Neues Buch

Warum sich Anna Mosler aus Heidenheim intensiv mit dem mysteriösen Tod ihres Urgroßvaters beschäftigte

Ein dunkles Geheimnis in der Familiengeschichte und das traditionsreiche Handwerk der Korbmacherei, in dem die Heidenheimerin Anna Mosler selbst auch Meisterin ist: Das ist die Basis des Buchs „MoslerWinzer“, das die 63-Jährige geschrieben hat.

Ein dunkles Geheimnis gibt es vermutlich in vielen Familien. Aber nicht immer ist es nachfolgenden Generationen möglich, sich auf Spurensuche zu begeben – weil es keine schriftlichen Spuren gibt. Anders ist das bei der Heidenheimerin Anna Mosler: In ihrer Familie, die im niederbayrischen Dorf Winzer an der Donau zu Hause war, ist vieles erhalten geblieben: Briefe, Tagebücher, Fotos. So konnte sich die 63-Jährige dem seltsamen Tod ihres Urgroßvaters am 13. Juni 1906 auch aus großer zeitlicher Entfernung annähern. Und auch wenn sie das Geheimnis abschließend nicht lüften konnte, ist mit ihrem Buch „MoslerWinzer“ doch etwas Licht ins Dunkle gekommen.

Berliner Korbmacher in Niederbayern

Paul Mosler, der eigentlich aus Berlin stammte, kam 1873 über München nach Niederbayern, als in Winzer ein Lehrer für die „feine Korbmacherei“ gesucht wurde. Der Korbmacher bildete zunächst junge Menschen aus, bevor er sich selbstständig machte, mit einem Stamm von selbst ausgebildeten Mitarbeitern. Er heiratete seine erste Frau Creszenz, aus der Ehe stammte der Sohn Franz Paul, Anna Moslers Großvater. Seine Ehefrau Creszenz starb mit nur 23 Jahren. Vier Jahre später heiratete Paul Mosler deren jüngere Schwester Franziska, die offenbar sehr materialistisch veranlagt war. Und nur elf Jahre nach der Eheschließung war Franziska eine reiche Witwe: Paul Mosler starb mit durchtrennter Halsschlagader, was im Deggendorfer Donauboten als möglicher Suizid beschrieben wurde.

Das war der Moment, in dem ich beschlossen habe, ein Buch zu schreiben.

Anna Mosler

Was die Urenkelin Anna Mosler stutzig machte: Es war keine Polizei im Haus, als der Tote gefunden wurde, der Tod wurde nicht in den Kirchenbüchern erfasst und trotz des angeblichen Selbstmords erhielt Paul Mosler eine Grabstätte auf dem Winzerer Friedhof an der Kirchenmauer. Das Vermögen von 92.600 Goldmark strich die Witwe zum größten Teil für sich selbst ein, die drei Kinder erhielten nur einen Pflichtteil von jeweils 7000 Mark. Den Erbschein hatte wohl damals niemand gesehen, aber Anna Mosler stieß auf ihn im Staatsarchiv Landshut. Demnach hätten Franziska und ihre drei Kinder jeweils ein Viertel des Erbes erhalten müssen, die Witwe Mosler hat ihre Kinder um das Erbe gebracht. „Das war der Moment, in dem ich beschlossen habe, ein Buch zu schreiben“, so Anna Mosler – wenn man so will, um eine späte Gerechtigkeit herzustellen.

Die Geschichte eines alten Handwerks

Gleichzeitig erzählt die Autorin mit ihrem Buch auch noch eine andere Geschichte: die der niederbayrischen Korbmacherindustrie, in der die Familie Mosler und ihr Betrieb eine wichtige Rolle spielten. Anna Mosler selbst stellt gleichsam das Bindeglied zur Gegenwart dar: Sie ist Korbmacher-Meisterin, wenngleich dies heute nur noch für ganz wenige Menschen ein Brotberuf ist. Die Heidenheimerin stellt in ihrer eigenen Werkstatt Auftragsarbeiten her, mehr als ein Kleingewerbe ist es für sie aber nicht. Einen angemessenen Stundenlohn für die Handarbeit mit geschälten Weiden bezahlt am Ende niemand für die fertigen Stücke – deshalb ist ihre Handwerkskunst in den Bereich der Liebhaberei gerutscht, günstige Ware kommt aus Ländern mit entsprechend niedrigen Löhnen.

Der Mann, der in Anna Moslers Werkstatt an der Wand hängt, ist ihr Großvater Paul. Die Zeichnung zeigt das denkmalgeschützte Lagerhaus der Korbfabrik in Winzer. Annas Lieblingsplatz als Kind war auf dem eingezäunten Platz auf dem Dach vor dem kleinen Türmchen. Rudi Penk

Anna Mosler arbeitet in einem Raum im Untergeschoss des Wohnhauses. Die Werkstatt beherbergt neben fertigen Körben und geflochtenen Truhen auch einige alte Werkzeuge, die aus Winzer stammen. Bilder an der Wand zeigen die Korbfabrik der Familie und ein Porträt des Großvaters. Und auch historische Flechtwaren gibt es im Hause Mosler-Trittner in jeder Ecke: ein stabiler geflochtener Sessel, rund 100 Jahre alt, fein geflochtene Bilderrahmen aus Peddigrohr, Aquarelle des Großvaters – alles in Kombination mit Bildern und Flechtwerken, die von Anna Mosler selbst stammen.

Sütterlinschrift erlernt

Schon als Jugendliche habe sie sich für die Familiengeschichte interessiert, erzählt Anna Mosler, die mittlerweile schon seit mehr als 30 Jahren in Heidenheim lebt, ihren bayrischen Akzent aber nie verloren hat. So spannend fand sie das, was früher war, dass sie die preußische Sütterlinschrift erlernte, um die Briefe ihrer Großeltern Franz Paul und Anny selbst lesen zu können. Und von den Briefen gab es viele: Mehrmals war die Großmutter auf Kur in Bad Aibling, in den Wochen ihrer Abwesenheit schrieb sich das Ehepaar. Darüber hinaus führten die Moslers für jedes ihrer Kinder ein Tagebuch, das deren Kindheit begleitete.

Ein historisches Stück aus Winzer: Der Bilderrahmen ist aus feinem Peddigrohr geflochten. Das Bild stammt von Anna Moslers Nachbarin. Rudi Penk

All dies ist in „MoslerWinzer“ ausführlich dokumentiert, zudem mit vielen historischen Aufnahmen illustriert. Die Ära der Korbwarenfabrik Mosler endete mit dem Unfalltod von Anna Moslers Eltern im Jahr 2001, danach wurde die Werkstatt geschlossen. Zuletzt war vor allem Handel mit Korbwaren betrieben worden, Stammkunden erhielten noch Sonderanfertigungen. Das ganze Gelände wurde 2010 von der Gemeinde Winzer gekauft, im großen Garten steht jetzt ein Seniorenheim. Das denkmalgeschützte Lagerhaus wurde saniert, darin soll ein Museumsdepot entstehen. Anna Mosler begleitet das Projekt mit ihrem Fach- und Familienwissen.

Buch im Pressehaus Heidenheim erhältlich

Anna Mosler ist die Ehefrau des früheren HZ-Redakteurs Günter Trittner. Dieser war Erstleser und Lektor ihres Buchs, das im Verlag Druckerei Ebner Deggendorf erschienen ist. Es ist im Heidenheimer Pressehaus für 22,90 Euro erhältlich. Auf Anna Moslers Homepage flecht-werkstatt.de kann es auch bestellt werden.

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