hinein gezaubert hatte, schillern und schimmern, ließ aufwühlen und schwelgen, in Leidenschaft und Lyrik – der größte Trumpf in seinem Ärmel war der, den Marcus Bosch immer dabei hat: er selbst. Wie er die rund 200 Akteure auf der Bühne zu dieser Leistung zusammenführte und dabei jede noch so feine Feinheit zur Wirkung zu brachte, das war ein ganz wesentlicher Grund dafür, dass das Publikum so ganz und gar in das Werk eintauchen konnte und es auch mit Wonne tat.
Bosch konnte dabei auf die musikalische Assistenz von Andreas Klippert, Ina Stoertzenbach, Manuel Hartinger und Jesús Ortega Martinez zählen, die allesamt in ihrer Zusammenarbeit wohl eine ähnliche Harmonie an den Tag legten, wie sie auch die Akteure auf der Bühne bewiesen. Die Gesamtleistung beeindruckte das Publikum zutiefst, und es zeigte am Ende seine Zustimmung ganz im Mendelssohnschen Sinne: Es gab dicken, starken, vollen Applaus. Minutenlang.
Ungewöhnliche Besetzung
Das nächste Meisterkonzert findet am Samstag, 7. Dezember, in der Waldorfschule statt. Unter dem Titel „Phantasy in blue“ präsentiert das „Alliage Quintett“ klassische Werke in der ungewöhnlichen Besetzung vier Saxophone und ein Klavier. Zusammen mit Cellist Alban Gerhardt komplettiert die einmalige musikalische Symbiose.