Zu gut für die Tonne

Warum Betriebe in der Region Heidenheim die App „Too Good To Go“ nutzen

Immer mehr Betriebe im Landkreis Heidenheim nutzen die App „Too Good To Go“, um überschüssige Lebensmittel zu verkaufen und Verschwendung zu vermeiden. Wie sind ihre Erfahrungen?

Ob Brötchen aus der Bäckerei, die tagsüber nicht verkauft wurden, oder übriggebliebenes Essen von einem Restaurant – mit der App „Too Good To Go“ kann man Lebensmittel zu günstigen Preisen erwerben, die sonst im Müll landen würden. Auch Supermärkte beteiligen sich, indem sie nicht verkaufte, aber noch genießbare Frischwaren wie Obst und Gemüse oder Milchprodukte anbieten. Wie etwa der Edeka in Steinheim. „Das Angebot wird fast zu gut angenommen“, sagt der Marktleiter Daniel Schlecker lachend. Tut es ihm denn weh, dass die Lebensmittel zu stark reduzierten Preisen an die Kunden verkauft werden? „Nein, überhaupt nicht. Wir sind froh, dass es so ein Angebot gibt.“

Auch im Steinheimer Edeka gibt es Überraschungstüten

Das Konzept ist denkbar einfach: Nach dem Herunterladen der App sieht man auf einen Blick, welche Betriebe in der Umgebung teilnehmen. Diese bieten Überraschungstüten an. Der Inhalt variiert von Tag zu Tag, je nachdem, was eben liegengeblieben ist. Zu einer festgelegten Abholzeit können die Kunden ihre Tüte dann im Geschäft abholen – meist kurz vor Ladenschluss.

Daniel Schlecker nutzt die App, er spendet übriggebliebene Lebensmittel aber auch an die Heidenheimer Tafel und Foodsharing Heidenheim. „Jeder kriegt was und deshalb werfen wir so gut wie nichts mehr weg.“

Süßkartoffeln vom Sofienhof in Bachhagel

Auch Lorenz Kienle, Chef des Sofienhofs in Bachhagel, ist begeistert von „Too Good To Go“. Selbst angebaute Kartoffeln und Süßkartoffeln hat er im Angebot. „Das ist B-Ware, die nicht schön genug für den Handel ist, aber einfach zu gut ist, um weggeworfen zu werden.“ Die Kartoffeln, die er in den Tüten anbietet, seien etwas zu klein oder zu groß geraten und hätten kleine optische Mängel. „Sie erfüllen nicht die Handelskriterien. Im Supermarkt greifen die Kunden einfach zu den schönen Produkten und was nicht perfekt ist, bleibt liegen.“

Am Sofienhof werden Kartoffeln und Süßkartoffeln zum Selbstkostenpreis verkauft, die es aus optischen Gründen nicht in den Handel schaffen. Rudi Penk

Auch deshalb ist Kienle überrascht, wie gut die Angebote, die er auf der App veröffentlicht, angenommen werden. „Zwischen fünf und zehn Tonnen Lebensmittel werden so nur bei uns gerettet. Das ist der Wahnsinn.“ Die Kartoffeln erhalten die Kunden an der Selbstverkaufshütte beim Sofienhof zum Selbstkostenpreis. Der Grund ist ganz einfach: „Was im Topf landet, ist nicht verschwendet. Wenn es stattdessen weggeworfen wird, war unsere ganze Arbeit umsonst.“

Tankstellen-Bistros machen mit – etwa in Nattheim

Auch einige Tankstellen im Landkreis nutzen die Möglichkeiten der App. So auch HEM in Nattheim, wo Kunden das in die Überraschungstüte bekommen, was im Bistro übriggeblieben ist. „Das ist frische Ware, aber es läuft mittelmäßig“, sagt ein Mitarbeiter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Wenn die Kunden sich mit der App auskennen und das Konzept verstehen, dann freuen sie sich über das Angebot.“ Das seien in Nattheim allerdings noch nicht so viele. „Ich glaube, manche denken, sie könnten als asozial abgestempelt werden oder als bedürftig gelten, wenn sie übriggebliebene Ware günstiger kaufen. Mit dem Konzept hat das aber nichts zu tun.“ Dennoch soll das Angebot weiterbestehen. „Es ist doch einfach besser, als die Lebensmittel wegzuwerfen.“

Günstiges Essen vom Buffet in Heidenheim

Das sieht auch Phouong Nguyen vom Taste Hotel Heidenheim so. Nutzer können hier die Reste des Frühstücksbuffets – eine Viertelstunde vor Buffetende – sowie Mittags- und Abendessen in einem selbst mitgebrachten Behältnis abholen. Samstags und sonntags kann man sogar im Restaurant essen – eine halbe Stunde vor Ende des Buffets. „In großen Städten gibt es das Angebot schon lange und an jeder Ecke, in Heidenheim sind wir das erste Hotel, dass es anbieten und die Leute finden es toll.“ Natürlich bleibt am Buffet jeden Tag unterschiedlich viel übrig. „Wenn nicht mehr viel zu holen ist, sind manchmal nicht alle happy, aber wir füllen das Buffet nicht nochmal auf. Es geht ja darum, Lebensmittel zu retten, die sonst weggeworfen würden.“

90 Millionen registrierte Nutzer

„Too Good To Go“ wurde 2015 von einer Gruppe junger Unternehmer in Kopenhagen gegründet. Ihr Traum war, eine Lösung für die massive Lebensmittelverschwendung in dänischen Restaurants zu finden. Das Ziel war, eine App zu entwickeln, die Lebensmittelunternehmen und Konsumenten verbindet und Menschen so den Zugang zu guten Lebensmitteln zu einem ermäßigten Preis und einem positiven Effekt auf das Klima ermöglicht.

Mittlerweile ist „Too Good To Go“ in 17 Ländern aktiv und hat sich laut eigenen Angaben zu einer Community mit 90 Millionen registrierten Nutzern und 155.000 aktiven Partnerunternehmen auf der ganzen Welt entwickelt.

Jetzt einfach weiterlesen
Jetzt einfach weiterlesen mit HZ
- Alle HZ+ Artikel lesen und hören
- Exklusive Bilder und Videos aus der Region
- Volle Flexibilität: monatlich kündbar