Brücken in alle Welt

Vom Rucksacktouristen zum dauerhaften Aufenthalt: Gabor Kiener aus Heidenheim lebt in Australien

Was braucht man, um in Australien Fuß zu fassen? Gabor Kiener aus Heidenheim wanderte vor zehn Jahren nach Australien aus und arbeitet dort als Handwerker. Für "Brücken in alle Welt" berichtet er von seinem Leben dort:

Es war ein kalter, regnerischer Sonntag im November 2013. Ich war am Boden zerstört, da ich gerade meine langjährige Beziehung beendet hatte. Plötzlich bekam ich einen Anruf von meinem Cousin aus Australien. Er meinte: „Ich habe gehört, was passiert ist. Kopf hoch, Junge! Warum kommst du nicht einfach nach Australien und erkundest ein bisschen das Land und lernst die Leute hier kennen?“ Da ich als gelernter Zimmermann und Handwerker im Winter ohnehin immer drei Monate zu Hause sitze, dachte ich mir: „Wieso eigentlich nicht?“

Gesagt, getan! Ich habe mich sofort an den Computer gesetzt, um ein sogenanntes „Work and Travel“-Visum zu beantragen. Im Anschluss habe ich den Flug gebucht.

Genau einen Tag vor Silvester ging es dann auch schon los. Nach 24 Stunden Flug, mit einmal umsteigen in Dubai, bin ich endlich angekommen. Bei 35° C und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit war ich nicht nur vom Wetter begeistert, sondern gleich auch noch vom Autofahren. Das Lenkrad befindet sich auf der rechten Seite und es wird auf der linken Spur gefahren. 

Leben in Australien: Die größten Herausforderungen

Die größte Herausforderung war es für mich aber, ein Telefonat zu führen und Arbeit zu finden. Ich dachte ja, dass meine Englisch-Kenntnisse, mit einer abgeschlossenen Mittleren Reife ausreichend wären, aber da habe ich mich sehr getäuscht. Vor allem, weil die Australier einen ganz eigenen Slang sprechen. Mir wurde schnell bewusst, dass ich, wenn ich hier schnell Fuß fassen möchte, schnellstens mein Englisch verbessern muss. Und wie mache ich das am schnellsten? Indem ich unter die einheimischen Leute gehe, mit ihnen zusammenwohne, jeden Tag Zeit mit ihnen verbringe und mich mit ihnen auf Englisch unterhalte.

Ebenfalls habe ich sehr schnell feststellen müssen, dass hier alles sehr teuer ist. Zum Beispiel kostet eine Schachtel Zigaretten in Australien 45 Australische Dollar, was umgerechnet 27 Euro sind.

Erfreulicher war da schon eher, dass man hier als Handwerker sehr gut verdienen kann. Nach ein paar Telefonaten und einigen Probearbeiten habe ich dann eine einigermaßen vernünftige Firma gefunden. Schnell wurde mir klar, dass die Australier beim Bauen andere Standards haben als wir in Deutschland. Das war daher eher von Vorteil für mich. So konnte ich mein Können und meine langjährige Berufserfahrung auf dem Bau unter Beweis stellen. Vor allem, was Pünktlichkeit, Sorgfältigkeit und präzises Arbeiten betrifft. Nach ein paar Wochen war mein damaliger Chef so begeistert, dass er mich gleich zum „Supervisor“ (Bauleiter) hochgestuft hat und ich auf einmal 15 Mann unter meiner Führung hatte. Jeden Einzelnen musste ich mit Arbeit beschäftigen. Sicherlich habe ich dadurch nicht nur mein Selbstbewusstsein gestärkt, mein Gehalt ging auch gewaltig in die Höhe.

Arbeiten als Handwerker in Australien: Für den Heidenheimer war es kein Problem, dort schnell aufzusteigen. privat

Die meisten Arbeitgeber setzen eine permanente Aufenthaltsgenehmigung voraus. Diese nennt man PR (Permanent Resident), damit hat man Wohn- und Arbeitsrecht in Australien. Dieses ist allerdings sehr schwer zu bekommen. Entweder heiratet man eine Australierin bzw. PR oder man bekommt es durch eine Förderung des Arbeitgebers, „Sponsorship“ genannt.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich bin vor zehn Jahren als Rucksacktourist eingereist und mittlerweile stolzer Permanent Resident. Schon bald kann ich auch die australische Staatsbürgerschaft beantragen. Ich habe mittlerweile meine eigene Zimmerei-Firma gegründet und lebe mein bestes Leben hier im wunderschönen Sydney. 

Was ich von Deutschland vermisse und mir fehlt, ist an erster Stelle meine Familie, die Freunde, die Pünktlichkeit, das präzise Arbeiten und vor allem das Bier! Daher: „Prost!" Oder wie man hier sagt: „Cheers!“