Die Zahl der Apotheken im Landkreis Heidenheim sinkt – und das spüren vor allem die Menschen in ländlichen Gebieten. In der neuen Episode des HZ-Podcasts „Unterm Dach“ spricht HZ-Redakteurin Karin Fuchs mit der Schnaitheimer Apothekerin Cornelie Rau über die finanzielle Lage der Apotheken und die Folgen für die Gesundheitsversorgung.
„1991 gab es im Landkreis Heidenheim noch 34 Apotheken, heute sind es nur noch 27“, berichtet Rau im Gespräch. Das seien 20 Prozent weniger. In der Innenstadt von Heidenheim falle das nicht so stark auf. Doch betroffen vom Apothekensterben seien vor allem der ländliche Raum oder Stadtrandlagen, die Auswirkungen machten sich derzeit besonders bemerkbar. So gebe es in Steinheim und Königsbronn nur noch je eine Apotheke, in Giengen musste eine Apotheke schließen, sodass dort nur noch drei Apotheken verblieben. In Herbrechtingen gebe es zum Glück wieder zwei Apotheken – lange war unklar, ob es eine Nachfolge geben würde.
Im Schnitt schließt alle 16 Stunden eine Apotheke.
Cornelie Rau, Apothekerin
Deshalb, so bestätigt Rau, sei der Landkreis Heidenheim bislang noch mit einem blauen Auge davongekommen. Denn der allgemeine Trend sehe anders aus: Allein 2023 schlossen deutschlandweit 500 Apotheken – so viele, wie es insgesamt in Thüringen gibt. „Im Schnitt schließt alle 16 Stunden eine Apotheke“, sagt Rau.
Für das Apothekensterben gibt es laut Rau mehrere Gründe. Ein wichtiger ist die wirtschaftliche Situation. „Unsere Einnahmen unterliegen der staatlich geregelten Arzneimittelpreisverordnung, aber die Vergütung hat sich seit 20 Jahren nicht verändert, während unsere Betriebskosten massiv gestiegen sind“, erklärt Rau. 80 bis 85 Prozent der Einnahmen erzielten Apotheken mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, deren Preise genau festgelegt seien und bei denen ein Abschlag an die Krankenkassen gehe. Wenn aber ein selbstständiger Apotheker weniger Jahresverdienst habe als ein angestellter Kollege, mache das den Beruf unattraktiv.
Teure Medikamente: Apotheke legt Kaufpreis aus
Hinzu komme, dass Apotheker eine hohe Liquidität benötigen. Teure Medikamente müssten oft wochenlang vorfinanziert werden, bis die Krankenkassen das Geld erstatten. „Wir Apotheker haften mit unserem Privatvermögen – das wissen viele nicht“, sagt Rau. Dies diene dazu, dass Apotheker unabhängig beraten. Doch für die Vorfinanzierung der Medikamente, die bis zu einer halben Million Euro betragen könne, verlangten Banken Sicherheiten.
Wir Apotheker haften mit unserem Privatvermögen – das wissen viele nicht.
Cornelie Rau, Apothekerin
Dieses finanzielle Risiko schrecke junge Pharmazie-Studierende davor ab, sich mit einer eigenen Apotheke selbstständig zu machen. Deshalb entschieden sich drei Viertel lieber für eine sichere und gut bezahlte Anstellung in der Industrie – wodurch wiederum der Nachwuchs in den Apotheken fehle.
KI organisiert jetzt den Apotheken-Notdienst rings um Heidenheim
Zusätzliche Herausforderungen bringe die Umstellung des Apotheken-Notdienstes mit sich. Eine künstliche Intelligenz steuere inzwischen, welche Apotheke nachts und am Wochenende geöffnet habe. Es gebe keinen festen Plan mehr für Heidenheim. Stattdessen gebe man im Notdienstplaner seine Postleitzahl ein und bekomme dann die drei nächstgelegenen Apotheken angezeigt.

„Von Schnaitheim aus gesehen war es das letzte Mal Hüttlingen – das lag früher gar nicht in unserem Notdienstkreis.“ Wenn sie am Wochenende Dienst habe, kämen rund 90 bis 120 Menschen in die Apotheke. Teils seien es wirkliche Notfälle, teils müssten frisch entlassene Klinikpatienten dringend mit Medikamenten versorgt werden. Dafür sei der Notdienst auch gedacht. Ärgerlich sei es aber, wenn sie mitten in der Nacht wegen Papiertaschentüchern, eines Nasensprays oder der „Pille danach“ herausgeklingelt werde – Dinge, die keine Notfallmedikamente seien.
Wie Cornelie Rau zu einer „Apotheke light“ steht
Wie sie sich eine bessere Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe vorstellt und wie das dem Gesundheitssystem sogar Geld sparen könnte, darüber spricht Rau im Podcast ebenso wie über die immer noch andauernden Lieferengpässe bei Medikamenten und die Folgen für Patienten. Sie verrät auch, ob der Apothekenstreik etwas gebracht hat. Ein Spoiler: Ja, wenn auch nicht in der politischen Reaktion. Rau erklärt zudem, warum sie eine „Apotheke light“, also eine Apotheke ohne Apotheker, wie sie Gesundheitsminister Karl Lauterbach als Lösung für den ländlichen Raum vorgeschlagen hatte, ablehnt.
Cornelie Rau: seit 15 Jahren Apothekerin in Schnaitheim
Cornelie Rau stammt aus einer Apothekerfamilie. Obwohl sie beruflich zunächst eine andere Richtung einschlug, packte sie doch die Leidenschaft für Medikamente und Co. Sie studierte Pharmazie und übernahm 2010 die Kapell-Apotheke von ihrem Vater in Schnaitheim. Bis zum vergangenen Jahr organisierte sie die Apotheken-Notdienste und engagierte sich auch bei den Apotheken-Protesten, zu denen der Apothekerverband Abda aufgerufen hatte, um ein Signal Richtung Politik zu senden.
Das Interview ist zu hören auf hz.de und auf allen gängigen Podcast-Plattformen unter dem Titel „Unterm Dach“.