Was die Villa in der Fasanenstraße in Heidenheim so einzigartig macht
Dieses Haus steht buchstäblich einzig da. In Heidenheim sowieso. Aber auch im weiten Umkreis findet sich nichts, das vergleichbar wäre. Fasanenstraße 2 lautet die Adresse im Südosten der Stadt. Wer über die Voithsiedlung und dort vorbei, wo früher einmal die Waldkirche stand, hierher findet, steht am Ende staunend vor einer Villa im Landhausstil. Am Waldrand gelegen, auf einem 4000 Quadratmeter großen Grundstück, eingehegt von altem Baubestand und verwunschen wirkenden Gartenwinkeln mit vielen Rosen etwa oder großen Rhododendren.
Das Landhaus Gertz präsentiert sich in einem völlig anderen Stil als die um die Wende zum 20. Jahrhundert entstandenen anderen Villen im Stadtgebiet. Hier und da findet sich zwar auch hier noch ein wenig später Jugendstil, besonders, was Verzierungen, etwa auf Türstürzen, anbelangt. Ansonsten allerdings ist dieses im Jahr 1903 nach Plänen von Heinrich Metzendorf entstandene Haus in dem durch die englische Landhausbewegung beeinflussten sogenannten Heimatstil gehalten, für den der Darmstädter Architekt, der unter anderem auch das Erscheinungsbild der Dortmunder Gartenstadt mitprägte, besonders bekannt war.
Zoeppritz, Voith, Zippel
Bauherr war Henry Gertz, Schwiegersohn von Otto Zoeppritz und von 1900 an Teilhaber der Mergelstetter Wolldeckenfabrik. Gertz und Metzendorf, das spürt man auch 120 Jahre später noch, dürften sich ziemlich einig gewesen sein, was unter einer behaglichen Wohnform zu verstehen sei. Es findet sich auf 370 Quadratmetern Wohnfläche und auf elf Zimmer verteilt nicht nur viel hochwertig verarbeitetes Holz, sondern, wohin oder worauf man auch schaut, eine schier unglaubliche Fülle an kunsthandwerklichen Details.
Wer drinnen von Raum zu Raum gleitet, nimmt im Angesicht zahlreicher Türen Großzügigkeit und Offenheit wahr. Der Blick von Balkonen und durch zahlreiche Fenster schweift weit und bleibt selbstverständlich auch auf Schloss Hellenstein haften. Draußen indes schmiegt sich die einstmals einsam und allein in der Gegend stehende Villa gelungen in die Landschaft. Kein Wunder, dass sich einer der ersten Besucher, Friedrich Voith, gleich an den Architekten von Henry Gertz wandte und sich von Heinrich Metzendorf in seinem Freizeitidyll bei Lindau am Bodensee in ähnlichem Stil die „Villa Rasteck“ bauen ließ.
Die neuen Besitzer
Der Name Voith führt denn auch schnurstracks ins Jahr 1976, als der bis dato letzte Besitzerwechsel an diesem idyllischen Ende der Fasanenstraße vonstattenging. Es zog ein, aus Pfullingen kommend, die fünfköpfige Familie Zippel. Dr. Fridolin Zippel war mit seiner Gattin, der Tochter und den beiden Söhnen nach Heidenheim gekommen, um hier als neuer Vertriebsleiter von Voith zu wirken. Die Suche nach einem neuen Heim hatte sich nicht eben leicht gestaltet, um dann gewissermaßen im Paradies zu enden. Jedenfalls empfand das Jeanette Zippel so, eines der drei Geschwister und damals ein Teenager. „Ich habe mich wie in einem Schloss gefühlt“, erinnert sich die heute in und auch über Heidenheim hinaus wohlbekannte Künstlerin.
Wie in einem renovationsbedürftigen Schloss, könnte man hinzufügen. Es war einiges zu tun, innen wie außen. Aber genau das kam Dr. Fridolin Zippel gerade recht. „Vater war handwerklich sehr geschickt und hat die allermeisten Sachen selber erledigt.“ Die Villa wurde so grundlegend renoviert, dabei aber weitgehend im Originalzustand erhalten. Wo das nicht möglich war und, etwa im Zuge einer Anpassung an moderne Lebensstandards, Eingriffe nötig wurden, geschah dies äußerst stilvoll und mit sicherem Geschmack. Neues fügte sich ein, setzte gleichzeitig aber noch einmal ganz eigene Akzente.
Was nun wird?
Das Haus, so viel kann wohl festgestellt werden, hat nicht nur einen besonderen kultur-, sondern auch einen regionalgeschichtlichen Wert. Seit 1996 stehen Haus und Grundstück unter Denkmalschutz. „Das haben Besitzer zwar nicht immer unbedingt gern“, weiß Jeanette Zippel. „Aber es macht das Ganze doch auch besonders.“ Jeanette Zippels Eltern sind vor zwei Jahren gestorben. Die Tochter war einige Jahre zuvor wieder ins Elternhaus gezogen und lebte dort in den Oberstübchen. Die Villa gehört nun ihr und ihrem Bruder – und steht zum Verkauf. „Es ist schon traurig, das Haus zu verlassen, aber ich bin sehr dankbar für die Zeit, die ich hier verbringen durfte. Für eine Bewohnerin allein jedoch wäre das alles hier viel zu groß und aufwendig.“ Was nun wird? Wer weiß? „Wenn ich mir die Zukunft des Hauses träumen dürfte, dann sähe ich es als Künstlerhaus oder museal genutzt, so was in der Richtung“, sagt Jeanette Zippel.
Besondere Wohnformen gesucht
Wie lebt es sich auf einem Aussiedlerhof? Welche Besonderheiten bietet die Gemeinschaft in einer WG? Stößt man bei der Renovierung eines denkmalgeschützten Hauses eigentlich ständig an Verbote? In loser Serie soll in der Heidenheimer Zeitung über verschiedene Wohnformen berichtet werden. Interesse? Anregungen, Ideen und Tipps gerne per E-Mail an laura.strahl@hz.de.