Gekränktes Ego?

Mit Messer gedroht und brutal zugeschlagen: Vier junge Männer nach Vorfällen in Großkuchen und Heidenheim vor Gericht

Die Taten, für die sich vier junge Männer vor dem Jugend-Schöffengericht Heidenheim verantworten müssen und bei denen Fäuste und auch Messer eingesetzt wurden, spielten sich in Großkuchen und Heidenheim ab. Warum die Wahrheitsfindung schwierig war:

Viele Zeugen machen die Wahrheitsfindung nicht unbedingt einfacher, wie sich bei einer Verhandlung vor dem Heidenheimer Jugend-Schöffengericht zeigte. Auf der Anklagebank saßen vier junge Männer, denen verschiedene Straftaten von gefährlicher Körperverletzung bis Nötigung zur Last gelegt wurden. In den meisten Fällen ging es um Fausthiebe und Tritte, bei zwei Vorfällen waren allerdings sogar Messer im Spiel.

Zur Tatzeit waren die Angeklagten zwischen 15 und 18 Jahre alt, teilweise liegen die Vorfälle schon zwei Jahre zurück. Wenig verwunderlich also, dass sich viele der 15 Zeugen kaum noch an Details erinnern konnten. Und auch die polizeiliche Ermittlungsarbeit schien nicht gerade optimal verlaufen zu sein. Über Stunden mühte sich das Gericht unter Vorsitz von Richter Jens Pfrommer, die Puzzleteile der Geschehnisse zusammenzutragen.

Am Ende wurden die Verfahren gegen zwei der jungen Männer gegen Auflagen eingestellt. Obwohl einer der beiden sogar zugegeben hatte, dass er im März 2022 einem damals 23-Jährigen vor dem Jugendtreff in Großkuchen ein Messer an den Hals gehalten hatte.

Für zwei 17 und 20 Jahre alte Brüder ist der Ausgang des Verfahrens noch offen.

Schon eine Kleinigkeit reichte aus für brutale Schläge

Insgesamt entstand der Eindruck, dass die Angeklagten damals allesamt ein äußerst hohes Aggressionspotenzial hatten. Eine angebliche Beleidigung oder ein falscher Blick reichten aus, um auf vermeintliche Kontrahenten mit Faustschlägen und Tritten loszugehen.

Den größten Teil der Verhandlung nahmen Vorfälle im März 2022 in einem Jugendtreff in Großkuchen ein. Auf einer Party geriet einer der Angeklagten, damals 16 Jahre alt, mit einem anderen Besucher in Streit. „Aus Imponiergehabe“, wie er vor Gericht zugab. Es kam zu einer Schlägerei, bei der wohl auch Gläser geflogen sind, und zwar von beiden Seiten, wie der Kontrahent als Zeuge vor Gericht einräumte. Ob er einen Faustschlag von hinten im Sitzen abbekommen hatte, wie er berichtete, oder beide Kontrahenten sich gegenüberstanden und der Hieb von vorne kam (wie ein Zeuge aussagte), war nicht zu klären.

Nur wenige Stunden später hatte die Angelegenheit ein böses Nachspiel. Der Angeklagte berichtete, dass er und seine Kumpels auf der Heimfahrt einen Unfall gehabt hätten. Daraufhin sei eine Snapchat-Nachricht verbreitet worden, mit dem Inhalt: „Ich hoffe, ihr seid alle tot“. Als Urheber wurde der Gegner der Schlägerei verdächtigt, den man deshalb habe stellen wollen. Ein Teil der Kumpels fuhr zurück nach Großkuchen und wurde dort von einer Gruppe junger Leute in Empfang genommen, die sich ihnen in den Weg stellte.  Man habe sie nicht mehr ins Jugendhaus lassen wollen, so verschiedene Zeugenaussagen.

Messer an den Hals eines 22-Jährigen gehalten

„Ich habe die Leute gesehen und dann hab´ ich das Messer ausgeklappt“, schilderte der Angeklagte die Situation.  Er gab zu, dass er dem damals 22-jährigen Opfer ein Messer an den Hals gehalten habe, um durchgelassen zu werden.

Der Geschädigte, beschrieb den Vorfall überraschend gelassen und berichtete vor Gericht, dass er einem der Angreifer noch die Maske heruntergezogen habe, mit denen sich die Täter vermummt hatten. Von einem der Jungs habe er Faustschläge abbekommen, bei denen seine Lippe aufplatzte und sein Nasenbein gebrochen wurde. Nach seiner Ansicht handelte es sich dabei um den älteren der beiden angeklagten Brüder. 

Diesem Angeklagten, inzwischen 20 Jahre alt, wurde außerdem zur Last gelegt, dass er im Oktober 2022 in der Nähe des Rewe-Marktes in Heidenheim im Streit ein Messer zog und einen Mann am Bauch verletzte. Das räumte er auch ein und sprach von einem „Black-out“. Es sei eine Schlägerei mit mehreren Beteiligten vorausgegangen. „Ich habe ein Messer genommen und versucht, denen Angst zu machen.“

Der Geschädigte der Messer-Attacke sagte aus, dass der Streit von ihm ausgegangen sei. Er habe den Angeklagten geschlagen, weil dieser angekündigt habe, ihn „abstechen“ zu wollen. Den Grund kenne er nicht. Richter Pfrommer hielt dem 19-Jährigen vor, dass der Angeklagte nach eigener Aussage offenbar ein Problem damit habe, dass er jungen Leuten Drogen andrehe. Die lapidare Antwort: „Ich sage dazu nichts.“

Angreifer ließ sich bei brutaler Attacke filmen

Bei diesem Vorfall könnte auch der jüngere der beiden Brüder involviert gewesen sein. Die Aussagen darüber gingen auseinander. Unbestritten gehen aber zwei andere Straftaten auf das Konto des inzwischen 17-Jährigen. Im September 2022 fühlte sich der Angeklagte von einem anderen jungen Mann durch ein verbales Geplänkel und „komische Grimassen“ provoziert. Er habe ihn zur Rede stellen wollen, doch der habe ihn „nicht ernst genommen“ und „einfach ignoriert“, berichtete er. Auf der Rolltreppe des Heidenheimer Rewe-Supermarktes verpasste der Angeklagte dem Mann deshalb eine Kopfnuss, die zu einer Platzwunde und einer Prellung führte.

Im Juni 2023 dann der nächste Vorfall an der Heidenheimer Wilhelmstraße. Der Angeklagte jagte einem Jugendlichen nach, streckte ihn mit einem Faustschlag nieder und trat anschließend mit den Füßen auf ihn ein, als dieser auf dem Boden lag. Ein Kumpel filmte das brutale Vorgehen mit einem Video, das als Beweis im Gerichtssaal gezeigt wurde. Während das Opfer aussagte, den Angeklagten überhaupt nicht zu kennen, behauptete der Angeklagte, dass er von ihm bedroht worden sei. „Mein Ego war gekränkt“ und „ich wollte ein Zeichen setzen“, so die Rechtfertigungen des Angeklagten. Für Richter Pfrommer sah das Ganze angesichts des Videos aus, wie eine geplante Aktion.

Eingestellt wurde schließlich das Verfahren gegen den 18-jährigen Cousin der beiden ebenfalls angeklagten Brüder, da ihm allenfalls eine geringe Tatbeteiligung bei der Schlägerei in Großkuchen nachzuweisen gewesen sei. Er muss zehn Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

Ebenfalls eingestellt wurde das Verfahren gegen den zweiten 18-Jährigen auf der Anklagebank, der in Großkuchen einen Mann mit dem Messer bedroht hatte. Richter Pfrommer tat sich damit allerdings offenbar nicht leicht. Argumentiert wurde damit, dass der Angeklagte bis zur Tat und auch seither nicht auffällig geworden sei. Er mache inzwischen eine Ausbildung und die Jugendgerichtshilfe bescheinigte eine gute soziale Prognose. Er muss als Auflage 300 Euro an den Hilfs- und Wohltätigkeitsverein zahlen.

Fortsetzung für die beiden Brüder

Das Verfahren gegen die beiden Brüder geht weiter. Der Ältere muss sich für den Messerstich in Heidenheim verantworten und es gilt zu klären, ob er den Nasenbeinbruch des Mannes in Großkuchen verursacht hat. Für den jüngeren Bruder geht es um zwei Körperverletzungen. Zum einen auf der Rewe-Rolltreppe, zum anderen als er einen Jugendlichen auf offener Straße verprügelte.

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