Nachhaltigkeit

Weniger Wasser und Energie: Voith entwickelt in Heidenheim neue Technik zur Herstellung von Hygienepapier

95 Prozent des benötigten Wassers und 40 Prozent der Energie bei der Herstellung von Hygienepapieren sollen mit einem neuen Herstellungsverfahren eingespart werden. Voith entwickelt die neue Technik zusammen mit dem Unternehmen Essity und bekommt Fördergelder in Millionenhöhe dafür.

Für die Entwicklung eines laut Voith „bahnbrechenden Verfahrens“ zur Herstellung von Hygienepapier fließen 14,5 Millionen Euro Fördermittel vom Bund und der EU nach Heidenheim. Mit dem neuen Herstellungsverfahren für Tissuepapier sollen 95 Prozent an Wasser und 40 Prozent an Energie gegenüber dem herkömmlichen Verfahren eingespart werden. Den Förderbescheid überreichte Dr. Franziska Brantner, parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, an den Voith-Vorstandsvorsitzenden Dr. Toralf Haag und Voith-Paper-Chef Andreas Endters. Anschließend wurde die Pilotanlage besichtigt, die im Voith Paper Technology Center an der Paul-Hartmann-Straße bereits aufgebaut wurde.

Weltmarktführer Essity als Partner

Partner von Voith bei diesem Projekt ist die Firma Essity, laut deren Geschäftsführer Wilfried Wemhoff der Weltmarktführer bei Hygienepapieren. Das börsennotierte Unternehmen mit Hauptsitz in Schweden stellt beispielsweise Marken wie Zewa und Tempo her. Nachhaltigkeit, so Wemhoff, sei in der Unternehmensstrategie verankert: „Wir wollen diesen Industriebereich decarbonisieren“, sagte er in Heidenheim.

Die Versuchsanlage ist mit mehr als 30 Metern genauso lang wie eine normale Papiermaschine, jedoch nicht so breit, da schmälere Papierbahnen hergestellt werden. Teams von Voith und Essity arbeiten gemeinsam an dem neuen Herstellungsverfahren. Für die Produktion von 500 Gramm Hygienepapier, wie es beispielsweise für Taschentücher, Toilettenpapier oder Küchentücher verwendet wird, benötigt man rund drei Liter Wasser. Mit der „Sahara-Maschine“, so der Projektname, soll der Verbrauch auf 0,1 Liter reduziert werden.

Eine rare Ressource einsparen

„Wasser wird zunehmend eine rare Ressource“, sagte Dr. Franziska Brantner. Dies sei in Deutschland so, aber noch viel stärker in anderen Ländern, die extrem von der deutschen Technologie profitieren könnten. Die Firmen wolle man deshalb bei der Entwicklung unterstützen, damit diese nach der Maxime „Mach die Welt besser und verdiene Geld damit“ handeln könnten. Die Fördermittel stammen aus dem Programm „Dekarbonisierung in der Industrie“ des Bundeswirtschaftsministeriums und aus dem EU-Fonds „NextGenerationEU“. Bei letzterem handelt es sich um einen Wiederaufbaufonds nach der Corona-Krise, mit dem unter anderem auch klimafreundliche Technologien unterstützt werden sollen.

Die Idee für die Entwicklung des neuen Herstellungsverfahrens sei 2022 entstanden, berichtet Dr. Haag. Rund ein Jahr Vorlauf brauchte es bis zur Genehmigung der Förderung. Noch in diesem Jahr soll die Versuchsanlage ihren Regelbetrieb aufnehmen. Der Abschluss des Projekts ist bis Ende 2026 geplant. Dazwischen wird die Versuchsanlage zweimal komplett umgebaut werden. Beim ersten Upgrade sollen die Eigenschaften des Papiers verbessert werden, der zweite Umbau wird den Einsatz von recyceltem Papier als Rohstoff ermöglichen.

Ein positives Signal für Heidenheim

„Das Bundeswirtschaftsministerium hat sich für die Förderung des Projekts entschieden, weil es einen wesentlichen Beitrag zur Dekarbonisierung der Papierindustrie leistet“, so Staatssekretärin Brantner. Es werde eine disruptive Technik entwickelt, mit deren Hilfe erwartet wird, massiv an Ressourcen sparen zu können. Die Erwartungen sind hoch: Die Rede ist von einem „Durchbruch in der nachhaltigen Papierproduktion“ und „neuen Maßstäben hinsichtlich der Nachhaltigkeit.“

Toralf Haag betont, wie wichtig es sei, dass die Versuchsanlage in Heidenheim stehe: „Hier werden Zukunftstechnologien entwickelt“, sagt er. Das sei ein positives Signal für die gesamte Belegschaft am Stammsitz der Firma, die zuletzt eher mit negativen Nachrichten wie der Verlagerung der Hydro-Produktion nach St. Pölten und dem Abbau von Arbeitsplätzen bei Voith Turbo konfrontiert war.

Wachsender Markt mit Hygienepapier

Als Tissue-Papier, abgeleitet vom englischen Wort „tissue“ für Gewebe, wird ein saugfähiges Hygienepapier aus Zellstoff bezeichnet. Es wird beispielsweise für Toilettenpapier, Küchenpapier, Papierservietten und Papiertaschentücher verwendet, oft auch in mehreren Lagen. Laut Voith wird die weltweite Produktion von Tissue-Artikeln bis 2025 über 50 Millionen Tonnen pro Jahr erreichen und das mit steigender Tendenz. Innerhalb des Papiersegments gelte der Tissuemarkt als dynamisch, innovativ und zukunftsorientiert.